Bericht: Achim Pollmeier, Lutz Polanz
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Georg Restle: „Durch solche Rohre soll es fließen, das neue Zaubergas, das den Klimawandel bekämpfen soll. Grüner Wasserstoff ist DAS große Zukunftsversprechen der Gaswirtschaft – und der Politik. Aus Wasser hergestellt mit Strom aus Wind und Sonne, klimaneutral und abgasfrei. Zu schön, um wahr zu sein. Was der Bundeswirtschaftsminister da verspricht, ist vor allem eins – ein großes Lügenmärchen. Achim Pollmeier und Lutz Polanz zeigen ihnen jetzt mal, was da tatsächlich durch hunderte Kilometer an neuen Rohren fließen wird, die gerade quer durch die ganze Republik gelegt werden.“
Neubausiedlungen rund um Augsburg. Die Häuser werden mit fossilem Erdgas versorgt. Der deutschen Gaswirtschaft zufolge soll das sogar ein Beitrag zum Klimaschutz sein. In jedes Haus führt eine Erdgasleitung. Auch in den Keller von Christian Kramer – dort steht eine Brennstoffzelle, die Strom und Wärme fürs Eigenheim erzeugt.
Christian Kramer: „Der Bauträger hier, der hat das so angepriesen mit den Brennstoffzellen, so dass wir eines oder das erste komplette Baugebiet sind, wo das betrieben wird – eben auch hinsichtlich Umweltfreundlichkeit.“
Die Anlage läuft im Moment mit ganz normalem Erdgas – fossil und klimaschädlich. Aber künftig könne man das Erdgas durch sogenannten „grünen Wasserstoff“ ersetzen – klimaneutral – heißt es. Und genau das ist das große Versprechen der Gaswirtschaft. Hunderte Kilometer Pipelines werden aktuell gebaut und geplant. Und am Ende soll das alles klimafreundlich sein.
Werbespot Thyssengas: „Beispiel: das Heizen von Gebäuden. Mit klimaneutralem Gas können alle modernen, sauberen Gasheizungen weiterhin verwendet werden.“
Klimaneutrales Gas – damit ist vor allem Wasserstoff gemeint – „grüner Wasserstoff“. Hergestellt aus Sonnen- oder Windstrom. Der Strom wird durch Wasser geleitet, dabei entsteht am einen Pol Wasserstoff und am anderen Sauerstoff. Der Wasserstoff – also H2 gilt als Zaubergas der Energiewende – auch für die Bundesregierung.
Peter Altmaier (10.06.2020): „Grüner Wasserstoff ist ein Schlüsselrohstoff für eine erfolgreiche Energiewende.
Angela Merkel (23.01.2020): „Dabei wird das Thema „grüner Wasserstoff“ eine Riesenrolle spielen.“
Heiko Maas (16.03.2021): „Wenn Erdöl das schwarze Gold gewesen ist, dann ist Wasserstoff das unsichtbare Gold der Zukunft.“
Grüner Wasserstoff aus Wind und Sonne: Klingt verheißungsvoll, doch es gibt zwei große Hindernisse. Problem Nummer eins, bei der Umwandlung von Strom zu Wasserstoff geht sehr viel Energie verloren – rund 30 Prozent. Noch gravierender ist Problem Nummer zwei, der Ausbau der Erneuerbaren Energien kommt nur sehr schleppend voran. Um auch noch genug grünen Wasserstoff zu erzeugen, müsste Deutschland die Kapazitäten vervierfachen. Deshalb ist klar, der Gasbedarf in Deutschland wird sich auf absehbare Zeit nicht mit grünem Wasserstoff decken lassen. Das gibt sogar die Bundesregierung zu. Laut deren Einschätzung wird Deutschland bis 2030 höchstens rund 15 Prozent des eigenen Bedarfs an grünem Wasserstoff selbst produzieren können.
