Der Sprung ins Dunkle: Was bringt die Ära Trump?
Der Faktencheck zur Sendung vom 28.11.2016
Die Welt starrt auf den schwarzen Trump-Tower in New York. Wird von dort aus Amerika auf rechts gebürstet? Droht ein Ende des freien Handels, der freien Rede? Dreht Trump auf oder dreht er bei? Und was bedeutet das für uns?
Eine Talkshow ist turbulent. Auch in 75 Minuten bleibt oft keine Zeit, Aussagen oder Einschätzungen der Gäste gründlich zu prüfen. Deshalb hakt "hart aber fair" nach und überprüft einige Aussagen. Die Antworten gibt es hier im Faktencheck.
Don Jordan über Ausgaben der Sicherheitsbehörden
Der US-Journalist Don Jordan vergleicht die Ausgaben der amerikanischen Sicherheitsbehörden mit den deutschen. Er sagt, in Deutschland würden pro Kopf gerade einmal 7,50 Euro für die Sicherheitsbehörden ausgegeben, in den USA seien es weit über 100 Euro.
Das stimmt so nicht. Nach Don Jordans Rechnung würden in Deutschland gerade einmal 600 Millionen Euro für Sicherheitsbehörden ausgegeben. Betrachtet man lediglich die Polizeibehörden und Nachrichtendienste, die dem Bund unterstellt sind (Bundespolizei, Bundeskriminalamt, Bundesamt für Verfassungsschutz und Bundesnachrichtendienst), summieren sich die Ausgaben für das Jahr 2016 auf rund 4,4 Milliarden Euro. Alleine diese Ausgaben entsprechen einer Pro-Kopf-Belastung von 55 Euro. Nähme man noch Behörden und Einrichtungen wie das THW, das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik und das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe, die offiziell ebenfalls zum Bereich "Innere Sicherheit" zählen, hinzu, würde die Zahl sogar noch leicht steigen. Und auch die Ausgaben der Verfassungsschutzbehörden der Länder würden die Pro-Kopf-Ausgaben noch erhöhen, wenn auch nur geringfügig. Die von Don Jordan für Deutschland genannte Zahl würde nur dann zumindest von der Größenordnung grob stimmen, wenn man lediglich den Etat des Bundesnachrichtendienstes heranzöge. Die Pro-Kopf-Belastung bei einem BND-Haushalt von rund 724 Millionen Euro im Jahr 2016 liegt bei 9,05 Euro.
Richtig aber ist, dass die USA für ihre Sicherheitsbehörden pro Kopf wesentlich mehr Geld ausgeben als wir. Für das Jahr 2016 haben die Amerikaner für CIA, FBI und andere umgerechnet 50,8 Milliarden Euro ausgegeben. Bei 325 Millionen Einwohnern macht dies eine Pro-Kopf-Belastung von 156 Euro. Nicht berücksichtigt sind dabei die Ausgaben militärischer Geheimdienste wie NSA und DIA.
Carolin Roth und Don Jordan über Interessenkonflikte
Die Finanzjournalistin Carolin Roth befürchtet, dass der Präsident Trump in viele Interessenkonflikte mit dem Wirtschaftsunternehmer Trump geraten wird. Don Jordan hält dagegen, dies würde durch die Verfassung der USA ausgeschlossen. Besteht die Gefahr solcher Interessenkonflikte?
"Mehrere verfassungspolitische Vorkehrungen sollen möglichen Interessenkonflikten des Präsidenten vorbeugen", sagt Boris Vormann, Professor für Politikwissenschaften an der FU-Berlin. So verbieten etwa Klauseln gegen Vetternwirtschaft die Aufnahme von Familienmitgliedern in das Kabinett, erklärt der Experte. "Zudem ist es bislang unhinterfragte politische Praxis gewesen, als Präsident das eigene Vermögen abzustoßen oder von anderen verwalten zu lassen. Donald Trump bricht mit dieser Tradition. Seine Kinder sollen die Trump Organisation weiterführen, seine Tochter Ivanka Trump aber dennoch strategisch beratend an der Seite des Vaters weiterwirken." Ihrem Mann Jared Kushner werde sogar eine wichtige außenpolitische Rolle zugedacht. Hinzu komme, dass die Geschäfte Trumps von ausländischen Banken mitfinanziert werden, unter anderem von der Deutschen Bank und der Bank of China, so Vormann. Er stellt klar: "Derlei finanzielle Abhängigkeiten eines Präsidenten sind verfassungsrechtlich verboten." Trump habe aber noch nicht abschließend geklärt, wie er diesen Widerspruch auflösen möchte. Interessenkonflikte bestehen nach Ansicht Vormanns auch bei seinen Immobilien- und Handelsgeschäften in über einem Duzend anderer Länder, die seine wirtschaftlichen Geschicke vom Wohlwollen ausländischer Regierungen und Unternehmen abhängig machen.
