Pressemeldung vom 17.05.2018

Bundesregierung spart jährlich 25 Milliarden durch Herunterrechnen der Hartz IV-Sätze

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Die Bundesregierung hat in den letzten Jahren den Regelsatz für Hartz IV-Empfänger systematisch nach unten gerechnet – mit weitreichenden Folgen auch für Rentner und Einkommenssteuerzahler.  Nach Berechnungen des ARD-Politmagazins MONITOR spart sie damit insgesamt 25 Milliarden Euro pro Jahr.

Hartz IV

Die Bundesregierung hat in den letzten Jahren den Regelsatz für Hartz IV-Empfänger systematisch nach unten gerechnet.

Der Regelsatz für erwachsene Hartz IV-Empfänger beträgt 416 Euro im Monat. Ein Betrag, der den wenigsten Empfängern auch „ein Mindestmaß an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben“ ermöglicht, wie es das Bundesverfassungsgericht eigentlich fordert. „Das ist mit den Regelsätzen, die wir jetzt haben, mit Sicherheit nicht mehr der Fall“, kritisiert der ehemalige Vorsitzende am Landessozialgericht Hessen, Jürgen Borchert, die Höhe des Regelsatzes. Viele Sozialexperten in Deutschland sehen das genauso.

Dass der Satz so niedrig ist, hat einen Grund: Das Vorgehen der Bundesregierung. Ursprünglich galten als Grundlage für die Hartz IV-Sätze die Ausgaben der einkommensschwächsten 20% der Gesellschaft. Eine Zahl, auf die sich auch die Bundeskanzlerin noch in diesem Jahr öffentlich bezog. Danach käme man auf einen Regelsatz von 571 Euro monatlich. Allerdings wurde die Berechnungsgrundlage schon 2011 verändert: Statt der unteren 20 % gelten heute nur noch die Ausgaben der unteren 15 % der Bevölkerung als Grundlage für die Berechnung des Regelsatzes für Erwachsene. Außerdem werden zahlreiche Ausgaben nachträglich nicht anerkannt und entweder ganz oder teilweise gestrichen. Dies betrifft vor allem die statistischen Ausgaben für Verkehrsmittel, Gaststättenbesuche, Reisen, Tabak oder Alkohol. Dabei spielt es keine Rolle, ob das Geld am Ende tatsächlich dafür ausgegeben wird oder nicht.

Nach Ansicht der Bundesregierung seien das Ausgaben, die „nicht zum soziokulturellen Existenzminimum zählen oder (…) nicht anfallen“. Gegenüber MONITOR macht sie zudem eine erstaunliche Aussage. Demnach müssten nicht „alle zur Verfügung stehenden Daten vollständig verwendet werden“, die bei der Erhebung gewonnen werden.

Dr. Irene Becker ist Expertin für Verteilungsforschung. Sie nennt das Vorgehen der Bundesregierung „methodisch unsauber“. Das Ziel, das Existenzminimum zu errechnen, werde durch die Kürzungen systematisch unterlaufen. Auch weil so genannte „verdeckt Arme“ bei den Berechnungen nicht herausgerechnet werden. „Verdeckt Arme“ sind Menschen, die eigentlich ein Anrecht auf Sozialleistungen haben, aber keine beantragen. Das sind immerhin 40% aller Menschen, die derartige Ansprüche geltend machen könnten. Durch solche Rechentricks werde der Regelbedarf weiter abgesenkt.

Insgesamt belaufen sich die Einbußen für Hartz IV-Empfänger und Rentner auf rund 10 Milliarden Euro jährlich, wenn man den Betrag von 571 Euro mit dem derzeit gültigen Satz von derzeit 416 Euro monatlich vergleicht. Die Bundesregierung räumt dazu gegenüber MONITOR ein, die Frage der Höhe des Regelbedarfs und des soziokulturellen Existenzminimums sei „nicht vorrangig eine Frage des Berechnungsverfahrens – sie muss politisch beantwortet werden.“

