MONITOR vom 23.05.2019

Korrupte Eliten und EU-Subventionen: Wie Europa seine Feinde stärkt

Bericht: Shafagh Laghai, Nikolaus Steiner, Kamilla Pfeffer

Korrupte Eliten und EU-Subventionen: Wie Europa seine Feinde stärkt Monitor 23.05.2019 09:00 Min. UT Verfügbar bis 30.12.2099 Das Erste Von Shafagh Laghai, Nikolaus Steiner, Kamilla Pfeffer

Kommentare zum Thema, weiterführende Links und der Beitragstext als PDF

Georg Restle: „Help! Hilfe! Steht auf diesem Banner einer Demonstration in Budapest, eingerahmt von der Flagge der EU. Das sagt viel aus über die Stimmung in vielen osteuropäischen Ländern, wo Hunderttausende auf die Straße gehen, weil sie darauf hoffen, dass Europa sie von ihren Regierungen befreit. So wie hier in Prag, wo Zehntausende gegen den Ministerpräsidenten Babisz auf die Straße gehen - viele von ihnen mit Europa-Flaggen in der Hand. Oder hier in Budapest, wo sich die Wut gegen Viktor Orban richtet und die Hoffnung auf Europa.

Ob Ungarn, Rumänien oder Polen, fast überall in Osteuropa sind Rechtsstaat und Demokratie in großer Gefahr. Viel zu lange hat die EU diese Regierungen mehr oder weniger gewähren lassen, ja sogar massiv unterstützt. Mit milliardenschweren Subventionen, an denen sich ausgerechnet die größten Antidemokraten und deren Netzwerke reichlich bedienen konnten. Besonders gut zu beobachten in Rumänien. Nikolaus Steiner, Shafagh Laghai und Kamilla Pfeffer.“

„PSD - die rote Pest” - rufen sie. PSD, das ist die Regierungspartei in Rumänien, die sich sozialdemokratisch nennt. Tausende Menschen sind am vergangenen Sonntag in Bukarest zusammengekommen. „Alle für Europa” steht auf ihren Schildern. Tudor Chirila ist in Rumänien ein Star und mit seiner Band Vama eine der bekanntesten Stimmen gegen Korruption und für ein soziales Europa.

Tudor Chirila, Band Vama (Übersetzung Monitor): „Die Demokratie ist in Gefahr in Rumänien. Und viele Menschen haben das verstanden, sind aufgewacht und sagen, wir wollen nicht von solchen korrupten Leuten regiert werden.”

Korrupte Machthaber, damit ist vor allem er gemeint: Liviu Dragnea, Chef der Regierungspartei PSD und Parlamentspräsident. Er gilt als mächtigster Mann im Land, steuert aus dem Hintergrund die Regierung. Dragnea ist verurteilt - wegen Wahlmanipulation, steht vor Gericht wegen Anstiftung zum Amtsmissbrauch. Ein scharfer Kritiker der EU, von der er aber gleichzeitig finanziell profitiert haben soll. Zum Beispiel mit Straßenbauprojekten in seiner Heimatregion, finanziert auch mit Geldern aus der EU. Gebaut von der Firma Teldrum. Dragnea soll der Firma zwei EU-geförderte Aufträge besorgt haben - illegal. Er bestreitet die Vorwürfe. Die rumänische Antikorruptionsbehörde DNA ermittelt jedenfalls deshalb auch gegen Liviu Dragnea. Der Vorwurf: illegal erhaltene EU-Fördergelder in Höhe von mehr als 20 Millionen Euro. Die PSD äußerte sich auf MONITOR-Anfrage dazu nicht. Haben sich hochrangige Politiker in Rumänien jahrelang an EU-Subventionen bedient? Fälle wie den von Dragnea gebe es viele, sagt die EU-Parlamentarierin Ingeborg Grässle.

Ingeborg Gräßle (CDU), Vorsitzende EU-Haushaltskontrollausschuss: „Das ist ein System, in dem sich betroffene Politiker gegenseitig Aufträge zuschanzen. Das ist ein System, in dem die Ehefrau, der Onkel Zugriff auf europäische Gelder bekommen, bei Projekten bevorzugt werden.”