Prof. Volker Quaschning, Hochschule für Technik und Wirtschaft, Berlin: „Wir werden einen gigantischen Strombedarf haben, wenn wir das Erdgas durch grünen Wasserstoff ersetzen wollen. Den können wir in Europa wahrscheinlich gar nicht decken, es gibt auch kein Land, was hier auf dem Weg ist, dass wir jetzt in wenigen Jahren große Überschussmengen an grünem Strom und damit auch dann Möglichkeiten für grünen Wasserstoff haben werden.“
Und trotzdem: In Norddeutschland werden neue Häfen für flüssiges Erdgas geplant, auch mit dem Versprechen, künftig könne man damit auch grünen Wasserstoff importieren. Oder Nord Stream 2. Geplant mit dem Argument, Deutschland und Europa hätten steigenden Gasbedarf. Inzwischen heißt es, die Pipeline könne künftig auch Wasserstoff aus Russland importieren – nur wäre der nicht klimaneutral und grün.
Prof. Claudia Kemfert, Dt. Institut für Wirtschaftsforschung (DIW): „Man muss schon fragen, wo kommt dann der Wasserstoff her, wenn man ihn auch importiert? Wenn Russland beispielsweise gemeint ist, dann kann auch dort der Wasserstoff nicht mit erneuerbaren Energien hergestellt werden. Da müssten erneuerbare Energien auch in Russland zunehmen. Davon ist ja gar keine Rede, sodass man sich hier eher Wasserstoff aus Atomenergie oder fossilem Erdgas oder sogar Kohle importieren würde. Das erhöht die Emission.“
Tatsächlich propagiert die Gasindustrie gar nicht mehr nur grünen Wasserstoff. Um den Bedarf zu decken, wird auch sogenannter pinker Wasserstoff ins Spiel gebracht – hergestellt mit Atomstrom. Vor allem aber setzt die Gaslobby auf sogenannten „blauen“ Wasserstoff – der allerdings aus fossilem, klimaschädlichem Erdgas hergestellt wird. Das Versprechen: Bei der Wandlung von Erdgas zu Wasserstoff könne man das klimaschädliche CO2 abtrennen und unterirdisch lagern. Kritiker*innen sind skeptisch.
Prof. Claudia Kemfert, Dt. Institut für Wirtschaftsforschung (DIW): „Die blaue Wasserstofftechnologie ist heute noch nicht einmal im Einsatz. Man verspricht bestimmte Technologien auf die Zukunft, die es so nicht gibt und auch nicht klimaschonend sind. Die Emissionen erhöhen sich eher, auch die Einlagerung von CO2 birgt erhebliche Umweltgefahren. Und die werden alle nicht mit eingerechnet, auch nicht berücksichtigt. Insofern ist das eine Wette auf die Zukunft, die man heute auch nicht einlösen kann.“
Was daraus folgt, ist eigentlich logisch: Wenn echter, grüner Wasserstoff auch langfristig knapp sein wird, dann muss Deutschland seinen Gasbedarf senken, um die Klimaziele zu erfüllen. Offiziell rechnet selbst die Bundesregierung damit, dass der Gasbedarf drastisch sinken muss. Geht es nach der Gaswirtschaft, dann soll der Verbrauch von Gasen aber steigen – bis 2040 und darüber hinaus – mit den Klimazielen ist das nicht vereinbar. Trotzdem basiert auf solchen Prognosen der Ausbau der Gasnetze. In Deutschland sind nach Recherchen von Investigate Europe Pipelines für fast 14 Milliarden Euro im Bau oder in Planung – für einen Gasbedarf, der die Klimaziele torpediert, sagen Fachleute. Für den Wirtschaftsminister offenbar kein Problem. Er setzt – Hand in Hand mit der Gasindustrie – weiter auf den Ausbau der Gasleitungen und schreibt:
Zitat: „Die vorhandenen Leitungen lassen sich dann supergut für den Transport von grünem Wasserstoff nutzen.“
Prof. Volker Quaschning, Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin: „Man die Story, dass das früher oder später durch Wasserstoff ersetzt wird. Und es wird gesagt werden, es geht nicht so schnell, weil wir keine Alternative haben. Die Alternativen werden verzögert werden und deswegen sorgt der Einstieg hier in diese Infrastruktur dafür, dass wir die Energiewende verzögern und auch den Klimaschutz massiv erschweren.“
Eine Story, die vom Wirtschaftsministerium unterstützt wird. Dessen Nähe zur Gaswirtschaft ist seit Jahren bekannt. Letztes Jahr etwa berief die Bundesregierung einen sogenannten Wasserstoffrat als Beratungsgremium. Die Vorsitzende und zwei Drittel der Mitglieder kommen aus der Gaswirtschaft, Industrie und Lobbyverbänden.
