Volksabstimmung für alle – sind Bürger die besseren Politiker?

Der Faktencheck zur Sendung vom 31.10.2016

Die CSU stimmt gerade darüber ab, andere Parteien sind klar dafür, die CDU dagegen: Volksabstimmungen auch im Bund. Wird damit der Wutbürger befriedet, die Demokratie belebt? Oder drohen dann der Durchmarsch der Populisten und mehr Druck auf Minderheiten?

Eine Talkshow ist turbulent. Auch in 75 Minuten bleibt oft keine Zeit, Aussagen oder Einschätzungen der Gäste gründlich zu prüfen. Deshalb hakt "hart aber fair" nach und überprüft einige Aussagen. Die Antworten gibt es hier im Faktencheck.

Bürgerbegehren zur Flüchtlingspolitik

Wie angekündigt, hier noch einmal ein Überblick über die Bürgerbegehren, die sich mit dem Thema Flüchtlingsunterkünfte befasst haben.

Die Universität Wuppertal hat in Zusammenarbeit mit dem Verein "Mehr Demokratie" eine Datenbank über Bürgerbegehren in Deutschland erstellt. Sie reicht zurück bis ins Jahr 1996. Im Jahr 2015 wurden insgesamt 21 Bürgerbegehren angestrebt, die sich mit der Unterbringung von Flüchtlingen befasst haben. In drei Fällen wurde für eine Unterkunft entschieden. Alle anderen 18 Fälle sind noch nicht entschieden, scheiterten wegen Formfehlern oder weil zu wenige Bürger ihre Stimme abgaben. Für das Jahr 2016 zählt die Datenbank bislang weitere 16 Verfahren. Einige Ergebnisse sind noch offen, andere Bürgerbegehren waren unzulässig oder wurden abgelehnt. Im Baden-Württembergischen Waldburg entschieden sich die Bürger gegen eine Flüchtlingsunterkunft. Das Bürgerbegehren richtete sich allerdings lediglich gegen einen bestimmten Standort, nicht gegen die generelle Unterbringung von Flüchtlingen. Die Waldburger diskutieren nun über einen alternativen Standort. Da sich allerdings die Flüchtlingssituation in den vergangenen Monaten auch in Waldheim deutlich entspannt hat, ist offen, ob überhaupt noch eine Unterkunft benötigt wird.

Werner Patzelt über die "politische Klasse"

Werner Patzelt beschreibt "politische Klasse" als einen seit 60-70 Jahren in der Politikwissenschaft verwendeten Begriff für Berufspolitiker, die nicht nur für sondern auch von der Politik leben.

Es ist richtig, dass sich die Politikwissenschaft seit vielen Jahren mit der "politischen Klasse" befasst. Der Begriff geht auf den italienischen Politikwissenschaftler Gaetano Mosca (1858-1941) zurück. Er ging davon aus, dass es in allen Gesellschaften zwei Klassen gibt: Die herrschende und die beherrschte, wobei die herrschende stets die Minderheit darstellt. Heutzutage wird in der Politikwissenschaft über den Begriff unter anderem vor dem Hintergrund der Professionalisierung und Karriere in der Politik diskutiert. Insofern trifft Werner Patzelts Beschreibung der politischen Klasse zu. Der Sozialwissenschaftler Bernhard Weßels zählt diejenigen zur politischen Klasse, "die über die politischen Steuerungs- und Eingriffsressourcen verfügen können, damit politische Entscheidungsträger sind und die den typischen Rekrutierungsweg des Berufspolitikers durchlaufen haben." (Weßels, "Zum Begriff der politischen Klasse", 1992) Außerhalb der Wissenschaft wurde und wird das Schlagwort politische Klasse gerne von Medien und Publizistik genutzt. Meist allerdings mit einem negativen Tenor zur Beschreibung von politischen Konstellationen und Zuständen, "um die Abgehobenheit der politischen Eliten zu kritisieren", wie es Claus von Beyme, einer der renommiertesten deutschen Politikwissenschaftler, schon vor über 20 Jahren beschrieb. Insbesondere die Medien hätten zu dieser kritischen Betrachtung des Begriffs der politischen Klasse beigetragen.

Stand: 01.11.2016, 10:37 Uhr