MONITOR vom 30.04.2020

Beatmung von Covid-19 Patienten: Spiel mit dem Feuer?

Bericht: Jochen Taßler, Jan Schmitt

Beatmung von Covid-19 Patienten: Spiel mit dem Feuer? Monitor 30.04.2020 07:34 Min. UT Verfügbar bis 30.04.2099 Das Erste Von Jochen Taßler, Jan Schmitt

Kommentare zum Thema, weiterführende Links und der Beitragstext als PDF

Georg Restle: „Die wirtschaftlichen Folgen und die Fragen um Lockerungen, all das prägt die Debatten um Corona zurzeit. Dagegen gerät zunehmend aus dem Blick, womit wir es hier eigentlich zu tun haben, das Leiden der Kranken auf den Intensivstationen. Dabei sollten wir da sehr genau hinschauen. Denn je länger die Corona-Krise dauert, umso mehr kommen scheinbare Gewissheiten ins Wanken. Zum Beispiel die, dass schwerkranke Covid-19-Patienten vornehmlich durch invasive Beatmung gerettet werden könnten. Mittlerweile mehren sich allerdings Stimmen, die von einer solchen Beatmung als Regelbehandlung dringend abraten. Eine Behandlung, die mit großem Leid für die Betroffenen und deren Angehörige verbunden ist und regelmäßig schweren Folgeschäden. Jan Schmitt und Jochen Taßler.“

Atemnot, Lungenversagen. Für Patienten mit besonders schweren Covid-19-Verläufen ist eine Intubation, also die rein maschinelle Beatmung, oft die letzte Hoffnung. Aber es ist auch eine gefährliche Prozedur, die gerade Covid-19-Patienten oft nicht überleben. Mindestens zwei Drittel von ihnen sterben dabei, so das Ergebnis mehrerer Studien aus besonders betroffenen Regionen. Deutlich mehr als sonst bei solchen Beatmungen. Auch in New York haben Ärzte diese Erfahrung gemacht. Stefan Flores arbeitet als Notfallarzt in einem Krankenhaus in Manhattan. Seit Wochen kämpft er dort an vorderster Front gegen das Virus und um das Leben seiner Patienten.

Dr. Stefan Flores, Notfallmediziner, Columbia-Universität New York (Übersetzung Monitor): „Wir haben während meiner Schicht teilweise fünf oder zehn Patienten gleichzeitig intubiert. Und natürlich sind während meiner Schicht auch viele dieser Patienten verstorben. In diesem Umfang und mit so vielen Toten in so wenigen Stunden habe ich das noch nie erlebt.”

Viele New Yorker Ärzte intubieren Covid-19-Patienten daher inzwischen deutlich seltener. In Deutschland ist invasives Beatmen aber nach wie vor Standard. Mehr als drei Viertel der Covid-19-Intensivpatienten werden intubiert. Es gibt zwar Hinweise auf höhere Überlebensraten, aber noch keine verlässlichen Zahlen. Klar ist, für den Körper ist invasive Beatmung eine Tortur. Die Patienten werden betäubt und über einen Schlauch durch die Luftröhre beatmet. Dabei drohen Infektionen. Viele, besonders ältere Patienten, verkraften das nicht. Wer überlebt, trägt oft Langzeitschäden davon.

Sie kennt solche Fälle. Nennen wir sie Clara. Sie arbeitet als Krankenschwester und möchte nicht erkannt werden. Clara glaubt nicht, dass alle Intubationen bei Covid-19-Patienten sinnvoll sind.

Krankenschwester: „Die Patienten, denen es sehr schlecht geht, werden auf die Intensivstation verlegt ohne groß darüber nachzudenken, ob das den Patienten nützt oder eher schadet. Die werden dann intubiert und die werden sediert und beatmet.“

Werden bei Covid-19 zu viele Patienten vorschnell intubiert? Rolf Rossaint streitet das ab. Er ist Präsident der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin, kurz DGAI. Der Verband gilt als besonders einflussreich. Rossaint betont, man folge einem abgestuften Verfahren.

Prof. Rolf Rossaint, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin: „Wenn ein Patient nur Sauerstoff braucht, dann bekommt er auch nur Sauerstoff. Braucht er eine zusätzliche Atemunterstützung, weil er das selber nicht mehr schafft, dann reicht erstmal eine nicht-invasive Beatmung. Wenn aber dann die Erkrankung noch schwerer ist – und das ist eben bei 75 Prozent der Intensivpatienten – dann muss man aber auch zum richtigen Zeitpunkt die Intubation durchführen.”

