Putins Folterknecht Kadyrow: Kanonenfutter für die Front

Monitor 09.02.2023 09:41 Min. UT Verfügbar bis 30.12.2099 Das Erste Von Andreas Maus, Lisa Seemann

MONITOR vom 09.02.2023

Putins Folterknecht Kadyrow: Kanonenfutter für die Front

Der russische Präsident Putin hat einen besonders brutalen Verbündeten im Angriffskrieg gegen die Ukraine: den tschetschenischen Machthaber Kadyrow. Für Putin mobilisiert er im ganzen Land Soldaten und schickt sie an die Front. Kriegsverweigerern und ihren Familien drohen Folter und Gefängnis. Deshalb fliehen immer mehr Tschetschenen und ihre Familien in die EU. Doch auch hier bleibt bei vielen die Angst – denn der lange Arm Kadyrows reicht bis nach Europa.

Von Andreas Maus, Lisa Seemann

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Georg Restle: "Diese Männer hier gelten als berüchtigt. Soldaten aus Tschetschenien, die sich für den Einsatz im Ukrainekrieg rüsten. Tausende kämpfen dort für Russlands Sieg – und nicht wenige von ihnen werden von der Ukraine für schlimmste Menschenrechtsverletzungen verantwortlich gemacht.

Man ahnt die Entschlossenheit des Regimes, wenn man die Propaganda-Bilder einer solch bombastischen Massenveranstaltung in Tschetscheniens Hauptstadt Grosny sieht, wo tausende Soldaten Putin zujubeln und seinem Krieg in der Ukraine. Ein Regime, für das in Tschetschenien dieser Mann steht: Ramsan Kadyrow, einer der schlimmsten Diktatoren unserer Zeit. Ein Mann, der vor nichts zurückschreckt, auch nicht vor der Ermordung seiner Gegner und deren Familien. Und einer der engsten Vasallen Vladimir Putins, auch im Ukraine Krieg. Wehe dem, der da nicht mitmachen will. Andreas Maus und Lisa Seemann haben Menschen getroffen, die vor Kadyrow bis nach Deutschland geflohen sind, weil sie nicht in einen Krieg ziehen wollen, den sie für zutiefst ungerecht halten."

Nur schemenhaft sind im Morgengrauen Menschengruppen zu erkennen, die sich bei Eiseskälte dem Grenzübergang nähern. Wir sind an der Außengrenze der Europäischen Union, zwischen Bosnien und Kroatien. Es sind Männer, Frauen und Kinder aus Tschetschenien. Viele haben Angst, als wir sie ansprechen, wollen schnell über die Grenze. Dann traut sich einer:

Reporter (Übersetzung Monitor): "Sie sind aus Tschetschenien?"

Mann (Übersetzung Monitor): "Ja."

Reporter (Übersetzung Monitor): "Warum sind sie geflüchtet?"

Mann (Übersetzung Monitor): "Wir sind vor der Mobilisierung geflüchtet. Ich sollte in der Ukraine kämpfen. Das ist ein sinnloser Krieg. Das sind doch nicht unsere Feinde. Was haben sie uns getan?"

Es kommen noch weitere Tschetschenen an diesem Morgen, um in Kroatien und in der EU Schutz zu suchen. Schutz vor der Mobilisierung für den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Diese Propaganda-Videos sollen zeigen, wie tschetschenische Kämpfer sich rüsten, um in den Krieg ziehen. Für diesen Mann: Ramsan Kadyrow, Präsident der autonomen russischen Teilrepublik Tschetschenien. Er ist Putins Statthalter im Nordkaukasus. Einer, der bereit ist, für die russische Kriegsmaschinerie Tausende Kämpfer an die Front zu schicken. Und sie als Militärgeneral für Putin auch zu opfern.

Ramsan Kadyrow (Übersetzung Monitor): "Unsere Männer kämpfen an allen Fronten. Mit großem Erfolg. Wir werden diese Teufel nicht gefangen nehmen, wir werden sie verbrennen. Wir werden nicht aufhören. Das ist unser Territorium."