Max Bank, LobbyControl: „Das Problem ist, dass die Gasindustrie tatsächlich privilegierten Zugang zur Politik bekommen hat und dass sie darüber massiven Einfluss hat auf Fragen von Gasinfrastruktur, auf die Bedeutung von Gas bei der Energieversorgung und dass damit die Klimaziele torpediert werden.“
Milliardenschwere Gasleitungen werden weiter durchs Land gebaut. Doch grüner Wasserstoff wird darin kaum fließen – auch nicht zur Eigenheimsiedlung bei Augsburg, wo sie neue Erdgasanschlüsse als Beitrag zum Klimaschutz verkaufen.
Georg Restle: „Das Lügenmärchen vom grünen Zaubergas. Achten Sie mal darauf, wer ihnen das im Bundestagswahlkampf alles erzählen wird.“
Kommentare zum Thema
Der Beitrag war schlecht. Es ist technisch nicht möglich, Wasserstoff durch Erdgasleitungen zu leiten. Der Wasserstoff sickert aufgrund seiner chemisch-physikalischen Eigenschaften durch die Rohre nach außen. Die Stahlrohre lassen sich nicht mit einem angemessenem Kostenaufwand von innen verkleiden um den Wasserstoffdurchfluss zu verhindern. Ferner wurde die enorme Methanemission durch die Erdgasnutzung unterschlagen. Methan ist 50 mal klimaschädlicher als CO2. Die Wasserstofftechnik ist nur dezentral sinnvoll zu nutzen. Der Verbraucher stellt dabei seinen Wasserstoff selbst her. Das ist einfacher als uns die Öl-, und Gasindustrie seit Jahrzehnten weißmachen möchte. Der Beitrag war platt und hinterlässt den Eindruck der Alternativlosigkeit in Bezug auf herkömmliche Schmuddelenergie.
Der Umweltschutz sollte sich endlich vom politisch ideologischen Gedankengut trennen. So wie derzeitig ein Umweltschutz betrieben wird das verschmutzt ja schon das Gedankengut über einen Umweltschutz. Es sollte nicht einerseits Gas aus Russland verteufelt werden, ein Gas, welches aufgrund eines Auftauen des Permafrostes eh aus den Böden in die Atmosphäre steigt. In eine Pipeline abgeleitet, als Energiequelle genutzt ist das Gas besser zu gebrauchen als einfach in die Luft entweichen zu lassen. Auch wird ein in Russland gewonnenes Gas nicht verändert in dem es durch die Nordstream geleitet oder kostenpflichtig durch die Pipeline durch die Ukraine geleitet wird. Gleiches gilt für Kohle. Ob die Kohle umweltkontrolliert in Deutschland gewonnen wird oder aus Polen geliefert wird. Atomkraft vergleichbar. Hier werden umweltfreundliche Atomkraftwerke abgeschaltet und es wird in Frankreich Atomstrom gekauft. US-Atomwaffen in Büchel sind ungefährlich doch friedlicher Atomstrom gefährlich. Irre!
Immer wieder hier die von Redakteuren eingegeben Meinungen irgendwelcher Leute in Kettenform. Mit Verlaub, ich habe keine Lust mehr mir solche meinungsmachenden, ausgesuchten Beiträge durchzulesen. Mein Hirn hat nur eine begrenzte Speicherkapazität und ich habe keine Lust mein Restvolumen an Speicherkapazitäten mit irgendwelchen Meinungen, von ideologisch ausgerichteten Demagogen ausgesuchter Menschen aus unserer Bevölkerung zu füllen.