Bericht: Shafagh Laghai, Andreas Maus, Lara Straatmann, Arezao Naiby
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Achim Pollmeier: „Vor gut drei Wochen ist Europas Schande in Flammen aufgegangen. Das berüchtigte Flüchtlingslager Moria auf Lesbos war hoffnungslos überbelegt, dann kam das Feuer. Als Reaktion darauf verkündete die EU-Kommissionspräsidentin letzte Woche ihre Pläne für einen Europäischen Migrationspakt. Auf die entscheidenden Fragen gibt der aber gar keine Antwort. Die Verteilung der Geflüchteten in Europa, völlig unklar. Für abgelehnte Asylbewerber soll es gar Abschiebepatenschaften geben. Manche Vorschläge klingen zynisch, andere hilflos. Und trotzdem soll jetzt alles humaner werden, gerechter, effizienter. Ein wichtiger Baustein dabei, eine neue „Europäische Asylagentur”. Da reibt man sich die Augen, denn genau das gibt es ja schon. Seit Jahren auch auf Lesbos, wo die Menschen nun im neuen Lager auf irgendeine Zukunft hoffen.“
Das neue Camp auf der Insel Lesbos. Moria war die Hölle – jetzt sei es noch schlimmer geworden, erzählen die Menschen. Es ist überfüllt, teilweise sind mehr als 100 Geflüchtete in einem Zelt untergebracht. Toiletten gibt es nur wenige. Duschen oder Waschbecken noch gar keine. Jedes Elend lässt sich irgendwie aushalten, wenn man weiß, dass es ein Ende hat, sagt Gita Anwari. Doch tausende Menschen hängen schon seit Jahren hier fest. Ihre Zukunft völlig ungewiss.
Gita (Übersetzung Monitor): „Meine Kinder fragen mich, Mama, wir sind schon seit einem Jahr hier, was wird aus uns? Wenn Leute von hier weggehen, gucken meine Kinder ihnen mit Tränen in den Augen nach. Sie fragen: Warum haben wir kein Zuhause?“
Es geht auf den griechischen Inseln nicht nur um menschenunwürdige Zustände. Es geht auch darum, dass sie jahrelang andauern. Das will die EU nun ändern – mit dem „neuen“ Migrationspakt.
Ursula von der Leyen (CDU), EU-Kommissionspräsidentin (23.09.2020) (Übersetzung Monitor): „Der Migrationspakt, den wir Ihnen heute vorstellen, ist ein frischer Start. Wir wollen damit an unseren Werten festhalten und gleichzeitig die Herausforderungen einer globalisierten Welt angehen.“
Ein frischer Start. Schnellere Entscheidungen, gerechte Verfahren – das ist das Ziel. Helfen soll dabei auch eine neue Behörde – die Europäische Asyl Agentur. Sie soll bereits an den EU-Außengrenzen mit so genannten „Vorabprüfungen” feststellen, wer überhaupt Anspruch auf Asyl hat, also aussieben – den Prozess beschleunigen. Doch wie neu ist das? Die Behörde jedenfalls ist nicht neu. Bisher heißt sie nur anders: EASO, mit Hauptsitz auf Malta. Neu ist auch nicht, dass sie an den EU-Außengrenzen im Einsatz ist. Auf den griechischen Hotspots arbeitet EASO schon seit Jahren. Und selbst die „Vorabprüfungen” – das Aussieben – ist nicht neu. Bereits jetzt führen EASO-Mitarbeiter solche Interviews durch. Mit demselben Ziel: schnellere Verfahren. Nora Markard ist Völkerrechtlerin und hält den Vorschlag der Kommission für eine Scheinlösung.
Prof. Nora Markard, Völkerrechtlerin, Universität Münster: „Die Kommission hat ja angekündigt, dass mit dem neuen Pakt jetzt ein neuer Start verbunden sein soll für das gemeinsame europäische Asylsystem. Jetzt muss man sagen, für die Grenzverfahren kann man das eigentlich nicht sagen. Gerade in Griechenland ist genau das bereits alles der Fall. Also, das Screening gibt es schon, das Grenzverfahren gibt es schon. Da wird es kaum zu Änderungen kommen. Vor allem die ganzen Probleme, die damit verbunden sind, die werden auch nicht gelöst.“
Die Probleme auf Lesbos sind nicht weniger, sondern mehr geworden. Die Menschen warten jahrelang – auf ihre Anhörung, auf eine Entscheidung. Trotz der Präsenz von EASO. Das liegt auch daran, dass EASO selbst nur Empfehlungen abgibt. Am Ende entscheidet die griechische Asylbehörde. Die Kriterien seien oft nicht nachvollziehbar, sagen Kritiker. EASO soll für die Einhaltung europäischer Standards sorgen, die griechischen Behörden unterstützen und für schnelle und korrekte Anhörungen sorgen. Mehr Befugnisse soll auch die neue Agentur nicht haben, das Kompetenz-Wirrwarr wird bleiben. Elli Kriona vertritt Asylsuchende auf Lesbos. Die Anwältin hatte viel Hoffnung in die europäische Agentur gesetzt.