Bei dieser Schweinefarm zum Beispiel soll Liviu Dragneas Sohn Valentin Hauptaktionär gewesen sein. Auch diese Firma soll nach rumänischen Medienberichten EU-Fördermittel in Millionenhöhe bekommen haben. Politiker und ihre Netzwerke. Laura Stefan und ihre Organisation Expert Forum haben untersucht, wer in Rumänien vor allem von öffentlichen Geldern profitiert. Die roten Punkte zeigen die Ortschaften, die von der PSD regiert werden.

Laura Stefan, Expert-Forum (Übersetzung Monitor): „Wir haben eine Menge Fälle gefunden, in denen Bürgermeister der PSD in Verbindung mit EU-Fördergeldern stehen. Wir haben dann Firmen untersucht, die EU-Gelder erhalten haben und siehe da, wenn man sich anschaut, wem diese Firmen gehören, stellt man fest, dass es die gleichen Personen, die gleichen politischen Netzwerke sind.”

EU-Gelder, die anderswo fehlen. Ferentari - das Armenviertel von Bukarest. Etwa 120.000 Menschen leben hier. Auch das ist die EU. Irina Zamfirescu versucht die Lebensbedingungen der Menschen ein bisschen zu verbessern. Der Bürgermeister habe zwar angekündigt, hier EU-Gelder in Millionenhöhe zu investieren, passiert sei bis heute nichts, sagt sie.

Irina Zamfirescu, ActiveWatch (Übersetzung Monitor): „Die Menschen werden komplett im Stich gelassen vom Staat. Sie haben keinen Zugang zum Sozialsystem, keinen Strom, kein Wasser. Alle Bürgermeister in Bukarest sind von der Regierungspartei PSD. Der Bürgermeister von diesem Viertel hat während des Wahlkampfs immer wieder versprochen, die Lage zu verbessern. Aber es hat sich überhaupt nichts geändert.”

Und das, obwohl die EU Rumänien fast 25 Milliarden Euro allein zwischen 2014 und 2017 zur Verfügung gestellt hat. Geld, das in vielen Fällen nicht dort ankam, wo es hinkommen sollte. Laut dem letzten Bericht von OLAF - der EU Anti-Betrugs-Behörde - wurden 2017 nirgendwo sonst in der EU so viele Betrugsfälle aufgedeckt wie in Rumänien. Sie hatte entscheidend dazu beigetragen. Laura Kövesi war fünf Jahre lang Chefin der Antikorruptionsbehörde DNA. Auf sie setzte die EU - und auch für viele Rumänen war sie die Hoffnung, dass Korruption nun endlich bekämpft wird.

Laura Kövesi, ehem. Leiterin Antikorruptionsbehörde DNA (Übersetzung Monitor): „Als ich Chefin der Antikorruptionsbehörde war, haben wir gegen 14 Minister und ehemalige Minister, 49 Abgeordnete, sechs Senatoren und acht Staatssekretäre ermittelt. Gegen mehr als die Hälfte aller Kreisratsvorsitzenden haben wir ermittelt. In den meisten Fällen ging es um Bestechung und Amtsmissbrauch im Zusammenhang mit öffentlichen Aufträgen.“

Reporter (Übersetzung Monitor): „Auch um EU-Gelder?“

Laura Kövesi, ehem. Leiterin Antikorruptionsbehörde DNA (Übersetzung Monitor): „Teilweise ging es auch um EU-Gelder.“

Kövesi hat hart durchgegriffen, viele hinter Gitter gebracht. Auch die Ermittlungen gegen Liviu Dragnea fielen in ihre Amtszeit. Die Korruptionsbekämpfung funktionierte. Bis das System Dragnea zurückschlug.

Liviu Dragnea (PSD), Parteivorsitzender (09.06.2018) (Übersetzung Monitor): „Die korrupten Staatsanwälte sind immer noch da. Ihr habt im TV gesehen, wie sie Straftaten fabrizieren und Aussagen fälschen. Auch die Chefin der Antikorruptionsbehörde. Wir alle könnten von dieser Geheimpolizei verurteilt werden.”