Aber wann ist der richtige Zeitpunkt? Klar ist, je früher intubiert wird, desto mehr Menschen werden auch intubiert. Einige Ärzte-Verbände und Fachgesellschaften empfehlen genau das. Bei der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften, kurz AWMF heißt es: Bei Covid-19-Patienten mit schwerem Sauerstoffmangel

Zitat: „(…) ist vorzugsweise die Intubation und invasive Beatmung anzustreben.“

Lieber früh intubieren also. Thomas Voshaar hält davon nichts. Er ist Lungenarzt und hat schon 40 Covid-19-Patienten behandelt, darunter auch schwersterkrankte. Intubiert hat er nur einen einzigen. Voshaar hält eine grundsätzliche Empfehlung für frühes Intubieren für falsch.

Dr. Thomas Voshaar, Lungenfacharzt: „Dem stehe ich sehr kritisch gegenüber, weil es dafür überhaupt keine Evidenz gibt. Abgeleitet ist diese Empfehlung nach meiner Einschätzung aus den Erfahrungen primär in China, und das war eine vollkommen andere Situation.“

Gerade bei neuen Erkrankungen wie Covid-19 seien solche pauschalen Empfehlungen sogar gefährlich, sagt Voshaar. Viele Ärzte würden sich strikt daran halten, allein schon, um sich abzusichern. Dabei ist Voshaar nicht grundsätzlich gegen Intubation.

Dr. Thomas Voshaar, Lungenfacharzt: „Auf der einen Seite kann man damit Leben retten, sonst würde es das ja nicht über Jahrzehnte geben, ist etwas Segensreiches. Auf der anderen Seite wissen wir, dass bei bestimmten Vorerkrankungen es eben auch bei langer Beatmungsdauer auch ganz definitiv zu sogenannten Beatmungsschäden kommt. Also sollte niemand an solche Maschinen angeschlossen werden, wenn es noch eine andere Möglichkeit gibt. Aber so muss man das wirklich auch – so glaube ich – sehr präzise formulieren.”

Und offenbar können auch andere Methoden durchaus Leben retten. In dieser Lungenklinik im Harz hat das Ärzteteam vier schwersterkrankte Covid-19-Patienten aus Frankreich behandelt.

Prof. Gerhard Laier-Groeneveld, Lungenfacharzt: „Sie hatten die Beatmung in Narkose, waren intubiert gewesen und ich denke, man hätte erwartet, dass wir das genauso weitermachen, aber mit dem Eintreten in unsere Klinik haben wir die Strategie geändert.“

Die Ärzte versuchten, die Patienten so schnell wie möglich von der Intubation zu entwöhnen. Mit Erfolg, die ersten konnten die Klinik inzwischen wieder verlassen. Kein Zufall, glaubt man hier. Die Ärzte versuchen bei Covid-19 grundsätzlich alles, um ohne Intubation auszukommen. Kein einziger ihrer Patienten ist bislang gestorben.

Prof. Gerhard Laier-Groeneveld, Lungenfacharzt: „Ich denke schon, dass man jetzt mehr sieht als früher, dass die Intubation und Beatmung gefährlich ist und dass man auf jeden Fall die Intubation vermeiden muss. Und da gibt es eine ganze Reihe an Techniken, die wir in den letzten Jahren untersucht und entwickelt haben, die das auch gelingen lassen.“

DGAI und AWMF halten trotz solcher Erfahrungen an ihren Empfehlungen fest. Matthias Thöns ist Palliativmediziner. Er begleitet alte Menschen am Lebensende und sorgt auch dafür, dass sie schmerzfrei sterben können. Thöns kritisiert schon lange, dass in Deutschland zu schnell und zu viel Intensivmedizin betrieben werde. Bei Covid-19 drohe das nun erst recht. Patienten mit schweren Verläufen müssten oft sehr lange beatmet werden. Das Risiko zu sterben oder Folgeschäden zu erleiden, steige so deutlich an.