Seit der offiziellen Mobilisierung für den Krieg steigt die Zahl der Kriegs-Flüchtlinge aus Tschetschenien. Ende Dezember waren es hier mehrere Hundert, der Grenzübergang wurde zeitweilig geschlossen. Sie fliehen aus Tschetschenien über Istanbul nach Sarajevo, erzählen sie uns. Von da machen sie sich auf den Weg nach Velika Kladusa, ein Städtchen an der EU-Außengrenze zwischen Bosnien und Kroatien. Wir fahren von dort weiter nach Zagreb. Zwei geflohene Tschetschenen sind bereit, sich mit uns zu treffen – verdeckt, aus Angst vor Kadyrows Agenten. Wir nennen sie Rizvan und Malika. Rizvan ist kurz nach Kriegsbeginn geflüchtet. Um Männer in den Krieg zu schicken, brauche es in Tschetschenien keine offizielle Mobilisierung, erzählt er uns.

Rizvan (Übersetzung Monitor): "Du gehst einfach die Straße entlang. Dann kommt ein 'Mitarbeiter' zu dir und kann dir sagen, komm mit, wir haben ein paar Fragen an dich. Kannst du dich weigern? Nein. Denn wenn du es tust, zwingen sie dich mitzukommen. Wenn du dann da bist, sagen sie, du gehst in die Ukraine! Mach dich fertig. So einfach ist das – überall."

Malika floh im September gemeinsam mit ihrem Mann, als er rekrutiert werden sollte. Wäre sie alleine mit ihrer Tochter zurückgeblieben, hätte ihnen Sippenhaft gedroht, hätte sie Angst vor Kadyrows Schergen.

Malika (Übersetzung Monitor): "Sie kommen nach Hause, holen dich ab und das wars. Das heißt, sie sagen nicht einmal, wohin sie die Menschen bringen. Sie nehmen sie einfach mit und die verschwinden spurlos. Wenn sie die Folter überleben, kehren sie nach Hause zurück. Wenn nicht, erklärt man sie kurzerhand zu Terroristen."

So funktioniert das System des Autokraten Kadyrow. Seit über 15 Jahren regiert er in Tschetschenien mit äußerster Brutalität. Samt Personenkult und Privatarmee. Kritiker, Journalisten und Andersdenkende werden verfolgt, gefoltert und ermordet.

Margarete Klein, Stiftung Wissenschaft und Politik: "Wir wissen, dass Tschetschenien allgemein ein unwahrscheinlich brutales Herrschafts-Regime hat, mit vielen Geiselnahmen, Entführungen und Tötungen, sodass man davon ausgehen kann, dass auch hiermit gedroht wird, wenn man nicht in den Einsatz geht, dass etwas derartiges den Familienangehörigen passiert oder auch denjenigen, die sich eben entziehen wollen."

Er hat erlebt, was es heißt, wenn die Familie entführt wird. Ibrahim Jangulbajew. Er selbst wurde mehrfach von Kadyrows Handlangern eingesperrt und gefoltert. Jetzt lebt der Regime-Kritiker im Exil, irgendwo in Westeuropa, seinen genauen Aufenthaltsort soll niemand wissen.

Ibrahim Jangulbajew (Übersetzung Monitor): "Ich wurde auf unterschiedliche Weise gefoltert. Bei meiner ersten Entführung haben sie mich mit Stromschlägen und Elektroschocks gefoltert. Ein anderes Mal haben sie mich mit Plastikrohren geschlagen. Das ist so ein Schmerz, dass du das Gefühl hast, dein Blut kocht."

Und nicht nur ihn hat es getroffen. Insgesamt seien etwa 50 Verwandte entführt und verhaftet worden, erzählt er uns. Ein System der Sippenhaft, um noch mehr Druck auszuüben. Mehrere Überwachungskameras zeigen, was seiner Mutter passiert ist. Am 20. Januar letzten Jahres wurde sie gewaltsam entführt, von maskierten Männern. Sie wird aus ihrer Wohnung in Russland verschleppt und taucht später wieder auf, inhaftiert in Tschetschenien. Dort ist sie offenbar immer noch, berichtet Jangulbajew. Für ihn ist seine Mutter eine Geisel in den Händen des Regimes.

Ibrahim Jangulbajew (Übersetzung Monitor): "Damit wollen Sie erreichen, dass ich und meine Organisation mit unseren Aktivitäten aufhören. Dass wir alle gehorsame Sklaven sind. Sitzen, Schweigen, keine Kritik am Regime. Viele hören auf oder gehen, wenn Familie und Verwandte entführt werden. Deshalb benutzen sie diese Methode seit vielen Jahren. Aber wir werden damit nicht aufhören."

