Bericht: Naima El Moussaoui, Lara Straatmann, Baysal Marti, Ralph Hötte
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Georg Restle: „Klar, die Berichterstattung über das neuartige Corona-Virus stellt viele andere Themen in den Schatten. Auch das, was sich weiterhin an Europas Außengrenze in Griechenland abspielt. In diesem Marineschiff vor der Insel Lesbos werden seit Tagen Hunderte Flüchtlinge gefangen gehalten. Menschen, denen ein elementares Grundrecht verweigert wird – das Recht auf ein Asylverfahren. Und das ist längst nicht alles. Der brutale Einsatz von Gewalt, die Trennung von Familien, illegales Schnellverfahren. Europa verabschiedet sich gerade vom Kern seiner wichtigsten Werte. Und mittendrin dabei die deutsche Bundespolizei. Unsere Recherchen beginnen auf der türkischen Seite der EU-Außengrenze mit einem Video, das zeigt, mit welcher Brutalität türkische Beamte Flüchtlinge an die Grenze verfrachtet haben.“
Mann (Übersetzung Monitor): „Ihr geht jetzt raus auf die andere Seite der Grenze.”
Ein Bus mit Flüchtlingen. Bewaffnete Männer zwingen die Menschen aus dem Bus zu steigen.
Mann (Übersetzung Monitor): „Boot, Boot, türkische Soldaten bringen euch mit dem Boot nach Griechenland.”
Dann zieht einer der Männer plötzlich eine Waffe. Neben einem Polizeiabzeichen trägt einer der beiden auch eine Jacke mit dem Symbol einer türkischen, rechtsextremen Organisation, die als besonders brutal gilt. Ein verstörendes Video. Was ist da vorgefallen? Wir machen uns auf die Suche im türkischen Grenzgebiet und treffen den Mann, der das Video aufgenommen hat, wie er uns erzählt. Erkannt werden möchte er nicht. Er habe gehört, dass die Grenze offen sei und sich auf den Weg gemacht, sagt er uns. Doch die türkischen Männer – womöglich Sicherheitskräfte – hätten sie aufgegriffen und in einen Bus gezwungen.
Flüchtling (Übersetzung Monitor): „Es war Nacht. Sie haben uns in einen Bus gesetzt und irgendwo hingebracht. Ich weiß nicht wohin; an einen Fluss oder so. Dort haben sie uns abgesetzt. Ich habe allerdings nicht damit gerechnet, dass der Beamte seine Waffe ziehen und uns bedrohen würde. Erst schlug er vorne im Bus zwei, drei Flüchtlinge, dann zog er seine Waffe und daraufhin sind wir aus Angst ausgestiegen. Wir konnten nichts machen.”
Ausgesetzt im Niemandsland, mit falschen Versprechungen, missbrauchten Hoffnungen. Einer von tausenden Flüchtlingen, mit denen Erdogan offenbar die EU zu erpressen versucht. Wir fahren weiter zum Grenzübergang Pazarkule. Tausende Geflüchtete harren hier aus. Einige hatten es schon einmal geschafft über die Grenze nach Griechenland, doch wurden sofort abgeschoben. Zurück in der Türkei berichten sie über Gewalt und Erniedrigung durch griechische Beamte. Iyad aus Syrien ist noch immer erschüttert.
Iyad (Übersetzung Monitor): „Einen ganzen Tag haben sie uns dort festgehalten. Ohne Schuhe und Bekleidung, in der Kälte. So mussten wir fünf Stunden stehen. Da war ein Soldat, er hat uns verprügelt.“
Die Asylrechtsanwältin Esin Bozovali ist hier seit Tagen unterwegs. Flüchtlinge berichten ihr von Gewalt und Pushbacks. Offenbar ein systematisches Vorgehen der griechischen Grenzpolizei. Dieser Syrer habe Schussverletzungen, sagt die Anwältin. Sie dokumentiert solche Fälle, und es werden immer mehr. Flüchtlinge erzählen ihr, wie es ihnen nach ihrer Festnahme ergangen ist.
Esin Bozovali, Asylrechtsanwältin (Übersetzung Monitor): „Anschließend werden sie mit Schlagstöcken, manchmal auch mit Nägeln dran geschlagen. Nach der Prügel werden ihnen Geld und Handys abgenommen und ihnen werden Kleidung und Schuhe ausgezogen. So werden sie mitten in der Nacht in der Kälte oder am helllichten Tag einfach zurückgebracht.“
Die griechischen Sicherheitskräfte setzen offensichtlich auf Abschreckung. Tränengas, Blendgranaten und Gummigeschosse. Nachdem die griechische Regierung das Asylrecht außer Kraft gesetzt hatte, wurde der Grenzpolizei offenbar freie Hand gegeben. Keine Chance mehr auf ein europäisches Grundrecht. Wer es hier mit dem Boot über den Evros nach Griechenland schafft, wird oft sofort zurückgeschickt. Ein offener Rechtsbruch, sagt der Gießener Europarechtsprofessor Jürgen Bast. Kein EU-Staat könne das Asylrecht einfach aussetzen.
