MONITOR vom 03.12.2015

Jetzt auch Opel? Deutlich überhöhte Abgaswerte bei Opel Zafira

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Bericht: Peter Onneken, Achim Pollmeier

Jetzt auch Opel? Deutlich überhöhte Abgaswerte bei Opel Zafira

Monitor 03.12.2015 07:03 Min. Verfügbar bis 30.12.2099 Das Erste

Georg Restle: „Seit Montag läuft in Paris der UN-Klimagipfel. Und viele hoffen auf die große Trendwende. Auch und vor allem beim Autoverkehr, einem der größten Klimaverpester weltweit. Dabei wurde uns jahrelang weisgemacht, dass immer mehr umweltfreundliche, verbrauchsarme Pkw das Klima geradezu schonen würden. Seit dem VW-Skandal sind wir zwar klüger. Aber immer noch können wir nur darüber spekulieren, wie viele Autohersteller falsche Angaben bei ihren Abgaswerten machen. Monatelang haben wir nun recherchiert, gemessen, verglichen und nochmal nachgemessen. Nicht bei VW, sondern bei einem anderen Autohersteller. Einem der größten der Welt. Peter Onneken und Achim Pollmeier präsentieren Ihnen die Ergebnisse.“

Der Abgasskandal - VW hat betrogen, das scheint sicher. Aber wer ist wirklich sauber?  Seit Monaten sind wir einem konkreten Hinweis auf der Spur. Es geht um Vorwürfe gegen einen der weltgrößten Autohersteller. General Motors in Deutschland: Opel! Wir fahren mit einem Opel Zafira nach Biel. Eine offizielle Abgasprüfstelle der Schweiz. Wiederholt ist das Diesel-Fahrzeug auf der Straße aufgefallen, stieß immer wieder viel zu viel giftige Stickoxide aus. Wir prüfen streng nach Vorschrift. Und da ist eines ganz wichtig: die so genannte Konditionierung. Konditionierung heißt, der Wagen muss zunächst ein vorgegebenes Muster abfahren. Dann muss das Auto über sechs Stunden abkühlen.

Jetzt ist der Wagen konditioniert - und nur so gilt der Test ganz offiziell. Zwanzig Minuten Fahrt sollen Stadt und Autobahn simulieren. 80 mg Stickoxide pro Kilometer sind erlaubt, mehr nicht. Bis auf ein paar Gramm besteht der Zafira. Im offiziellen Test kann Opel die Grenzwerte also einhalten. Jetzt machen wir ein Experiment. Wir fahren den Wagen kurz auf die Straße: fünf, sechs Minuten. Das Fahrzeug ist jetzt auf idealer Betriebstemperatur. Eigentlich müsste das Abgassystem jetzt viel besser funktionieren. Doch bei der nächsten Prüfung auf dem Teststand passiert das Gegenteil. Jetzt - ohne Konditionierung - stößt der Zafira viel höhere Emissionen aus, vier bis fünfmal mehr, weit über dem Grenzwert. Wir wiederholen das Experiment, mehrfach. Und tatsächlich, immer wenn der Wagen konditioniert ist, sind die Werte viel besser als mit warmem Motor nach einer Straßenfahrt.

Axel Friedrich, ehemaliger Abteilungsleiter, Umweltbundesamt: „Die Software erkennt anscheinend diese Konditionierung. Das ist schon sehr auffällig. Es gibt dafür keine vernünftige physikalisch-/chemische Erklärung, dass diese Konditionierung eine solche Änderung der Emissionen auslöst.“