Wenige Wochen nach dieser Aussage von Dragnea muss Laura Kövesi ihren Posten räumen. Unter anderem wegen angeblichen Amtsmissbrauchs.

Laura Kövesi, ehem. Leiterin Antikorruptionsbehörde DNA (Übersetzung Monitor): „Es begann eine Kampagne gegen Staatsanwälte und Richter, gegen viele wird derzeit ermittelt. Es wurde enormer, politischer Druck aufgebaut. Und ich denke, das hat mit unseren Ergebnissen im Kampf gegen Korruption zu tun.”

Und die Attacken gegen unliebsame Juristen sind nicht alles. Ende April stimmte das rumänische Parlament dafür, das Korruptionsstrafrecht zu lockern, weitere Gesetzesänderungen sind geplant. Davon würde vor allem er profitieren: Parteichef Liviu Dragnea. Er und sein Netzwerk könnten glimpflich oder gar straffrei davonkommen. Es ist ein Angriff auf den Rechtsstaat, auf die Unabhängigkeit der Justiz, sagen Kritiker. Und fordern: keine weiteren EU-Subventionen mehr an Rumänien, solange diese Politik andauert.

Ingeborg Gräßle (CDU), Vorsitzende EU-Haushaltskontrollausschuss: „Wenn das alles, was auf dem Tisch liegt, angenommen wird, dann kann Europa kein Geld mehr nach Rumänien überweisen, weil dann ist der Korruption durch Politiker Tür und Tor geöffnet.“

Die Menschen hier hoffen, dass es nicht soweit kommt. Dass die EU den Druck auf die Regierung erhöht. Die Organisatorin der Veranstaltung, Elena Calistru, hofft auch auf die Solidarität der Menschen in Europa.

Elena Calistru, Funky Citizens (Übersetzung Monitor): „Das ist ein Schlüsselmoment für uns, und diese Unterstützung aus Europa wird den entscheidenden Unterschied machen, ob Rumänien zu einer besseren Demokratie wird oder ob Rumänien abdriftet.

Kommentare zum Thema

  • Hochstein 09.06.2020, 15:08 Uhr

    2020 MOIN MOIN KORRUPTION gibt es überall Global gesehen , weil es um Geld geht. Menschlichkeit wird zertreten und das Kapial wird unterschlagen. FETTERNWIRTSCHAFT und Lobbyarbeit steht an der Tagesordnung. Der Verstand wird abgeschaltet weil Gelder fließen in die Privaten Kassen .Legislative Executive und Jurikative gekauft und die Mafia diktiert weiter wie Diktatoren. So läuft es mit dem Kapital Faschismus. Tschüss bleiben Sie gesund

  • M. TAUSEND 03.06.2019, 19:24 Uhr

    Diese korrupten Spielchen in Romania sind absolut nichts Neues. Das hohe Interesse der meisten Amtsträger (Polizei, Behördenmitarbeiter usw.) besteht darin, für sich selbst das Meiste abzustauben und da ist natürlich der Gedanke an die Allgemeinheit und das Volk zweit-rangig. Gott sei Dank gibt es auch ein paar wenige Ausnahmen, die ihren Dienst und Arbeit korrekt erledigen. Nur diese Anständigen werden von den Korrupten unterdrückt. Ich spreche aus eigener Erfahrung. Die Zustände sind den EU-Politikern sehr wohl bewusst aber sie verharren liber in ihrer Trägheit als dagegen tätig zu werden

  • Rudolf Wolff+ 31.05.2019, 17:42 Uhr

    Da muss ich unsere Politik loben da gibt es keine Korruption bei uns wird sich in punkto Kalkulation vertan aber ziemlich nach oben hin, dann ist das Geschrei groß und das legt mit der Zeit denn die Zeit bringt vergessen und dann kommt die große Magie das Geld ist verschwunden und es ward nie mehr gesehen und die Verantwortlichen gehen in Rente, das meine Damen und Herren nenne Kunst und Politischer Alzheimer daran erkranken nur ausgesuchte. r.wolff