Sozialexperten wie Prof. Stefan Sell von der Hochschule Koblenz vermuten hinter dem Vorgehen der Bundesregierung noch einen anderen Grund: drohende Einbußen bei der Einkommensteuer. Der Grundfreibetrag, also der Betrag, bis zu dem keine Einkommensteuer gezahlt werden muss, leitet sich nämlich aus dem Hartz IV-Satz ab. Dementsprechend würde sich der Freibetrag bei jedem Einkommensteuerpflichtigen schlagartig deutlich erhöhen: 155 Euro monatlich mehr Hartz IV hießen 1.860 Euro pro Jahr mehr Freibetrag für jeden Steuerzahler. Der Fiskus würde nach MONITOR-Berechnungen dadurch 15 Mrd. Euro pro Jahr verlieren. Prof. Stefan Sell hält dies für den zentralen Grund, „warum die Politik eine Anhebung der Hartz IV-Sätze scheut wie der Teufel das Weihwasser“.

Stand: 17.05.2018, 06:00 Uhr

Kommentare zum Thema

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85 Kommentare

  • 85 Alexander Schröpfer 19.02.2020, 12:30 Uhr

    Fortsetzung des vorherigen Kommentars: Ein Text ans Gericht, mit dem Inhalt, ich will meine unveräußerlichen Grundrechte gewährleistet wissen, ich fordere sie ein. Sie als unabhängiger grundgesetz- und verfassungstreuer Richter, sind in der Lage für die Gewährleistung zu sorgen, ist weder unzumutbar noch unmöglich. Sprechenden/ schreibenden Menschen kann geholfen werden. Das keine 80 Millionen Grundrechtsgewährleistungsklagen dort liegen, scheint es wohl kaum Opfer zu geben. [Link entfernt. Bitte beachten Sie unsere Netiquette - Anm. der Redaktion]

  • 84 Alexander Schröpfer 19.02.2020, 12:29 Uhr

    Ich wage mal den Pressesprecher des Bundessozialgerichts zu zitieren: "Alles, was hier ankommt wird gelesen und zur Kenntnis genommen, wir können aber nur dann über Dinge Urteilen und etwas klar stellen, wenn es überhaupt bei uns ankommt." Und was ist ein deutlicheres Indiz dafür, kein Einzelfall zu sein, als ein laufendes AZ mit einer 6 stelligen Nummer! Solange, wie bei Betroffenen aus Angst, Bequemlichkeit oder wg. "es lohnt sich ja doch nicht" schon auf den ersten Schritt des Weges verzichtet wird, verändert sich nur ganz wenig und selbst aufopfernde "Lobbyisten" haben dann keine "vorzeigbaren gleichen Fälle" um eben "System" dahinter nachzuweisen. Eine kritische Masse in der BRD ist bei 15.000 Betroffenen erreicht. Wer diese nicht hin bekommt, zählt üblich, sofern das Problem nicht absoluten Seltenheitswert hat, nicht einmal als ernst zu nehmende Minderheit. Weiter im weiteren Kommentar

  • 83 Kriedel,Frank 18.02.2020, 10:20 Uhr

    Es ist eine Politik der Schande und Unehrenhaftigkeit der Merkelregierung gegenüber ihrer eigenen Bevölkerung und zeigt uns Deutschen,welchen Stellenwert die Menschen,die für Deutschland arbeiten und dann in diese Notlage geraten,haben! Es ist das Geld,welches Merkel verwendet,um großzügig Wirtschaftsmigranten zu finanzieren und in der ganzen Welt zu verteilen,damit es kein Deutscher bekommt

  • 82 Werner Kulka 16.12.2019, 11:39 Uhr

    Nicht nur durch herunterrechnen, sondern auch durch die oft rechtswidrigen Sanktionen, und nicht zu vergessen, die Anrechnung von Zuwendungen jeglicher Art.

