Hart aber fair 360 mit Robert Habeck
Eine Talkshow ist turbulent. Oft bleibt während der Sendung keine Zeit, Aussagen oder Einschätzungen der Gäste gründlich zu prüfen. Deshalb hakt HART ABER FAIR nach und lässt einige Aussagen bewerten. Die Antworten gibt es hier im Faktencheck.
Mercosur-Abkommen
Im Gespräch zwischen Robert Habeck und der Landwirtin Marie Hoffmann fällt das Stichwort „Mercosur-Abkommen“. Laut des Wirtschaftsministers kann das Handelsabkommen die deutsche Landwirtschaft noch nicht belasten, da es bisher nur eine formale Einigung gibt.
Das EU-Mercosur-Abkommen ist ein Freihandelsabkommen zwischen der EU und den Mercosur-Staaten Brasilien, Argentinien, Uruguay und Paraguay. Rund 25 Jahre lang wurde verhandelt, Anfang Dezember 2024 gab dann EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen eine Einigung bekannt.
Mit dem Abkommen sollen die Zölle zwischen der EU und den Partner-Staaten weitgehend abgebaut werden. Zu den betroffenen Gütern gehören zum Beispiel europäische Autos oder südamerikanische Agrarprodukte. Nach Berechnungen der EU-Kommission ergeben sich für europäische Exporteure dadurch jährliche Einsparungen in Höhe von rund vier Milliarden Euro.
Derzeit wird das Abkommen juristisch geprüft. Vor einer Unterzeichnung müssen auch noch die EU-Mitgliedstaaten zustimmen.
Teilweise regt sich schon Widerstand gegen das Abkommen. Europäische Landwirte, auch deutsche, haben Angst vor zusätzlicher Konkurrenz aus Südamerika. Ein Hauptkritikpunkt: In Südamerika würden die EU-Standards beim Verbraucherschutz nicht eingehalten.
Das Bundeswirtschaftsministerium betont hingegen, dass der EU-Markt für landwirtschaftliche Produkte nicht vollständig geöffnet wird. Stattdessen sollen Quoten eingeführt werden, etwa bei Rindfleisch, wo die Einfuhrmenge auf 99.000 Tonnen zum geringen Zollsatz von 7,5 Prozent begrenzt werden soll.
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Abschiebungen von Straftätern
In der Sendung wird Robert Habeck vorgeworfen, die Grünen würden sich gegen die Abschiebung von straffällig gewordenen Asylbewerbern stellen.
Im Parteiprogramm der Grünen zur Bundestagswahl heißt es dazu: „Ausreisepflichtige, die schwere Straftaten begangen haben, müssen nach Verbüßung ihrer Strafen prioritär zurückgeführt werden.“
Deutlicher wurde Habeck in seinem „Zehn-Punkte-Plan für eine bessere Sicherheit“, den er Anfang Februar vorlegte: „Nichtdeutsche Gefährder und Schwerkriminelle müssen konsequent abgeschoben werden. Bestehende Hindernisse, wie fehlende Kooperationsbereitschaft der Herkunftsländer, müssen aus dem Weg geräumt werden. Diese Menschen sind in dem verfassungsrechtlich zulässigen Rahmen in Haft zu nehmen.”
Auch das „Vollstreckungsdefizit“, von dem Grünen-Spitzenpolitiker zuletzt wiederholt sprachen, war für Habeck gegenüber der „Bild“-Zeitung ein zentraler Punkt. Dort betonte er: „Wir dürfen nicht hinnehmen, dass in Deutschland über 170.000 Haftbefehle nicht vollstreckt wurden – davon über 14.000 wegen Gewaltdelikten.“ Daher fordert er eine „Vollstreckungsoffensive“ mit einem „Schwerpunkt auf Islamisten und anderen Extremisten“. Abweisungen an deutschen Grenzen schloss Habeck hingegen aus.
Habecks Kurs in der Asylpolitik wird innerhalb der Partei allerdings kontrovers diskutiert. So stimmten etwa die Grünen im Europaparlament letztes Jahr gegen die EU-Reform zum Aufbau eines gemeinsamen europäischen Asylsystems. Die Grüne Jugend veröffentlichte – in Abgrenzung zu Habeck – ein eigenes Papier mit dem Titel „Humanität durch Sozialstaat“.
Medienberichten zufolge haben zuletzt mehr als 200 Parteimitglieder dem Kanzlerkandidaten in einem Brief vorgeworfen, „rechte Narrative“ zu bedienen. In dem Schreiben heißt es demnach: “Strengere Asylpolitik macht Deutschland nicht sicherer. Abschiebungen verhindern keine Morde. Wir brauchen und wollen keine strengere Asylpolitik."