Prof. Jürgen Bast, Europarechtler, Universität Gießen: „Das Grundrecht auf Asyl steht in der EU-Grundrechtecharta und das sind die Grundrechte, die sich die europäische Union gegeben hat. Und der Grundsatz der Nichtzurückweisung steht in der Europäischen Menschenrechtskonvention und das ist das zentrale, menschenrechtliche Dokument, auf dem die europäische Union beruht. Und wenn diese beiden Dokumente außer Kraft gesetzt werden – und sei es auch nur vorläufig – dann stehen schon die Grundlagen der europäischen Union in Frage, die grundlegenden Werte, dass die europäische Union auf der Achtung der Menschenrechte und der Rechtsstaatlichkeit beruht.“
Und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen? Von ihr keinerlei Kritik. Stattdessen, 700 Millionen Euro für Griechenland, 100 zusätzliche Grenzschützer und vieles mehr. Der Auftrag – Europas Grenzen dicht machen.
Ursula von der Leyen (CDU), EU-Kommissionspräsidentin, 03.03.2020 (Übersetzung Monitor): „Ich danke Griechenland, das in diesen Tagen unser europäischer Schild ist.”
Europäische Grundwerte? Offenbar zweitrangig, auch für den Bundesinnenminister.
Horst Seehofer (CSU), Bundesinnenminister, 04.03.2020: „Es kommt erst die Schaffung der Ordnung, und dann wenden wir uns diesem Thema der Humanität zu.”
Ordnung vor Recht – auch 77 deutsche Polizeibeamte sind bei der Grenzsicherung in Griechenland mit beteiligt.
Prof. Jürgen Bast, Europarechtler, Universität Gießen: „Ich sehe hier eine volle politische Mitverantwortung der Bundesregierung. Nach meinem Eindruck sind sich derzeit alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union, einschließlich Deutschlands, und die politisch verantwortlichen Organe der europäischen Union, die europäische Kommission, einig darin, wie sie mit dieser Situation umgehen wollen und haben sich dafür entschieden, die Geltung des europäischen Rechts hier nicht zu beachten.“
Ein Rechtsbruch mit deutscher Unterstützung? Fotos zeigen, Beamte der Bundespolizei waren schon am 28.02. – kurz nach Grenzöffnung – an der Festnahme von Geflüchteten beteiligt. Im Beisein von Bundespolizisten steigen die Menschen in einen weißen Lieferwagen ohne Nummernschild. Wohin diese Flüchtlinge gebracht wurden? Weder die Bundespolizei noch das Innenministerium geben uns darauf eine Antwort. Wir erfahren, viele Geflüchtete wurden nach Fylakio gebracht, ein kleiner Ort, etwa 20 Kilometer von der türkischen Grenze entfernt. Hier endete ihre Flucht – hinter Gittern. Mehr als 300 Migranten sind laut griechischer Regierung seit der Grenzöffnung verhaftet worden. Viele von ihnen sitzen hier in diesem geschlossenen Flüchtlingslager – Familien, Frauen und Kinder hinter Stacheldraht. Wir treffen Margaritis Petrizikis vom UNHCR. Er ist besorgt, denn etwa 70 Geflüchtete seien bereits verurteilt worden. Einige zu hohen Haftstrafen.
Margaritis Petrizikis, UNHCR Orestiada (Übersetzung Monitor): „Irreguläre Einreise ist kein Verbrechen und Menschen sollten dafür nicht bestraft werden. Wir haben beobachtet, dass manche wegen illegaler Einreise angeklagt und bereits zu Haftstrafen von vier Jahren und hohen Geldstrafen verurteilt wurden. Wir haben einige Fälle beobachtet, bei denen Familien getrennt wurden und der Vater der Familie zu einer Gefängnisstrafe verurteilt worden ist.”
Drakonische Haftstrafen, allein für den Eintritt ins Grenzgebiet. Die Genfer Flüchtlingskonvention verbietet solche Strafen für Flüchtlinge, auch darauf weist uns der UNHCR hin. Wir fahren weiter nach Komotini. Hier in diesem Gefängnis für Strafgefangene sitzen einige der Verurteilten. Die griechische Justiz hat sie im Schnellverfahren zum Teil zu hohen Haftstrafen verurteilt. Und keiner der Verurteilten habe einen Rechtsbeistand gehabt, berichtet uns ein Anwalt des griechischen Flüchtlingsrats. Das sei ein völlig neues Vorgehen.
Dimitris Koros, Rechtsanwalt Griechischer Flüchtlingsrat (Übersetzung Monitor): „Wir sind hier mit einer sehr, sehr außergewöhnlichen Praxis der Justiz konfrontiert, was sehr alarmierend ist. Wir haben es mit Fällen zu tun, die innerhalb eines Tages verurteilt worden sind – ohne Anwalt, ohne Hinweis auf ihre Rechte.”
