Bericht: Lara Straatmann
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Georg Restle: „Das Thema Corona drängt in diesen Tagen viele andere Themen wieder in den Hintergrund. Und es scheint fast so, als sei es der Großen Koalition ganz recht, dass da ein Gesetzesvorhaben still und leise über die Bühne gebracht werden kann, mit dem die digitale Massenüberwachung von Menschen weltweit deutlich ausgeweitet werden kann. Es geht um den Auslandsgeheimdienst dieses Landes, den Bundesnachrichtendienst. Geht es nach der Bundesregierung soll der BND künftig in Handys oder Computern hacken dürfen und auch Journalisten oder Nichtregierungsorganisationen ins Visier nehmen können, die in ihren Ländern von Staats wegen gefährdet sind oder verfolgt werden. Lara Straatmann.“
Spionieren, überwachen, ausspähen, weltweit greifen die Beamten des Bundesnachrichtendienstes Kommunikation aus dem Ausland ab, werten Millionen von Daten aus – ganz unbemerkt. Und künftig soll der deutsche Auslandsgeheimdienst noch mehr Befugnisse bekommen, in vertrauliche Kommunikation eindringen. Doch wer gerät ins Visier des BND? In den Fokus geraten können längst nicht nur Kriminelle – sondern auch Menschen wie sie. Giorgia Linardi engagiert sich für die Rettung von Flüchtlingen im Mittelmeer. Immer wieder gerieten sie und ihre Organisation Sea-Watch ins Visier italienischer Sicherheitsbehörden. Die beiden Seenotrettungsschiffe sind aktuell festgesetzt.
Giorgia Linardi, Sea-Watch e.V. Italien (Übersetzung Monitor): „Wir wissen, dass alles, was wir sagen, alles, was wir produzieren, gegen uns verwendet werden kann. Es ist eine Gefahr der Kriminalisierung und nicht eine Gefahr, weil wir etwas zu befürchten haben. Wir haben das die vergangenen Jahren bereits erlebt, so weit, dass unsere Kapitänin verhaftet wurde.“
Und künftig muss Linardi immer damit rechnen, dass der deutsche Auslandsgeheimdienst sie ins Visier nimmt und überwachen kann. Das macht der neue Gesetzentwurf möglich, darin werden Hürden für die Überwachung der Zivilgesellschaft in der EU deutlich aufgeweicht. Die Praxis sieht derzeit so aus: Ohne konkreten Verdacht zapfen deutsche Beamte weltweit Kommunikation ab, per digitaler Massenüberwachung. Darunter Telefonate, Nachrichten, E-Mails. All das durchforschen sie nach Suchbegriffen. Für die Ausspähung von EU-Bürgern gab es bislang sehr hohe Hürden. Zulässig war die Überwachung zur Erkennung von Straftaten wie „Landesverrat“, „Friedensverrat“ oder Straftaten gegen die „Landesverteidigung“. Nach dem neuen Gesetzentwurf reichen nun schon Anhaltspunkte für die Früherkennung von Gefahren, wie etwa von „krisenhaften Entwicklungen“ oder – so wörtlich – „vergleichbaren Fällen“. Worauf das abzielt, steht in den Anmerkungen, etwa die „Aufklärung illegaler Migration“.
Daniel Moßbrucker, Journalist und Experte für Digitale Sicherheit: „Einer der Punkte, der mich wirklich am meisten überrascht hat, ist, dass hier relativ unverfroren gesagt wird, dass man jetzt auch mit Hilfe der BND-Massenüberwachung illegale Migration bekämpfen soll. Und das zielt zum Teil sicherlich auch auf NGOs ab, die im Mittelmeer Menschen retten.“
Und der BND kann künftig selbst verschlüsselte Nachrichten bei WhatsApp oder Signal mitlesen. Denn neu ist, der Geheimdienst soll offiziell und gezielt Handys und Computer hacken können. Sind die Geräte gehackt, haben die Mitarbeiter vollen Zugriff, sie dürfen alle Dokumente und Nachrichten auf dem Gerät lesen.