Gibt es also doch eine verbotene Abschalteinrichtung? Opel bestreitet das vehement, teilt uns mit, alle gesetzlichen Vorgaben würden erfüllt. Und: "Opel setzt keine Software ein, die erkennt, dass das Fahrzeug einem Abgastest unterzogen wird". Eine Erklärung für die Abweichungen nennt Opel aber nicht. Wir wollen es genauer wissen: wieso besteht das Auto den Test offenbar nur nach der Konditionierung? Verwendet Opel irgendwelche Tricks? Wir fahren nach Prag. Gemeinsam mit der Deutschen Umwelthilfe wollen wir herausfinden, was genau im Auto vor sich geht. Auf einem Prüfstand, den sich die Technische Universität mit dem deutschen TÜV Süd teilt. Unter den Augen des renommierten Partikelforschers Michal Vojtisek wird das komplette Fahrzeug verkabelt. Zunächst finden die Spezialisten das gleiche Muster. Nur im konditionierten Test sind die Werte in Ordnung, nach kurzer Straßenfahrt: viel mehr giftige Stickoxide. Aber hier sehen die Spezialisten auch, warum das so ist. Technisch ist das sehr kompliziert: Es geht um die Wirkung des Katalysators und der Abgasrückführung. Verantwortlich dafür ist die Motorsteuerung, und die verhält sich im offiziellen Testverfahren offenbar anders, sagt der Experte.

Michal Vojtisek, Technische Universität Prag (Übersetzung Monitor): „Deshalb gibt es sonst viel höhere Stickstoff-Emissionen. Das würde unter die Definition einer verbotenen Abschalteinrichtung fallen - es sei denn, es gibt dafür einen schlüssigen technischen Grund.“

Und? Gibt es von Opel irgendeine Begründung? Wir konfrontieren den Autokonzern. Doch Opel nennt keinen schlüssigen technischen Grund als Erklärung für die gefundenen Abweichungen. Stattdessen heißt es:

Zitat: „Ihre Experimente an einem unserer Fahrzeuge haben keine signifikante Aussagekraft.“

Keine signifikante Aussagekraft? Wir haben verschiedene Autos auf verschiedenen Prüfständen gemessen. Und offenbar sind die Abgaswerte nur im offiziellen Prüfverfahren in Ordnung. Indizien für eine verbotene Abschalteinrichtung? Opel nennt keine triftigen Gründe, die dagegen sprechen. Endgültig aufklären kann das nur die Zulassungsbehörde. Doch da ist noch ein Problem, Genfer Autosalon 2013: Opel präsentiert den neuen Motor: Leistungsstark und sparsam: 109 g/km CO2. So bewirbt den Motor bis heute. Aber da gibt es eine Eigenmessung von Opel - durchgeführt im eigenen Prüflabor von drei Opel-Ingenieuren. Die CO2-Werte dort scheinen viel höher. Statt 109 sind es im Schnitt 125 Gramm. Das wären 15 Prozent mehr klimaschädliches CO2 und damit auch 15 Prozent mehr Kraftstoffverbrauch. 15 Prozent klingt erstmal nicht viel, könnte aber für Opel gravierende Folgen haben. Der Bundesgerichtshof hat in mehreren Urteilen klar entschieden, dass Kunden ab einem Mehrverbrauch von 10 Prozent berechtigt sind, vom Kauf des Wagens zurück zu treten. In einer Pressemittelung warf Opel Monitor heute eine „Irreführung der Verbraucher“ vor. Das geprüfte Fahrzeug müsse gar nicht 109, sondern nur "einen CO2-Wert von 119 g/km" einhalten. Damit sei das gemessene Fahrzeug zugelassen. Die CO2-Angaben von Opel seien korrekt. Formal mag das stimmen. Doch laut TÜV-Protokoll wurde bei den Opel-Tests offenbar eine andere Fahrzeugausstattung simuliert - und für die gilt laut Opels Angaben auf der eigenen Homepage ein CO2-Wert von 109 Gramm pro Kilometer. Die Simulation bestreitet Opel nicht, beharrt aber darauf, dass der Zertifizierungswert des geprüften PKW 119 g/km betrage. Und bei der TÜV-Messung hätte das gleiche Auto auch im Rahmen der Simulation nur rund acht Prozent mehr ausgestoßen, heißt es. Auch wir haben die CO2-Werte des Opel Zafira gemessen. Das Ergebnis: Im Schnitt lag der Ausstoß um 19 Prozent über dem im Fahrzeugschein ausgewiesen Wert. Und der ist eindeutig: 109 Gramm pro Kilometer. Auch diese Werte haben wir Opel mitgeteilt. Auch hier die gleiche - knappe - Antwort: Die Werte hätten keinerlei Aussagekraft.

Georg Restle: „Fortsetzung folgt.“

Stand: 10.12.2015, 16:27 Uhr

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