Lotte Leicht, EU-Direktorin „Human Rights Watch“ (Übersetzung Monitor): „Gemeinsame Werte wurden einfach aus dem Fenster geworfen. Und diese Vorstellung, dass wir das Recht nicht beachten müssen, wenn wir es unbequem finden, das ist einfach empörend und wird dramatische Konsequenzen haben, solange es nicht aufhört.”
Die EU steht am Scheideweg. Grundrechte, die einfach ausgesetzt werden, klare Rechtsbrüche, die in Kauf genommen werden. Und die Frage, für welche Werte Europa künftig noch stehen will.
Prof. Jürgen Bast, Europarechtler, Universität Gießen: „Ich mache mir Sorgen, dass hier so eine Art Testlauf stattfindet, wie eigentlich das europäische Grenzregime aussieht, wenn man sich das Asylrecht hinwegdenkt. Dann bekämpfen wir alle entschlossen die irreguläre Einwanderung und senden Frontex-Personal, um den Mitgliedsstaat dabei zu unterstützen, so als gäbe es das europäische Asylrecht gar nicht. Und wenn dieser Testlauf sich gewissermaßen normalisiert, dann ist es nur noch ein weiterer Schritt, um diese Grund- und Menschenrechte – diesen Zugang zum Recht auf Asyl – auf Dauer zu verschließen.“
Georg Restle: „Nochmal kurz zusammengefasst: Da werden Familien brutal auseinandergerissen, Familienväter zu drakonischen Haftstrafen verurteilt, in eintägigen Schnellverfahren, ohne jeden Rechtsbeistand. Die griechische Regierung teilte und dazu auf Anfrage mit – Zitat: Wir respektieren die grundlegenden Menschenrechte und unterstützen weiterhin die Belange von Flüchtlingen.“
Kommentare zum Thema
Es gibt nur sehr wenige politsch Verfolgte, so daß im Umkehrschluß der Rest keine legale EU-Aufenthaltsberechtigung haben kann. Nirgendwo wird so viel gelogen wie beim Asyl, von den Antragsstellern und in den von Deutschen verbreiteten Narrativen zum Schaden der EU. Bislang ist das Thema Asyl für viele Beteteiligte: Medien , Wohlfahrtverbände von Parteien (AWO) und Kirchen(Diakonie etc.), NGOs, Asylanwälte, die für Asyldienstleistungen nahezu dank hoher staatlicher Zuwendungen und Spenden keine eigenen Aufwendungen haben , eine lukrative Geldmaschine. Die angeblichen Wohltäter ev/kath Kirche geben von ihren Einnahmen in Gestalt von Kirchensteuern und Staatszuschüssen überhaupt nur 8 % für karikative Zwecke aus. Der Rest wird am Kapitalmarkt investiert oder sind Personalausgaben. Die Rechnung bezahlt generell der Lohnsteuerzahler, der Handwerker etc. .Die Schlußrechnung folgt in ca 4 Jahren bei rezessiver Massenarbeitslosigkeit von 12 Mio und leeren, geplünderten Staatskassen !
Hallo Herr Restle ! Wie wärs, wenn SIe mal mit gutem praktischem Beispiel vorangehen und die ach so malträtierten jungen Männer höchstpersönlich aus Griechenland zu sich nach Hause holen ? Am Geld sollte es ja angesichts Ihres weit überdurchschnittlichen WDR-Gehalts nicht scheitern ! Es ist ja so schön, sich in Ihrer vom Zwangsgebührenzahler finanzierten Komfortzone überdurchschnittlich alimentieren zu lassen , die Realität auszublenden und permanent den Gutmenschen zu spielen ! An meiner Arbeitsstelle ist jedenfalls keiner mehr bereit, für junge männliche Wirtschaftsmigranten arbeiten zu gehen. Viele von den Kollegen kommen selbst gerade noch so zurecht bei Kurzarbeit und drohender Arbeitslosigkeit. Also Herr Restle ! Beim nächsten Oberlehrerkommentar erst die Lebenswirklichkeit erfassen, nachdenken und dann labern !
Aus Vorkommentar 58 ist bereits zu ersehen, daß der Finanzeinsatz,der aufzubringen , ist, um einen zumeist aus Schwellenländern kommenden Migrant hier im Land zu alimentieren , ca. 1000 Mal höher ist, als beim gleichen Migranten , der in seiner Heimat verbleibt und dann EU Entwicklungshilfe erhält oder anders formuliert: Mit dem Geld, daß der Staat hier für einen illegalen Migranten aufwendet, können im Heimatland dieses Migranten nicht einer, sondern mindestens 999 weitere Menschen gestützt werden. Das wissen natürlich auch die Entscheidungsträger von SPD und Grünen. Hier zeigt sich deutlich , daß es nur um Eigennutz geht, wenn gleichwohl illegale Migration , die auch nur diejenigen betrifft, die teure Schlepper vorab finanzieren können, besonders von diesem Milieu gefördert wird. Denn Entwicklungshilfe vor Ort erfolgt ja anonym; es gibt dabei keine konkreten Menschen , die von diesen angeblichen Wohltätern dann in Medien publikumsheischend präsentiert werden können !