  • 81 Claudia Letz 09.12.2019, 12:16 Uhr

    Genauso geht es aber den meisten Leiharbeitern und Menschen in Billig-Lohn-Jobs. Da reicht das Geld auch nicht für ein würdevolles Leben. Und die Unsicherheit ob man diese Arbeit morgen noch hat oder nicht selbst beim Arbeitsamt mit aufstockend Hartz (weil das Arbeitslosengeld nicht austeicht) vorstellig werden muss, trägt auch nicht wirklich zur physischen und psychischen Gesundheit bei. Überwiegend befristete Arbeitsverhältnisse tun ein Übriges. Und obwohl man nun bis 67 arbeiten darf ist man doch ab spätestens 50 fast nicht mehr vermittelbar....

  • 80 Christian 09.12.2019, 11:48 Uhr

    Man muß hierbei aber auch erwähnen, das gerade die untere Soziale Schicht sich jahrelang nicht an Wahlen beteiligt hat. Man hätte durchaus die Situation verändern können.

    • Gabi 03.01.2020, 02:09 Uhr

      Weshalb bezeichnen Sie Hartz4-Empfänger u. Rentner, um die geht es hier ja, pauschal als Soziale- Unterschicht? Das ist höchstgradig diskriminierend!

  • 79 Anonym 09.12.2019, 09:43 Uhr

    Ich finde es beschäment, wie von Regierungsseite getrickst wird und ebenso beschäment wie die Opposition hier ihren Shop NICHT macht.

  • 78 Rene 09.12.2019, 06:43 Uhr

    Naja die Wirtschafts Flüchtlinge die zu uns kommen und nicht arbeiten wollen ,wollen ja auch von was leben.

  • 77 Breuer 13.11.2019, 20:59 Uhr

    Was wir noch selber vom Lebensunterhalt zahlen müssen ist Strom . Anziezachen . Lebensmittel. Und so weiter . und man muss immer überlegen was man holt und nicht holt

  • 76 Uwe Egon Obertowski 12.11.2019, 14:19 Uhr

    Es überrascht mich in keiner Weise. Für mich ist jeder Politiker ein Krimineller, sofern nicht dem Gemeinwohl gedient wird. Bei Wahlen behalte ich meine Stimme. [Link entfernt. Bitte beachten Sie unsere Netiquette - Anm. der Redaktion]

  • 73 Ein Steuerzahler aus NRW 17.11.2018, 15:33 Uhr

    Ich hoffe das man bei Hartz V, um die Weiterentwicklung mal so zu nenne, endlich mal dafür sorgt, das die Leistungsempfänger mal wieder Arbeiten müssen. D.H. - Abschaffung allen Schonvermögens, Wohneigentum geht an den Staat und wird zur Deckung der Kosten verwendet. - 100% Sanktion schon ab Leistungsbezug - Erfassung aller Zuflüsse seit dem Eintritt ins Arbeitsleben. Davon wird der Mindestfreibetrages / der üblichen Hartz IV Satzes abgezogen und das was Übrig bleibt auf den 30% Luxus-Aufschlag angerechnet. Sinn ist, der der immer "Party" gemacht hat soll nicht besser gestellt sein als der der Vermögen geschaffen hat. - Einbeziehung aller Renten, alles was zu einer Rente über der Sozialrente führt ist ab zu schmelzen. - bei Klagen von Hilfeempfänger sind im voraus die Kosten zu entrichten um Klagehansel zu bändigen. Rechtsschutzversicherungen im SGB II Bereich werden untersagt. - Beschränkung der Gesundheitsversorgung auf Notfallmedizin. - Schulbesuch wird begrenzt auf Hauptschule.

    • Gabriele Lorber 21.12.2018, 09:10 Uhr

      Ich bin ja dafür, dass endlich alle "Leistungsträger " unter sich bleiben. Also meine Herrschaften, alle auf eine Insel und Sie´sehen mal zu wie Sie alleine klar kommen.

    • Anonym 16.10.2019, 09:26 Uhr

      Warum nicht gleich "Rübe ab"?

    • Ein Steuerzahler aus H. 16.11.2019, 16:16 Uhr

      Ist das jetzt sarkastisch gemeint oder war das ihr Ernst?

    • Sunny 22.11.2019, 04:17 Uhr

      Wow! So ein asozialer Kommentar... Ganz ohne anstößge Worte ein Hassposting. Alle Achtung!