Elli Kriona, Rechtsanwältin (Übersetzung Monitor): „Wir dachten, dass EASO europäische Standards einführen und aufrechterhalten wird. Doch was wir sehen ist, dass die Agentur a) ihre eigenen Standards, europäische und verfahrensrechtliche Standards verletzt und b) die Agentur dabei zusieht, wie griechische Behörden diese Standards verletzen und nichts sagt.“
Schwere Vorwürfe, die auch Amir erhebt. Er kommt aus Syrien, sei dort im Gefängnis gewesen, erzählt er, gefoltert worden.
Amir (Übersetzung Monitor): „Wir waren 60 oder 70 in einem Raum. Wir haben im Sitzen geschlafen und sonst immer gestanden. Sie haben mich kopfüber aufgehängt. Sie haben mich furchtbar geschlagen. Viele sind während der Folter gestorben.“
EASO war die einzige Behörde, die in seinem Fall ein Interview führte. Seine einzige Chance, von seiner Folter in Syrien zu erzählen, ein möglicher Asylgrund. In dem Interview habe die Folter aber keine Rolle gespielt, sagt er.
Amir (Übersetzung Monitor): „Sie wollten sich meine Geschichte nicht anhören. Ich weiß, dass es mein Recht ist, meine Geschichte zu erzählen. Doch während ich erzählte, sagten sie plötzlich, es ist gut, komm zum Ende.“
Amir ist über die Türkei geflohen. Deshalb fällt er unter die Regeln des EU-Türkei-Deals. Dorthin soll er jetzt abgeschoben werden. Er hat große Angst, denn die türkischen Behörden hätten ihn schon zweimal nach Syrien deportiert, sagt er. In ihrer Selbstdarstellung präsentiert sich EASO als eine humanitäre Organisation. Eine Behörde, für die Flucht und Vertreibung eine Rolle spielt. Eine Behörde, die Schutz verspricht. Nicht nur Amir hat das anders erlebt. Monitor konnte zahlreiche Original-Transkripte von Interviews einsehen, die EASO-Mitarbeiter durchgeführt haben. Und ihre abschließende Stellungnahme. Interviews wie dieses. Ein Mann aus Syrien wird befragt. Auch er fällt unter die Regeln des EU-Türkei-Abkommens. Im Interview geht es darum, ob er in die Türkei zurückgeschickt werden kann.
Mitarbeiter von EASO (Übersetzung Monitor): „Ist etwas Bemerkenswertes passiert, während Sie die Grenze zwischen Syrien und der Türkei überquert haben?“
Mann (Übersetzung Monitor): „Bei einem Versuch hat uns das türkische Militär erwischt. Sie haben mich so lange geschlagen, bis ich bewusstlos wurde. Dann haben sie uns zurück nach Syrien gebracht.“
Mitarbeiter von EASO (Übersetzung Monitor): „Denken Sie, Sie können zurück in die Türkei?“
Mann (Übersetzung Monitor): „Unmöglich.“
Der Mann berichtet auch von schweren psychischen Problemen. Ebenfalls ein möglicher Asylgrund.
Mitarbeiter von EASO (Übersetzung Monitor): „Wie sieht Ihr Alltag zurzeit hier aus?“
Mann (Übersetzung Monitor): „Ich habe zweimal versucht, mir das Leben zu nehmen. Der Arzt hat mir Pillen gegen Angstzustände verschrieben.“
Doch EASO empfiehlt, der Mann kann in die Türkei zurückgebracht werden. Anwälte, die sich mit dem Fall befasst haben, sind entsetzt. Der Migrationsrechtler Carsten Gericke hat Dutzende solcher EASO Interviews untersucht und 2017 Beschwerde bei der EU-Ombudsfrau eingelegt.