Der lange Arm des Ramsan Kadyrow. Dieser macht auch Tausende Kilometer von der Heimat entfernt Jagd auf seine Gegner. Vor drei Jahren ging ein Mordauftrag aus Kadyrows Machtapparat nach Deutschland. Das Ziel war er: Mokhmad Abdurakhmanov. Er sollte sterben, weil er Kadyrow kritisiert hatte und weil er der Bruder ist von Tschetscheniens bekanntestem Blogger und Regimekritiker.

Mokhmad Abdurakhmanov, Tschetschenischer Oppositioneller (Übersetzung Monitor): "Als es ihnen nicht gelungen ist, meinen Bruder zu töten, entschieden sie kurz darauf, mich zu töten. Ich sollte für meinen Bruder büßen. Das ist das Spezielle an Kadyrows Regime."

Der Mordversuch flog vorher auf. Seither leben er und seine Familie an einem geheimen Ort in Deutschland. Doch geblieben ist die Angst.

Mokhmad Abdurakhmanov, Tschetschenischer Oppositioneller (Übersetzung Monitor): "Es ist immer möglich, dass Kadyrows Regime oder das russische einen Killer schicken. Wenn sie die Möglichkeit haben, nutzen sie sie. Deswegen spüre ich immer eine gewisse Angst und ich muss Vorsichtsmaßnahmen ergreifen."

Niemand kann sich sicher fühlen. Auch nicht die, die jetzt vor dem Krieg fliehen. Wie Musa und seine Familie. Sie haben es bis nach Deutschland geschafft, sind auch über Kroatien geflohen. Aus Angst möchte er sich nicht zeigen, denn wäre er in Tschetschenien geblieben, hätte ihm Schlimmes gedroht, sagt er.

Musa (Übersetzung Monitor): "Entweder sie würden dich zwingen, in die Ukraine zu gehen und zu kämpfen. Oder – wenn du dich weigerst – müssten wir mit Folter rechnen, die möglicherweise tödlich sein könnte."

In Deutschland hofft er jetzt in Sicherheit zu sein. Er hat Asyl beantragt, doch bislang keine sichere Aufenthaltsperspektive. Er lebt in ständiger Angst vor einer Rückführung nach Kroatien und weiter nach Tschetschenien. Für Flüchtlinge wie Musa und seine Familie braucht es eine Sonderregelung, fordert Frank Schwabe. Als Berichterstatter im Europarat für Menschenrechte in Tschetschenien kennt er das System Kadyrow.

Frank Schwabe (SPD), Mitglied des Bundestags: "Wir haben eine Ausnahmesituation, die gilt ja auch für ukrainische Geflüchtete. Zu Recht, dass es da andere Regeln gibt als normalerweise. Und ich finde, Menschen, die sich dem Krieg entziehen, die eben nicht als tschetschenische Kämpfer kämpfen wollen in Putins Krieg, die müssen jetzt eine Aufenthaltsperspektive in Deutschland bekommen. Wir können uns nicht darauf verlassen, dass andere europäische Staaten das schon regeln."

Eine Perspektive für die Menschen hier an der Grenze zu Kroatien. Die vor Putins Krieg und ihrem eigenen brutalen Machthaber fliehen.

Georg Restle: "Ein gesichertes Bleiberecht für Menschen, die vor Putins Schlächter Kadyrow fliehen. Das wäre eigentlich das Mindeste, was wir für diese Menschen tun können. Schließlich ist genau dafür das Grundrecht auf Asyl in unser Grundgesetz geschrieben worden."

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Stand: 09.02.2023, 22:25 Uhr

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4 Kommentare

  • 4 Wolfgang Pauli 10.02.2023, 11:10 Uhr

    Der Klassiker unter den Irrtümern, der Feind meines Feinde muss nicht zwangsläufig mein Freund sein und das gilt besonders für Tschetschenen in Deutschland. Es ist auch inkonsequent, wenn man nach Russland orientierte Separatisten im ukrainischen Bürgerkrieg als die Bösen darstellt aber keine Probleme mit islamistischen Separatisten gegen Russland in Tschetschenien hat. @Klaus Müller hat es auch schon angesprochen, einfach mal „BKA“ und „Tschetschenen“ in eine Suchmaschine eingeben. Sinn und Unsinn, Recht und Wunschdenken vom Asylrecht könnte man auch hier wieder aufrollen; viel zu viel für 1000 Zeichen. Den Konflikt in der Ukraine kann ich gut beurteilen da ich nicht erst seit Feb. 2022 anfange zu denken und dann sieht unsere Seite gar nicht gut aus. Im Konflikt um Tschetschenien kann ich gar nichts beurteilen und auch das BAMF wird Migranten aus Tschetschenien nicht sortieren können. Selbst bei Anerkennung nach Genfer Flüchtlingskonvention wäre Asyl hier ein zu großes Eigenrisiko.