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Tempolimit auf Autobahnen
Einer der Diskutanten sagt im Gespräch mit Robert Habeck, in Deutschland – einem Land ohne generelles Tempolimit auf Autobahnen – gebe es viel weniger Verkehrstote als in anderen europäischen Ländern, in denen ein Tempolimit gelte. Auch erhöhten andere Länder inzwischen wieder ihre Tempolimits.
Das European Road Safety Observatory (ERSO) veröffentlichte 2024 seine erhobenen Daten aus dem Jahr 2022. Diese zeigen, dass Deutschland bei der relativen Zahl der Todesfälle auf Autobahnen im europäischen Vergleich im Mittelfeld liegt. Je 1.000 Kilometer Autobahnnetz kam es zu rund 24 Todesfällen.
Rumänien liegt mit 47 Toten an der Spitze in Europa, gefolgt von Slowenien und Bulgarien. Nachbarland Polen liegt mit 36 Todesfällen an vierter Stelle. In all diesen Ländern gilt ein Tempolimit. In Schweden, Dänemark und der Schweiz gab es dagegen die wenigsten Unfälle mit Todesfolge. Schlusslicht Schweden kommt auf durchschnittlich knapp drei Todesfälle bei einem Tempolimit von 120 km/h auf Autobahnen. In der Schweiz und Dänemark gilt ebenfalls ein Tempolimit von 120 bzw. 130 km/h.
Die Höhe der Todesraten lässt sich damit nicht ausschließlich darauf zurückführen, ob ein Tempolimit im Land gilt. Laut Verkehrsforscher Michael Schreckenberg von der Universität Duisburg-Essen können weitere Faktoren wie zum Beispiel der Zustand der Straßen oder die Verkehrsdichte eine Rolle spielen.
Tatsächlich haben einige europäische Länder ihre Tempolimits wieder angehoben. In den Niederlanden beispielsweise war 2019 ein Tempolimit von 100 km/h tagsüber auf Autobahnen beschlossen worden. Als Grund hierfür nannte der damalige Ministerpräsident Mark Rutte allerdings nicht die Zahl der Verkehrstoten, sondern die notwendige Senkung des Ausstoßes von Stickoxiden. Ab Mitte 2025 wird die Geschwindigkeitsbegrenzung nun wieder auf 130 km/h angehoben. Die neue Regierung hatte dies als politisches Ziel in ihrem Koalitionsvertrag verankert.
(ergänzt am 15.02.)
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Innere Sicherheit
Einer der Diskutanten sagt in der Debatte über Migration: "Die Zahl der Gruppenvergewaltigungen beläuft sich in Deutschland im statistischen Mittel auf zwei pro Tag. Viele Menschen empfinden ein zunehmendes Gefühl von schwindender innerer Sicherheit."
Den Begriff Gruppenvergewaltigung gibt es in der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) nicht, da er kein „feststehender juristischer Begriff“ ist und sich auch „keiner bestimmten Strafvorschrift zuordnen“ lässt, wie das Bundesinnenministerium schreibt.
Auf Anfrage der AfD-Bundestagsfraktion wurde allerdings eine Sonderauswertung vorgenommen, in der alle Straftaten nach §177 (also auch sexuelle Übergriffe und Nötigungen) aufgeführt werden, die nicht von alleinhandelnden Tatverdächtigen begangen wurden.
Im Sechs-Jahres-Zeitraum von 2018 bis 2023 wurden durchschnittlich 717 dieser Straftaten jährlich begangen. Zu den Tatverdächtigen lässt sich sagen: Im Durchschnitt waren 48,5 Prozent nichtdeutsche Tatverdächtige. Und: Im Durchschnitt waren knapp 18 Prozent der Tatverdächtigen Zuwanderer.
In der Sonderauswertung zu „Gruppenvergewaltigungen“ werden die fünf häufigsten Staatsangehörigkeiten aufgeführt. Während im Zeitraum 2018 bis 2023 durchschnittlich 477 Tatverdächtige Deutsche waren (51,6 Prozent), waren 60 Syrer (6,5 Prozent), 56 Afghanen (6,1 Prozent) und 41 Iraker (4,4 Prozent). Bei den Irakern bezieht sich die Zahl auf einen Fünf-Jahres-Zeitraum, da sie 2018 nicht unter den häufigsten fünf Staatsangehörigkeiten der Tatverdächtigen waren.
(ergänzt am 15.02.)
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