Daniel Moßbrucker, Journalist und Experte für Digitale Sicherheit: „Zum Beispiel das Smartphone, in dem alles, mein gesamtes Leben abgebildet ist. All das kann aufgebrochen werden zu – und das muss man sich klar machen – zu politischen Zwecken.“
Doch was passiert mit den Daten? Der BND arbeitet mit weltweit 160 Geheimdiensten zusammen, schließt Kooperationen und leitet regelmäßig Daten von Personen weiter ins Ausland – auch zur Strafverfolgung.
Prof. Matthias Bäcker, Öffentliches Recht und Datenschutzrecht, Universität Mainz: „Wenn jetzt der BND Informationen an staatliche Stellen in solchen Staaten weitergeben kann unter schwammigen Voraussetzungen, und zwar auch zu dem Ziel, gezielt gegen Einzelpersonen vorzugehen, dann ist das ein Problem, wenn die Voraussetzungen nicht wirklich sehr trennscharf sind. Und die Voraussetzungen sind nicht trennscharf formuliert.“
Ulf Buermeyer, Richter und Vorsitzender Gesellschaft für Freiheitsrechte e. V.: „Besonders dramatisch wird es natürlich, wenn diese Informationen dann an Staaten fließen, die ihrerseits repressiv vorgehen gegen Dissidenten, gegen Menschen, die vielleicht die Regierung kritisieren.“
Und dazu gehören auch Journalisten. Insbesondere solche, die für internationale Recherchenetzwerke wie bei den Panama-Papers arbeiten. Nach dem neuen Gesetzentwurf soll der BND die ganze interne Kommunikation von Redaktionen ausspähen können. Geschützt ist nur das Gespräch zwischen Journalisten und ihren Informanten. Alle anderen E-Mails und Telefonate einer Redaktion dürfen genutzt werden. Der Quellenschutz ausgehebelt – durch die Hintertür?
Ulf Buermeyer, Richter und Vorsitzender Gesellschaft für Freiheitsrechte e. V.: „Wenn die Presse nicht mehr im Geheimen recherchieren kann, wenn sie nicht mehr ihren Quellen zusichern kann, dass sie nicht aufgedeckt werden, dann werden viele Geschichten schlicht und ergreifend nicht mehr geschrieben und gesendet werden können. Deswegen – finde ich – atmet das Gesetz nicht nur an dieser Stelle, aber gerade an dieser Stelle einen zutiefst undemokratischen Geist.“
Das geplante Gesetz bringe viele seiner Kollegen in Gefahr, warnt der rumänische Journalist Paul Radu, Gründer eines internationalen Recherchenetzwerks zu Korruption. Seine Kollegen im Ausland sind immer wieder Opfer politischer Attacken. Jetzt fürchtet er, dass auch mithilfe des BND wichtige Recherchen in die Hände ausländischer Geheimdienste geraten könnten.
Paul Radu, Journalist, Organized Crime and Corruption Reporting Project (Übersetzung Monitor): „Sie bringen Journalisten in Gefahr, sie bringen Quellen in Gefahr, bringen alle in Gefahr. Sie geben dem organisierten Verbrechen und korrupten Politikern ein weiteres Mittel an die Hand geben, um Journalisten und den Journalismus anzugreifen.“
Daniel Moßbrucker, Journalist und Experte für Digitale Sicherheit: „Wenn zum Beispiel Journalistinnen und Journalisten in Ungarn oder Polen zu Korruption recherchieren und das ist Teil der organisierten Kriminalität dort, dann kann der BND an die Geheimdienste in diesen Ländern die Daten weitergeben und natürlich müssen dann die betroffenen Journalistinnen und Journalisten dort mit Einschränkung rechnen, dass sie strafverfolgt werden. Und das absurderweise, weil der BND mitgeholfen hat, sie zu überwachen. Das wird möglich durch dieses Gesetz.“
Der BND, ein Partner für Staaten, die Journalisten einschüchtern? Wer kontrolliert die Arbeit des BND? Dafür soll der Geheimdienst künftig einen neuen Kontrollrat an seine Seite bekommen. Sechs Juristen des Bundesgerichtshofs sollen jede Überwachung genehmigen. Doch wie unabhängig ist der neue Kontrollrat? Der Bundesbeauftragte für Datenschutz kritisiert, dass die Personalverwaltung dem Kanzleramt übertragen werden dürfe. Und, die Juristen dürfen sich nicht ohne Rücksprache mit dem Kanzleramt an den Bundestag wenden. In einer internen Stellungnahme erklärt er:
Zitat: „Der Gesetzentwurf (...) enthält undefinierte Kompetenzerweiterungen“.