Dr. Matthias Thöns, Palliativmediziner: „Die ethische Katastrophe ist doch, dass vor allem hochaltrige Patienten schwer betroffen sind und dass die dann in diesen intensiv-medizinischen Automatismus kommen. Die kommen in die Klinik, wenn die schlecht werden, werden die intubiert, wenn die intubiert sind, werden die längere Zeit beatmet. Und das Therapieziel des Patienten und der Wille des Patienten wird gar nicht richtig ermittelt.”

Leben retten, unnötige Qualen vermeiden. Ob eine frühzeitige invasive Beatmung bei Covid-19-Patienten dafür der richtige Weg ist? Die Zweifel daran wachsen.

Georg Restle: „Nein, wir wollen hier niemanden verunsichern und wir wissen, wie sensibel dieses Thema ist. Aber wir sind eben auch überzeugt davon, dass wir Diskussionen offen führen sollten, und dass man alle ernstzunehmenden Stimmen zu Wort kommen lassen sollte – gerade wenn es um eine Erkrankung geht, über die wir noch so wenig wissen.“

Kommentare zum Thema

  • M 31.12.2020, 08:13 Uhr

    Beim erneuten Anschauen dieses Beitrages wird mir wieder bewusst, wie schlecht dieser Bericht ist. Die Intubation so einseitig negativ darzustellen, ist eine absolute Frechheit. Ich schaue regelmäßig Monitor jedoch ist dieser Beitrag unprofessional und beweist, das Monitor keine Expertise auf diesem Gebiet besitzt. Und der Kern der Aussage, Intubation sei Folter, wird in den hier geschriebenen Kommentaren von Menschen aufgegriffen und zeigt auch deren nicht vorhandene Expertise zum Thema Beatmung und Intubation deutlich auf. Ich arbeite als Intensivpflegekraft auf einer Intensivstation einer Uniklinik und betreue COVID-19 Patienten. Unser Patientenklientel ist deutlich kränker als das des Chefarztes aus dem Bericht. Alle unsere Patienten wären ohne Intubation sicher verstorben. Und nun eine Preisfrage an alle, welche hier die Intubation und Beatmung in Frage stellen. Was ist Ihr Vorschlag, wenn NIV- und Highflow-Therapie keinen adäquaten Gasaustausch mehr gewährleisten können????.

  • Mencheper 11.07.2020, 18:03 Uhr

    Ich schließe mich K J was die Statistik der Corona Toten betrifft an. Normalerweise, so lernt man es schon in der Schule (oder zumindest sollte das der Fall sein) ist es in einer Statistik wichtig zu definieren und Einflussfaktoren, die zu einem bestimmten Ergebnis führen zu berücksichtigen. Nur scheint mir gerade bei Corona dies nicht der Fall zu sein. Erst kürzlich wurde bekannt gegeben, dass 96% der Corona Toten in Italien an einer Vorerkrankung litten. Das wirft die Frage auf wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass man an Corona selbst ohne schwerwiegende Vorerkrankung sterben kann. Darüber hinaus geht nun Mal das Gerücht, dass jeder Leichnam, bei dem das Virus festgestellt wurde, zu den Corona Toten gezählt wurde ohne festzustellen, ob nun die Infektion mit Corona die tatsächliche Ursache war. Ich vermag nicht zu sagen ob das wahr ist, aber es herrscht bezüglich der Sterberate an Corona eine gewisse Intransparenz. Dem entgegenzuwirken betrachte ich als wünschenswert.

  • K.L. 24.05.2020, 23:58 Uhr

    Bei solchen Nachrichten soll man nicht misstrauisch werden und Zweifel an der Wirksamkeit der medizinischen Behandlungen, den politisch angeordneten Lebensbeschränkungen Betreff sozialem und wirtschaftlichem Leben hegen? Äußert man seine Zweifel wird man sofort als ein von Russland gesteuerter Verschwörungstheoretiker-Theoretiker oder Rechtsextremist behetzt. Auch ist festgestellt worden Dasein erheblicher Teil der leider verstorbenen Corona-Patienten an einer Embolie gestorben ist welche vielleicht durch Medikamente wie Marcumar verhindert hätte werden können. In der Berichterstattung über die Anzahl der bedauernswerten Betroffenen meine ich sollte man die Geheilten von den Betroffen rechnerisch abziehen. Auch sollte die Anzahl der Menschen genannt werden welche leider aufgrund der medizinischen Behandlung starben (Lungenentzündung durch Intubation sowie Embolien).