Carsten Gericke, Rechtsanwalt: „Die EU-Ombudsfrau hat erhebliche Bedenken geäußert, sowohl was die Qualität der Interviewführung durch EASO betrifft, aber auch, was die rechtliche Grundlage der Arbeit der EU-Agentur betrifft.“
EASO hält die Vorwürfe für weitgehend unbegründet. Die Bedenken der Ombudsfrau wurden längst erörtert, das Verfahren sei eingestellt. Und: EASO schreibt nur Stellungnahmen. Die Entscheidung für oder gegen Asyl würden die griechischen Behörden treffen. Doch EASO sagt auch, in den allermeisten Fällen folgten die Griechen der Stellungnahme von EASO. Das bedeutet, wenn EASO-Mitarbeiter in den Schnellverfahren nicht nach Folter und Krankheiten fragen, tut es in vielen Fällen – keiner mehr.
Carsten Gericke, Rechtsanwalt: „Die Gefahr, die bei dieser Vorgehensweise ist, dass viele Geflüchtete – insbesondere syrische Geflüchtete – durchs Raster fallen, dass deren Asylantrag bereits als unzulässig abgelehnt wird und am Ende des Tages die Abschiebung in die Türkei droht.“
Die EU will schnellere Verfahren. Aber ist es der richtige Weg, früh auszusieben? Rechtstaatliche Verfahren werden auch in Zukunft Zeit brauchen. Zeit, in der sie hier weiter so festsitzen dürften.
Prof. Nora Markard, Völkerrechtlerin, Universität Münster: „Man muss sagen, dass der Pakt für die Grenzverfahren im Wesentlichen das vorsieht, was in Griechenland bereits zur Praxis gehört, die massiven Rechtsverstöße an der Grenze, die Überlastung der Grenzverfahren und so weiter. Das System, was wir in Moria jetzt seit fünf Jahren beobachten konnten, das soll jetzt europaweiter Standard werden.“
Gita erzählt, dass ihre beiden Kinder davon träumen, genug zu essen zu haben und zur Schule zu gehen. Sie kann ihnen nicht sagen, wann das möglich sein wird. Solange sie hier sind, jedenfalls nicht.
Achim Pollmeier: „Kinder, die nicht genug zu essen haben und keine Schule. Und sie werden weiter festsitzen, solange Europa keinen Weg findet, die Verteilung dieser Menschen irgendwie zu gewährleisten.“
Kommentare zum Thema
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Ich habe nur einen einzigen Weihnachtswunsch: Dt. Politiker sollen sich mangels Kompetenz endlich aus der EU-Migrations-Politik rauszuhalten! Das gilt besonders für die hypermoralisierenden Mega-Moralgenossen in der sog. "GroKo" ( =Abkürzung für Große Koalition), die man wegen deren Verzwergung auch nicht mehr so nennen dürfte. Der Islamkritiker und Publizist Hamad Abdel Samad, der selbst Islamist ist, hat bereits festgestellt, daß die Bundesregierung zum Thema Islamismus nicht beratbar ist und sich deswegen aus der Islamkonferenz abgemeldet ! Hoffentlich schiessen die Deutschen nicht wieder quer bei dem Bemühen, den politischen Islam in der EU in Schach zu halten, seinen dubiosen Geldzufluß aus dem Ausland zu stoppen und die Grenzen dichter zu machen ! Die Deutschen haben bekanntlich mit ihren Alleingängen bereits die Briten aus der EU geekelt ! Das sollte reichen ! Laßt mal weiterhin Macron, Kurz, Griechen u.a. machen. die Interessen des dt. Volkes durchzusetzen !
So gut wie jeden Tag wird von Gewalttaten muslimimischer zugewanderter Männer berichtet, die sich angeblich von ihren Opfern in ihrer Ehre beschmutzt fühlen die Europäer für unmoralisch und ungläubig halten , die überhaupt den gesamten Westen für verdorben halten ! Schmeißt endlich diese Spinner aus dem Land, mit one-way -Ticket zurück in den Orient, überprüft das Schengen-Abkommen, riegelt die Grenzen ab und vor allem , laßt keinen von Denen mehr rein, der nicht auch wirklich den Nachweis erbringen kann, tatsächlich politisch verfolgt zu sein: Das europäische Asylrecht kann nicht für illegale Massenmigration mißbraucht werden, sondern gewährt Asyl nur im Ausnahmefall, nämlich bei politischer Verfolgung !°. Das sind nur Promille der Asylzuwanderer. Asyl in Europa ist somit nicht der Regelfall für nach Meinung von Restle und NDR-Kollegin Jeschke aller zu kurz Gekommenen auf dem Planeten, sondern der ganz eng begrenzte Ausnahmefall. Das wird immer noch vom ÖRR vertuscht !