MONITOR vom 14.09.2017

Die größte Gefahr ist Gleichgültigkeit: Ágnes Heller im Gespräch

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Bericht: Georg Restle

Die größte Gefahr ist Gleichgültigkeit: Ágnes Heller im Gespräch

Monitor 14.09.2017 02:03 Min. Verfügbar bis 30.12.2099 Das Erste

Georg Restle: „Wenn die Umfragen sich bewahrheiten, zieht am 24. September mit der AfD eine Partei in den Bundestag ein, die mit einem Mann Wahlkampf macht, der die Erinnerungskultur an den Holocaust als „lächerlich“ und „lästig“ empfindet. Für Überlebende des Holocausts ist das eine einzige Zumutung. Für viele Deutsche dagegen gehört die AfD fast schon zur Normalität. Ich habe darüber mit Ágnes Heller gesprochen, eine ungarische Jüdin, die den Holocaust überlebt hat. Eine der wenigen noch lebenden Zeitzeuginnen. Für wie gefährlich hält sie die AfD und die Haltung der Deutschen zu dieser Partei?“

Ágnes Heller, Holocaust-Überlebende: „Die größte Gefahr ist Gleichgültigkeit, die größte Gefahr ist, sich nicht bewusst zu sein, dass eine Gefahr überhaupt existiert und gibt in Europa. Das ist die größte Gefahr. Wenn man die Gefahr sieht, dann kann man es vermeiden. Dann kann man etwas gegen diese Gefahr tun. Wenn man es nicht sieht, wenn man so bequem ist und sagt, alles ist passiert, alles wird doch nicht schief gehen und alles gut gehen, dann wird die Gefahr wirklich bedrohlich sein. Das ist die größte Gefahr - Gleichgültigkeit.“

Georg Restle: „Gleichgültigkeit wovor?

Ágnes Heller: „Gleichgültigkeit, das heißt, man will es nicht wissen, wo man lebt. Man will es nicht erkennen, was unsere eigene Vergangenheit gewesen war.“

Ágnes Heller: „Thomas Mann sagte: Achtung Europa! Damals. Das würde ich nur wiederholen. Achtung Europa in dieser Hinsicht. Achtung in Deutschland auch, wegen dieser Phänomene, was jetzt hier passiert.

Ágnes Heller: „Die Geschichte wiederholt sich nicht, aber etwas Schlimmes kann doch passieren, wenn auch die Geschichte sich nicht wiederholt. Man kann immer neue Tragödien erfinden. Da braucht man nicht die alten zu wiederholen. Und das eine sage ich ja: Gebt Acht! Das ist die einzige Sache, die ich sagen kann.“

Stand: 12.09.2017, 14:34 Uhr

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5 Kommentare

  • 5 OberstMeyer 16.11.2017, 19:08 Uhr

    Sie spricht ein Grundübel deutscher Verhaltensweisen an, erst Gleichgültigkeit, dann mit der Meute mitmachen. Da zeigt sich der verschluckte Stock, mit dem man einst geprügelt. Und Adolph hat dann ganze Arbeit geleistet. Schon mein Vater hat als gezwungener Weltkriegsteilnehmer andere gefragt, wo sie im Krieg gewesen seinen und was sie gesehen haben. Keiner hatte je was gesehen, worauf er sie anhand eigener Erlebnisse an benannten Orten in der SU der Lüge bezichtigte. Er wurde im Weiteren zumeist gemieden.

  • 4 Miriam S 03.10.2017, 15:25 Uhr

    surtout pas l´indifference ist ebenfalls ein Chanson, das nach Text und Komposition hier stehen könnte. JJ Goldman ist selbst jüdischer Herkunft und ruft in seinen Chansons auf zu menschlichem Verhalten und Leben...und zur Versöhnung warum hat man ihn in Deutschland vergessen nach kurzer Zeit?

  • 3 Miriam S 03.10.2017, 14:49 Uhr

    mit dem "nie wieder" müsste sich eng verbinden jede Art der Gewaltlosigkeit. und da hat nicht nur die Politriege mit Abrüstung und Zurückhaltung beim Waffenexport noch vieles aufzuarbeiten. Auch eine verbale Abrüstung sollt dem vorausgehen... mir geht das Chanson von JJGoldman durch den Kopf, für Versöhnung und VERZEIHEN steht er ein mit seinem Chanson: né en 17 à Leidenstadt oder mit "pas toi": https://www.youtube.com/watch?v=x4GbUTj3HAI né en 17 à leidenstadt https://www.youtube.com/watch?v=ySZBnMukO8g comme toi

  • 2 Alfons 16.09.2017, 13:03 Uhr

    Der Schluss des Interviews hat, mich ehrlich gesagt, ziemlich beunruhigt. Denn auch ich neige dem Gefühl zu, dass sich die Geschichte zwar nicht wiederholt, aber man kann tatsächlich wohl immer wieder neue Tragödien erfinden. Danke für den Beitrag. Vor allem, weil solcher Umgang mit der deutschen Vergangenheit sonst kaum einmal vorkommt. Alles soll überwundene Vergangenheit sein, ohne kritischen Blick in eine möglicherweise beängstigende Zukunft.

  • 1 K. 16.09.2017, 12:32 Uhr

    Damals wie auch heute haben sehr viele Menschen vergessen wie wichtig das von Gott uns geschenkte Leben ist. Der von Gott und Natur uns Menschen gegebene Auftrag ist Gott (bei vielen Christen Gott genannt, in anderen Glaubensgemeinschaften anders genannt) und dessen Natur zu dienen und das von ihm geschaffene Werk zu schützen sowie zu erhalten. Zu diesem Auftrag gehört nicht Verbrechen zu üben und / oder verbrecherische Handlungen anderen Menschen aufzuerlegen. Dazu gehört es aber auch nicht Menschen einer bestimmten Glaubensgemeinschaft oder einer bestimmten Volksgemeinschaft mit einer Kollektivschuld zu belasten. Erst recht Menschen, welche zur Zeit des Krieges als Kleinkind lebten oder erst nach dem Krieg geboren sind, sind unschuldig an den Verbrechen von Politiker und deren Nachläufer während der schrecklichen Zeit. Die Politiker täten gut daran dass so etwas nie wieder geschieht. Somit muss endlich diese kriegstreibende Hetze bestimmter Politiker / Journalisten beendet werden.