MONITOR vom 11.03.2021

Gefährliche Intubation: Müssen Covid-19-Erkrankte unnötig sterben?

Bericht: Jan Schmitt, René Bucken

Gefährliche Intubation: Könnten mehr Covid-19-Erkrankte überleben? Monitor 11.03.2021 07:44 Min. UT Verfügbar bis 30.12.2099 Das Erste Von Jan Schmitt, René Bucken

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Georg Restle: „Bei all dem sollten wir nicht vergessen, dass politisches Versagen in der Pandemie am Ende Menschenleben kostet. 72.810 Menschen sind bisher in Deutschland mit Bezug zu COVID-19 gestorben. Viele davon einsam und mit einem Schlauch im Hals, isoliert auf einer Intensivstation. Und genau das ist das Problem. Eine nicht unerhebliche Zahl dieser schwer Erkrankten hätte vermutlich gerettet werden können, wenn ihnen genau diese Tortur erspart geblieben wäre. Eine invasive Beatmung kann für COVID-Patient*innen nämlich zum Tode führen, vor allem dann, wenn sie zu früh erfolgt. Das alles sollte mittlerweile eigentlich längst bekannt sein, ist es aber offenbar nicht – jedenfalls nicht auf vielen deutschen Intensivstationen. Jan Schmitt und René Bucken.“

Barbara Kerkhoff ist froh. Ihre COVID-19-Erkrankung ist fast abgeklungen. Ihr Leben stand auf der Kippe. Durch eine Maske wurde sie anfangs ganz, und dann immer etwas weniger beatmet. Dadurch bekam die Lunge genau die Sauerstoffmenge, die sie brauchte. Die Maske muss dabei genau angepasst werden. Ihr Arzt – ein Spezialist für diese Beatmung.

Prof. Gerhard Laier-Groeneveld, Lungenklinik Neustadt: „Sobald die Patienten halt Luftnot verspüren, würden wir anfangen, sie mit einer nichtinvasiven Beatmung zu versorgen. Die Patienten haben dann Zeit, das zu erlernen und das Ziel wäre so, dass sie während der Beatmung nicht selbst atmen müssen, so dass ihre Atemmuskeln sich entlasten können.“

Ihre Lunge hat so gelernt, wieder selbst zu atmen. Aber in den meisten anderen Kliniken wäre Barbara Kerkhoff anders behandelt worden. Die so genannte „Intubation“ gilt seit Beginn der Corona-Pandemie als Standard-Behandlung auf Intensivstationen.

In Deutschland werden derzeit 57% aller COVID-19-Intensivpatient*innen intubiert. Das heißt: Ein Schlauch – lateinisch Tubus – wird tief durch den Rachen einführt und sie werden im künstlichen Koma beatmet, meist über mehrere Wochen. Klar ist, bei schwersten Erkrankungen kann die Intubation Leben retten. Auch Polizeisprecher Wolfgang Weidner litt schwer unter COVID-19. Doch er wurde am Bethanien Krankenhaus in Moers mit Maske beatmet, ohne Intubation. Die ist für ihn eine furchtbare Vorstellung.

Wolfgang Weidner: „Diese Angst, die ich da hatte, einfach über längere Zeit einfach in Narkose zu sein und dann auch irgendwie ein Plastikrohr im Hals zu haben, was einen dann irgendwie am Leben hält, wie auch immer. Wo man selber keinen Einfluss mehr drauf hat und wo man komplett praktisch in die Hände anderer dann auch gelegt wird, also, das war schon ne Vorstellung, wo ich wirklich Angst auch hatte. Und ich bin froh, dass mir das erspart geblieben ist.“

Behandelt hat ihn Thomas Voshaar. Gemeinsam mit Kollegen von der Fachklinik Klostergrafschaft hat er die Sterblichkeit bei Maskenbeatmung untersucht und dazu ganz aktuell eine Studie vorgelegt. Die Studie entstand aus Erkenntnissen der ersten COVID-19-Welle und wurde nun in einem renommierten Fachmagazin veröffentlicht. Dafür wurden 78 schwer Erkrankte ausgewählt, die üblicherweise alle intubiert worden wären. Aber siebzig von ihnen wurden anders beatmet und nicht intubiert. Nur acht bekamen eine Intubation. Insgesamt starben 6 Menschen, 7,7%. Zum Vergleich: Von den 78 schwer Erkrankten würden auf deutschen Intensivstationen 34 anders behandelt und 44 intubiert. Hier sterben allerdings derzeit 29%, fast viermal so viele. Denn in Deutschland sterben über die Hälfte der intubierten Patient*innen. Weniger Intubierte, weniger Tote? Voshaar will die Intubation jedenfalls möglichst vermeiden.

Dr. Thomas Voshaar, Krankenhaus Bethanien Moers: „Wenn ich jemanden intubiere – auch jetzt noch – der auch ohne Intubation hätte gut weiterleben können und ich intubiere ihn sozusagen unnötig, dann setze ich ihn auch einer unnötigen Gefahr aus und das bedeutet auch, dass wir wahrscheinlich unnötig Leben damit riskieren.“

In der ersten Corona-Welle wurden sogar 75% der schwer Erkrankten auf Intensivstationen intubiert. Dafür machte sich auch der damalige Vorsitzende der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin stark. Er sagte im April 2020, zunächst könne man zwar anders beatmen,

Prof. Rolf Rossaint, Deutsche Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin, 27. April 2020: „wenn aber dann die Erkrankung noch schwerer ist – und das ist eben bei 75 Prozent der Intensivpatienten – dann muss man aber auch zum richtigen Zeitpunkt die Intubation durchführen.”

