MONITOR vom 17.01.2019

Der Fall Oury Jalloh: Ermittlungen sollen ausbleiben

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Bericht: Andreas Maus

Der Fall Oury Jalloh: Ermittlungen sollen ausbleiben

Monitor 17.01.2019 03:50 Min. Verfügbar bis 30.12.2099 Das Erste Von Andreas Maus

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Georg Restle: „14 Jahre ist es jetzt her, dass wir bei MONITOR zum ersten Mal über den Fall Oury Jalloh berichtet haben, einen der größten Justizskandale in der Geschichte dieser Republik. Seitdem beschäftigt nicht nur uns die Frage, wie der junge Mann aus Sierra Leone in dieser Polizeizelle verbrennen konnte. Letzten Monat hat die Naumburger Generalstaatsanwalt beschlossen, die Ermittlungen endgültig einzustellen, obwohl nach wie vor zahlreiche Indizien dafür sprechen, dass Oury Jalloh sich nicht selbst angezündet hat, sondern von Polizeibeamten verbrannt wurde. Andreas Maus.“

Was geschah wirklich in dieser  Dessauer Polizeizelle, in der der Asylbewerber Oury Jalloh 2005 qualvoll verbrannte? Hat er sich selbst angezündet? Oder waren es Polizeibeamte? Diese Frage wird möglicherweise nie mehr beantwortet werden. Denn die Generalstaatsanwaltschaft Naumburg kommt in einem Prüfvermerk jetzt zu dem Schluss:

Zitat: „weitere Ermittlungen“

im Falle Oury Jallohs seien

Zitat: „aussichtslos“

Das Verfahren soll nicht wieder aufgenommen werden. Rückblick: Zwölf Jahre lang gingen die Ermittler von einer Selbstanzündung aus. Dann, eine spektakuläre Wende. MONITOR berichtete im November 2017 über ein internes Dokument. Plötzlich geht der Dessauer Staatsanwalt Folker Bittmann von einem begründeten Mordverdacht aus - und will gegen Polizeibeamte ermitteln. Der Grund: Brandexperten und Mediziner waren zu dem Schluss gekommen, dass die bisherige These der Selbstanzündung von Oury Jalloh nicht länger zu halten sei. Doch anstatt weiter zu ermitteln, wird dem Staatsanwalt der Fall weggenommen - und soll jetzt endgültig zu den Akten gelegt werden. Die neuen Erkenntnisse der Gutachter spielen für die Generalstaatsanwaltschaft praktisch keine Rolle. Die Experten wurden nicht einmal erneut befragt. Ohnehin könne bei den Gutachtern von einer

Zitat: „weitgehenden Einigung … keine Rede sein“

heißt es im Prüfvermerk. Einer der Gutachter widerspricht.

Prof. Gerold Kauert, Toxikologe: „Es stimmt nicht, dass die - wie es die Generalstaatsanwaltschaft annimmt - dass die Gutachter sich in Würzburg uneinig gewesen sind. Im Gegenteil, die Gutachter waren der Auffassung, dass es so, wie es bisher behauptet worden ist, nicht gewesen sein kann, was dann auch dazu geführt hat, dass eben die Staatsanwaltschaft Dessau einen neuen Ermittlungsansatz begonnen hat.“

Prof. Tobias Singelnstein, Rechtswissenschaftler und Kriminologe, Universität Bochum: „Wenn man den Prüfvermerk liest, hat man eigentlich durch die Bank weg den Eindruck, dass es von dem Wunsch getragen ist, dieses Verfahren endgültig zu beenden und vom Tisch zu bekommen.“

Wie weit das geht, liest sich dann in dem Prüfvermerk so: Wenn die Polizisten eine Straftat oder den Tod Oury Jallohs hätten vertuschen wollen, wäre ein Anzünden der Leiche eine der

Zitat: „kriminalistisch denkbar schlechtesten Möglichkeiten“,

wird behauptet. Denn es wäre für die Beamten einfacher gewesen,

Zitat: „die Leiche aus dem Polizeirevier zu schaffen“,

um sie an einem

Zitat: „geeigneten Ort abzulegen“.

Daher, so die Schlussfolgerung, sei die Tatbeteiligung von Polizeibeamten

Zitat: „ausschließbar“.

Prof. Tobias Singelnstein, Rechtswissenschaftler und Kriminologe, Universität Bochum: „Das halte ich für eine ziemlich weitgehende Interpretation, für einen ziemlich gewagten Schluss. Und wenn man das dann so gegenüberstellt, auf der einen Seite die Polizeibeamten, bei denen sehr pauschal gesagt wird, die haben gar keine Motivation. Auf der anderen Seite bei Oury Jalloh, wo relativ stark an einer Motivation interpretiert wird, das passt nicht gut zusammen.“

Natürlich hat MONITOR auch die Generalstaatsanwaltschaft zu den Vorwürfen angefragt. Doch die will zu dem Verfahren vorläufig keine Stellungnahmen mehr abgeben. Der Fall Oury Jalloh ist einer der größten Justizskandale der deutschen Nachkriegsgeschichte. Und er bleibt es bis heute.

Georg Restle: „Hoffentlich nicht das letzte Kapitel in dieser Geschichte.“

Stand: 18.01.2019, 16:00 Uhr

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9 Kommentare

  • 9 Squareman 25.01.2019, 21:14 Uhr

    Weil nicht sein kann was nicht sein darf. Da geschieht offensichtlich ein Mord und den Rechtsstaat interessiert es nicht. Aber es war ja auch nur ei ...weiterlesen

  • 8 heiko 21.01.2019, 18:41 Uhr

    Die Erklärung des Generalstaatsanwalts Konrad ist doch bekannt? Hier nochmal zum nachlesen. In der Gesamtschau aller Gutachten und mehr als 120 Zeug ...weiterlesen

  • 7 uwe 18.01.2019, 08:29 Uhr

    So lange nichts geklärt ist, gibt es auch keinen Justizskandal,den gibt es nur in der Fantasie einiger unbelehrbarer ? Das war 2005 wir haben jetzt ...weiterlesen