Cem Özdemir über die Macht von Donald Trump
Cem Özdemir (Bd. 90/Grüne) glaubt, dass Donald Trump eine Machtfülle haben wird, wie kaum ein anderer Präsident vor ihm. Hat er Recht?
Dass ein Präsident beide Kammern des Kongresses auf seiner Seite hat, sei nicht selten, sagt Boris Vormann. "Das letzte Mal war dies bei Barack Obama zwischen 2009 und 2011 der Fall, zuvor bei George W. Bush in den Jahren 2003-2007.“ Tatsächlich aber könne die Regierungszeit Trumps sehr nachhaltig wirken, da auch der vakante neunte Sitz im Obersten Gerichtshof von ihm benannt werden wird, sagt Vormann. "Hinzu kommt, dass drei weitere der auf Lebenszeit berufenen Richter über 77 Jahre alt sind und noch während seiner Amtszeit abtreten könnten." Dennoch dürfte Trump nach Ansicht von Vormann nicht ganz ohne Gegenwehr regieren können. Zwar sei er der Republikanischen Partei tatsächlich nichts schuldig, wie Cem Özdemir sagt, es gebe aber auch keinen Fraktionszwang: "Viele Abgeordnete und Senatoren haben sich von Trump im Wahlkampf abgewendet. Der gegenwärtige Opportunismus Vieler kann schnell kippen: Sollte Trumps Politik ins Straucheln geraten oder keine Erfolge bringen, könnte sich die Kluft zwischen Establishment und Trump-Anhängern rasch vertiefen", sagt Vormann. Dies werde schon bei der Kabinettsbildung deutlich: "Trump muss nun ultra-rechte Kräfte und moderate Republikaner an einen Tisch bringen. Diese Spannungen werden nach Trumps Amtsantritt am 20. Januar fortbestehen", so die Prognose des USA-Experten.
In der internationalen Politik werde Trump vor allem durch existierende Arrangements und Machtverhältnisse politisch gebunden sein, glaubt Vormann. Sollte es zu keiner Ausnahmesituation kommen, sei zu erwarten, dass sich Trump international auf Symbolpolitik beschränken wird. "Stattdessen wird seine Regierung sich, der Kabinettszusammenstellung nach zu urteilen, auf eine wirtschaftlich ultraliberale Innenpolitik mit autoritären sicherheitspolitischen Zügen konzentrieren", sagt Boris Vormann.
Volker Kauder über US-Importe
Volker Kauder (CDU) erinnert daran, dass auch die USA etwas zu verlieren haben, sollte Donald Trump seine Ankündigung wahr machen und den freien Handel zugunsten der US-Wirtschaft einschränken. Immerhin exportierten die Amerikaner Waren im Wert von 60 Milliarden Dollar alleine nach Deutschland.
Die Größenordnung stimmt. Laut statistischem Bundesamt führte Deutschland im Jahr 2015 Waren aus den USA im Wert von 60,2 Milliarden Euro (rund 64 Mrd. US-Dollar) ein. Mehr Importe nach Deutschland gab es nur aus China (91,9 Mrd. Euro), den Niederlanden (87,9 Mrd.) und Frankreich (66,8 Mrd.). Zum Vergleich: Deutschland selbst exportierte im vergangenen Jahr Waren im Wert von 113,7 Milliarden Euro in die USA. Damit sind die Vereinigten Staaten vor Frankreich und Großbritannien der wichtigste Absatzmarkt für deutsche Produkte.
Stand: 01.11.2016, 10:37 Uhr