Der Kontrollrat
Zitat: „mit faktischer Nähe (…) zum Bundeskanzleramt bzw. zum BND schwächt die Vorgabe einer tatsächlichen Unabhängigkeit.“
Ulf Buermeyer, Richter und Vorsitzender Gesellschaft für Freiheitsrechte e. V.: „Der Entwurf für das neue BND-Gesetz enthält wieder einmal letztlich nur die Simulation von Kontrolle. Die offensichtlich sehr gut geeignete Kontrollstelle, nämlich der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit, soll eben gerade nicht betraut werden mit der administrativen Kontrolle. Und das kann ich mir nur so erklären, dass die Bundesregierung weiterhin eine effektive Kontrolle nur vorspiegeln, aber nicht realisieren will.“
Mehr Befugnisse, wenig Kontrolle? Bereits das alte BND-Gesetz hatte das Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig erklärt. Wird der Gesetzentwurf so beschlossen, haben Juristen bereits eine neue Klage angekündigt. Doch bis zu einem erneuten Urteil könnten Jahre vergehen.
Georg Restle: „Und so lange gilt das Gesetz dann weiter. Und damit auch die Massenüberwachung von Journalisten und Nicht-Regierungsorganisationen.“
Kommentare zum Thema
Jede Person, die sich menschlich sozialisiert versteht -ob psychisch und/oder physisch- muß unbedingt damit rechnen können dürfen, von Dritten ausgehend interessiert "beobachtet" zu werden.
und genau deshalb ist der unfassbare, unmenschliche Prozess in London gegen Julian Assange, die Unterbringung im Belmarsh Prison für Schwerverbrecher, die noch immer nicht aufgehobene potentielle Auslieferung an die USA - wo Assange lebenslange Haft erwarten würde - deshalb ist der Prozess gegen Julian Assange ein Exempel, ein Modell - gegen Whistleblower, gegen jede Art investigativer Journalismus - ob gegen Konzerne, Rüstungsindustrie, Regierungen dieser Prozess geht uns alle an, vor allem alle Journalisten, Verleger, Schriftsteller etc (ich arbeite seit 55 Jahren im Medienbereich!)
Kurios:Merkelgruppe versucht ihrer Stasi(´bnd´)Beine zu machen,um selbst nicht irgendwann überflüssig zu werden.Nun ja,Stasi der DDR war seinerzeit tatsächlich optimaler in Form.Araberclans,sog. Motorradgangs und Typen aus Politik,Sport,Kunst oder Wirtschaft,die wie jetzt laufend peinlicherweise bei Nachforschungen und Nachhaken von Behörden sogar noch frech und arrogant auftreten, hatten da keine Chance-jederman,Frauen wie Kinder brauchten in Mitteldeutschland keine Angst vor Überfällen,Morden,Entführungen ect. Angst haben.In der freiheit“lichen“BRD allerdings schon.Verbrecher zwar alle sämtlich bekannt, werden´beobachtet´,bei ihrer offiziellen´ Präsenz sogar begleitet und abgeschirmt.Oberfächlicher Modus einer Staatsführung mit Programm:Es darf,es muß im Volk geregelt rumoren, damit es mit sich selbst beschäftigt bleibt.Darüber hinaus werden vom System nur Nadelstiche gesetzt.Nicht passende politische Strömungen gemaßregelt, Demonstrationen vorab zensiert.