Interview vom 19.09.2013

MONITOR-Interview: Benoît Lallemand - Finance Watch

Kommentieren

MONITOR-Interview: Benoît Lallemand - Finance Watch

Monitor 19.09.2013 04:40 Min. Verfügbar bis 19.09.2099 Das Erste

Was für eine Krise? Bundesregierung blockiert effektive Bankenregulierung

MONITOR-Interview mit Benoît Lallemand, Finance Watch.

11 Uhr morgens: Benoît Lallemand läuft durch Brüssel. Benoît ist Finanzfachmann, mit seiner Organisation „Finance Watch“ kämpft er für die Rechte der Steuerzahler. Fünf Jahre nach der Finanzkrise fällt sein Fazit enttäuschend aus: Die EU habe hauptsächlich Aktionismus betrieben.

Benoît Lallemand: "Man hat nach der Finanzkrise in Brüssel eine Riesenmaschinerie angeworfen, aber nur Papier produziert. Wir drängen jetzt auf eine wirkliche Regulierung des Finanzmarktes. Die EU hat in den letzten fünf Jahren nichts wirklich gemacht. Wir glauben, dass jederzeit eine neue Krise möglich ist, mit Konsequenzen, schlimmer als die beim letzten Mal."

12.30 Uhr: Eine neue Kampagne will er lostreten. Das europäische Parlament. Hier müssen die meisten Finanzregeln mitbeschlossen werden. Viel ist hier gefordert worden, aber auf Druck einzelner Staaten wieder in den Schubladen verschwunden. Benoît kämpft gegen eine Riesenmaschinerie. Eine Schuldenbremse für Banken zum Beispiel wollte man hier beschließen, am Ende kam sie auf Druck einzelner Mitgliedsstaaten nicht zustande. Ob jetzt die neuen Broschüren helfen?

Benoît Lallemand: "Wir hätten uns sicher gewünscht, dass etwa die Schuldenbremse für die europäischen Banken sofort geregelt worden wäre, am besten direkt von der Kommission. Aber das haben zwei große Mitgliedsstaaten gebremst, die wollten auf Zeit spielen. Eine sofortige Einführung einer Schuldenverordnung, das wäre ein großer Schlag gegen die Bankenlobby gewesen, mit weitreichenden Folgen."

14 Uhr: Benoît läuft weiter, Auftakt zur Konferenz mit Finanzlobbyisten, Benoît hat sich Unterstützung von Kollegen geholt, die benötigt er: Fragen: Was soll jetzt eine neue Kampagne, es ist eine der hunderten typischen zähen Konferenzen in Brüssel, mühsame Überzeugungsarbeit, Millimeter für Millimeter. Mehr Regulierung, bessere Verordnungen, Benoît erläutert, die Begeisterung hält sich in Grenzen. Am Ende vertagt man sich, man will mit anderen Experten sprechen, die kleine EU funktioniert genauso wie die große.

Benoît Lallemand:: "Die Kommission hat auf Druck der Mitgliedsstaaten immer wieder Expertengruppen eingesetzt, das klingt gut, verzögert aber alles. Und dann haben sie nach Jahren der Expertenarbeit am Ende so etwas wie den Vorschlag, Geschäfts- und Investmentbanken zu trennen. Was macht Deutschland? Es wartet auf die Expertenkommission und sagt danach, nein, der Vorschlag geht zu weit, wir regeln das national, und das auf einem internationalen Markt."

15.30 Uhr: Benoît muss zur Telefonkonferenz ins Büro. 28 Mitgliedsstaaten hat die Europäische Union, in jedem dieser Länder wollen Politiker überzeugt werden, Strategiebesprechungen mit drei Mitarbeitern vor Ort: Wen muss man für die Kampagne gewinnen? Und vor allem wie? Die Probleme sind klar: Die Schuldenbremse, das Trennbankensystem und ja, auch beim Derivatehandel, sagt Benoît müsse dringend nachgebessert werden.

Benoît Lallemand: "Es genügt hinten und vorne nicht, was wir an Regulierung haben, und es ist schwierig, das den Leuten überall zu vermitteln. Sehen Sie sich nur mal den Handel mit Derivaten an, ja, da gibt es mittlerweile eine Regelung, aber das ist als hätten sie einen Riesenvulkan und sie fangen an, da Beton reinzuschütten, das hilft für eine gewisse Zeit. Wenn der Vulkan wieder explodiert, also der Derivatehandel, hilft das alles nichts. Und wir müssen die Leute davon überzeugen, dass man die Probleme von Grund auf lösen muss."

17.00 Uhr: Kaffeetermin vor der europäischen Kommission. Wenn etwas in Brüssel funktioniert, dann auf dieser informellen Ebene. Was hat man zu erwarten? Worüber wird auf den Gängen der Kommission gesprochen? Wobei bei der zentralen Regelungsbehörde noch die geringsten Probleme liegen. Die Finanzmarktregulierung in Brüssel sei bisher an nationalen Egoismen gescheitert.

Wir haben am wenigsten Probleme mit der Kommission selbst, das Problem sind die Nationalstaaten, da gibt es viele, vor allem auch Deutschland, die alles, was Bankenregulierung betrifft, in nationalen Souveränität behalten wollen. Das ist das eigentliche Grundproblem. Wenn wir wirklich etwa ändern wollen, müssen diese Staaten Macht und Geld nach Brüssel abgeben.

Und so läuft er weiter und weiter. Viel Wesentliches hätte man in den letzten fünf Jahren machen können. Dass Staaten wie Deutschland bisher vieles verhindert hätten, sagt Benoît, sei kein Grund, jetzt aufzugeben. Aber leichter sei es dadurch nicht geworden

Stand: 07.11.2013, 00:00 Uhr

Kommentare zum Thema

Kommentar schreiben

Unsere Netiquette

*Pflichtfelder

Die Kommentartexte sind auf 1.000 Zeichen beschränkt!

Noch keine Kommentare