  • 3 Klaus Müller 09.02.2023, 22:34 Uhr

    Wieso müssen Tschetschenen bei uns in Deutschland Asyl erhalten, wenn Sie doch in Kroatien als erstes die EU betreten haben? Ist das wieder das bekannte Framing des ÖR? Das GG sagt ganz klar, dass Personen aus sicheren Drittstaaten keinen Anspruch auf Asyl haben. DAS ist eigentlich die Gesetzeslage!!! Jetzt schwingt der ÖR wieder die moralische Keule, damit Deutschland wirklich Gott und die Welt aufnimmt OHNE auf die Folgen zu achten. Ich empfehle mal die Statistiken des BKA und LKA über tschetschenische kriminelle Clans. Ich sage dazu NEIN! Liebe Monitor Redaktion: Ich kann diese moralischen Diskussionen und das dazugehörige Framing nicht mehr akzeptieren. Bitte gebt mir meine GEZ Gebühr zurück. Dann könnt Ihr senden und behaupten was Ihr wollt!

    • Das sind die Fakten : 10.02.2023, 09:11 Uhr

      In Art. 16 a GG heißt es eindeutig : Abs. 1, Satz 1 Politisch Verfolgte genießen Asylrecht;Abs. 2: Auf Absatz 1 kann sich nicht berufen ,wer aus einem Mitgliedsstaat der Europäischen Gemeinschaften oder aus einem Drittstaat einreist.Tatsache ist, daß pol. Verfolgung kaum besteht,D nur von EU-Staaten/ sicheren Drittstaaten umgeben ist, und alle Asylbewerber von dort kommen, so daß selbst gegen Verfassungsrecht krass verstoßen wird. besonders seit 09 /2015 durch Frau Wir schaffen das ! und Genossen.Die Massenmigration nach D ist also illegal. Das kostet Biodeutsche mindest 100 Mrd. Euro p.A. direkt, zudem indirekt durch explodierende Mieten,Armutsrenten,Lomping speziell bei Minijobbern, viel Stress per erhöhter Kriminalität durch primär männliche Migranten,z.B. bei Gewalttaten. Als Dank werden sie sich dann auch noch ständig als Rassisten beschimpft, die an der Grenze nur auf "ach so arme Flüchtlinge" warten, um sie aufzufressen; kurz gesagt, der daily Wahnsinn in D !

  • 2 Michael Käppele 09.02.2023, 22:31 Uhr

    Hallo liebe Redakteure, wenn sich der Oppositionelle irgendwo in Deutschland vor Kadyrow versteckt, sollte man ihn nicht beim Überqueren eines Fußgängerweges in Mainz zeigen. Jeder konnte das Mainzelmännchen auf der Ampel sehen. Grüße

  • 1 Braun 08.02.2023, 10:53 Uhr

    So ähnlich wurde es uns uns in den Medien auch Betreff militärischer Angriff der Kiewer Regierung gegen ihre Ostbevölkerung berichtet. Es gab auch zigtausende von jungen Männern welche ins Ausland flohen um ihren Einzug zur Armee zu entkommen. Und heute? Es wird uns immer wieder von einem Zusammenhalt der ukrainischen Bevölkerung berichtet. Doch welche Begründung gibt es dafür dass viele Millionen der Ukrainer ins Ausland, auch nach Russland geflohen sind? Nun stellen die USA in Unterstützung unserer EU-Regierungen eine riesige Angriffsarmee an den Grenzen zu Russland auf. Deutschland liefert alleine schon ca. 180 Leopard-Panzer, zusätzlich zu weiteren hunderte Panzer aus England usw.. Forderungen nach U-Boote, Kampfjets und Kampfbomber stehen im Raum. Es wird eine Armee gegen Russland aufgestellt welche in ihrer Schlagkraft der Technik vergleichbar mit der Armee Hitlers vor dem Unternehmen Barbarossa erscheint. Offensichtlich will die USA Russland militärisch zerschlagen.