Merkwürdig, danach wurden die strikten Handlungs-Leitlinien für Ärzte etwas gelockert und die Rate an Intubationen in Deutschland sank plötzlich von 75% auf 57%. Aber reicht das?

Dr. Thomas Voshaar, Krankenhaus Bethanien Moers: „Ich glaube ganz eindeutig, dass man diese Zahl deutlich reduzieren kann und dass es immer noch zu viele Patienten sind, die intubiert werden.“

Prof. Rossaint glaubt das nicht. Wir treffen ihn wieder. Im MONITOR-Interview nennt er sehr genaue Werte zu Atemfrequenz und Sauerstoffsättigung, ab denen schwer Erkrankte intubiert werden müssten.

Prof. Rolf Rossaint, Deutsche Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin: „Grundsätzlich gilt – das machen wir grundsätzlich auf der Intensivstation – wir gucken erst mal nicht-invasiv geht. Aber die Patienten, die dann viel, viel kränker sind, wo dann eben die Sättigung von mehr als nur noch 80% – nicht 93, sondern 80% – ist, wo die Atemfrequenz 35, 40 ist, wo der Patient nur noch kämpft, Luft zu bekommen. Diese Patienten muss man dann direkt intubieren.“

Sehr eindeutige Leitwerte für eine Intubation also. Nur, es scheint auch anders zu gehen. Denn Polizeisprecher Wolfgang Weidner hätte nach dieser Maßgabe direkt intubiert werden müssen, seine Werte waren noch schlechter. Corona hat er aber ohne Intubation nach sieben Tagen in der Klinik hinter sich gehabt. Heute ist er zur Nachbesprechung anhand des CT-Bildes da.

Wolfgang Weidner: „Und dort ist deutlich zu sehen, dass die Lungenentzündung da fast verschwunden ist. Und das finde ich nach sechs Wochen, finde ich das einfach toll also, da bin ich sehr, sehr froh, diese Werte zu haben.“

Solche Erfahrungen macht auch Prof. Martin Tobin. Er forscht und lehrt in Chicago und ist weltweit die Koryphäe für Lungenerkrankungen. Tobin sagt, in Deutschland werde – wie in den meisten Ländern – viel zu viel intubiert. Und, nicht nur die COVID-19-Erkrankung selbst berge große Gefahren, sondern auch und vor allem die Behandlung mit Intubation.

Prof. Martin Tobin, Loyola Universität Chicago (Übersetzung Monitor): „Sobald man einen Schlauch eingeführt hat, ermöglicht man den Eintritt aller möglichen Erreger, neben COVID. Und das setzt den Patienten einer Menge an Super-Infektionen aus. Wir wissen aus 40 Jahren Erfahrung, wenn Sie jemanden haben, der krank ist und man ihn ohne Intubation behandeln kann, wird es ihm deutlich besser gehen, als wenn Sie intubieren, denn das erhöht die Sterblichkeit.“

Dr. Thomas Voshaar, Krankenhaus Bethanien Moers: „Wir brauchen sozusagen keine neue Evidenz dafür, dass eine solche invasive Beatmung mit Komplikationen einhergeht. Hingegen bräuchten wir natürlich dann schon mal eine Evidenz, dass jetzt bei COVID alles ganz anders sein soll, und diese Evidenz fehlt.“

Und so lange sie fehlt, wird man auch nicht wissen, wie viele Menschen wirklich intubiert werden müssten oder nicht. Und wie viele – auch wegen der Behandlung – ihr Leben lassen.

Georg Restle: „Man fragt sich, warum die Lernkurve in dieser Pandemie bei so vielen Verantwortlichen im Land so unglaublich langsam steigt. Und das gilt ganz sicher nicht nur fürs Thema Intubation.“

Kommentare zum Thema

  • Friedrich Flachsbart 10.02.2023, 15:46 Uhr

    Das British Medical Journal meldet Rekord-Zahlen für Scharlach. Rippenfell-Ergüsse durch Gruppe A Streptokokken werden gehäuft gesehen. Wir sind mitten in einer Streptokokken-Pandemie. Penicillin ist in Apotheken schwer erhältlich. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte meldet Penicillin-Liefer-Engpässe. Keinen interessierts.

  • Pascal 18.03.2022, 20:22 Uhr

    Euer Gendergagga nervt. Hab spätestens beim dritten ":innen" abgeschaltet.

  • Holger Schneider 14.03.2022, 21:10 Uhr

    Meine liebe Frau hat sicherlich nicht gut genug atmen können aber sich damit arrangiert. Es machte ihr tagsüber nie Probleme über den Nasenschlauch Sauerstoff zu bekommen. Erst Abends presste man ihr die neff Maske auf, wodurch sie immer in Panik geriet. Obwohl sie Lebensfreude bewies und am Leben teilnahm redete man ihr vom ersten Tag ein sie solle Ins Koma gehen , ihre Chancen würden dann aber auch schlecht stehen. Ihre Sättigung lag bei 93 Prozent, teilweise 97. Durch die abendliche Masken Prozedur raubte man ihr jegliche Kraft und nötigen Sauerstoff durch die viel zu heftige Anstrengung. Man hat meine Frau regelrecht hingerichtet und dann nach erfolgtem intubieren irgendwann zufällig festgestellt daß die Pupillen nicht mehr reagieren... Wohin kam der Sauerstoff? Wer kümmerte sich um meine Frau die drei Kinder hinterlässt und mich? Die Ärzte hatten von Anfang an vor meine Frau zu töten,, hierzu benutzen sie das angeblich Erfolg versprechende Koma... . Sie haben meine Frau getötet!!