Der Feind in meinem Essen - wie ungesund sind Zucker und Co.?

Der Faktencheck zur Sendung vom 29.08.2016

Schokolade, Ketchup, Säfte – überall Zucker. Und Ärzte warnen: Zucker kann  fett und  krank machen. Aber wie viel versteckten Zucker jubelt uns die Industrie  unter? Helfen Strafsteuern und Verbote? Oder können nur wir selbst die süße Sucht besiegen?

Eine Talkshow ist turbulent. Auch in 75 Minuten bleibt oft keine Zeit, Aussagen oder Einschätzungen der Gäste gründlich zu prüfen. Deshalb hakt "hart aber fair" nach und lässt einige Aussagen von Experten bewerten. Die Antworten gibt es hier im Faktencheck.

Silke Schwartau über die Ausbreitung von Diabetes

Die Verbraucherschützerin Silke Schwartau fordert Maßnahmen zur Reduzierung von Zucker in Lebensmitteln. Sie sieht eine "Diabetes-Epidemie" auf unsere Gesellschaft zukommen. Ist ihre Sorge berechtigt?

Prof. Andreas Fritsche, Diabetologe und Ernährungsmediziner an der Universität Tübingen teilt diese Sorge: "Tatsächlich kommt eine Diabetesepidemie auf unsere Gesellschaft und die Menschheit zu", warnt er und verweist auf eine aktuelle Studie der “NCD Risk Factor Collaboration": "Es wird anhand des größten zur Verfügung stehenden Zahlenmaterials weltweit berichtet, dass die geschätzte Zahl an Diabeteserkrankten im Jahr 1980 108 Millionen betrug und im Jahr 2014 auf 422 Millionen dramatisch angestiegen ist. Dieser Anstieg wird weitergehen", befürchtet Fritsche. Er sieht eines der weltweit größten Gesundheitsprobleme auf uns zukommen.

Unklarheit über Ursachen steigender Diabeteszahlen

"Ob allerdings der Anstieg der Diabeteszahlen durch den erhöhten Zuckergehalt in Lebensmitteln begründet ist und durch eine Reduzierung bekämpft werden kann, ist wissenschaftlich nicht ausreichend belegt", stellt Fritsche klar. Ob jemand an Typ 2 Diabetes mellitus erkrankt, hänge von mehreren Faktoren ab. Darüber hinaus müsse jede Erkrankung individuell betrachtet werden. Dies mache die Vorbeugung und Behandlung so schwierig, so der Experte. "Eine einzige monokausale Ursache und Ansatzmöglichkeit zur Bekämpfung ist somit leider nicht gegeben."

Christian Müller über die Fettsteuer in Dänemark

Christian Müller (CSU) hält eine Fettsteuer für ein Placebo. Auch Dänemark habe eine Fettsteuer wieder abgeschafft, weil die Konsumenten auf andere ungünstige Lebensmittel ausgewichen seien.

Es ist richtig, dass Dänemark die eingeführte Fettsteuer im Januar 2013 nach nicht einmal zwei Jahren wieder abgeschafft hat. Allerdings hatte dies eher politische Gründe. Höhere Preise haben unter anderem dazu geführt, dass immer mehr Dänen fetthaltige Produkte in den Nachbarstaaten Schweden und Deutschland eingekauft haben. Für Produkte mit mehr als 2,3 Prozent gesättigten Fettsäuren zahlten die Dänen 2,15 Euro pro Kilo zusätzlich. Kritiker befürchteten den Verlust von bis zu 1.300 Arbeitsplätzen. Außerdem wurde das Aus mit hohen Verwaltungskosten für die Produzenten begründet.

Studie zeigt positiven Effekt

Dabei zeigt die Studie der Universitäten Oxford und Kopenhagen durchaus einen positiven Effekt auf die Gesundheit der Dänen. Demnach wurden zwischen der Einführung der Fettsteuer und ihrem Ende vier Prozent weniger gesättigte Fettsäuren verzehrt. Gleichzeitig stieg der Konsum von Gemüse. Auf Grundlage dieser Zahlen schätzen die Wissenschaftler, dass eine Fettsteuer pro Jahr 123 Menschen in Dänemark das Leben retten könnte. Richtig ist zwar auch, dass die Dänen auf salzhaltigere Produkte ausgewichen sind. Dennoch überwiege der positive Effekt der Fettsteuer, so die Autoren der Studie.

Tim Mälzer über Kinder und Ernährung

Der Fernsehkoch Tim Mälzer sagt, gerade bei kleinen Kindern sollte auf einen vernünftigen Zuckerkonsum geachtet werden. In diesem Alter werde das Bedürfnis nach Zucker im Erwachsenenleben geprägt. Werden im Kindesalter tatsächlich schon die Weichen für Ernährungsgewohnheiten im Alter gestellt?

"Diese Aussage von Herrn Mälzer ist richtig", stimmt Andreas Fritsche zu. "Die Nahrungsgewohnheiten und das Essverhalten werden im sich entwickelnden Gehirn 'geprägt'." Besonders also bei Kindern, bei denen die Entwicklung der Hirnfunktionen noch am Anfang steht, erklärt der Ernährungsmediziner. Gemeinsam mit anderen Forschern stieß Fritsche jedoch auf Hinweise, dass dieser Prozess schon viel früher im Mutterleib beginnt. "Hier wirkt ein erhöhter Blutzuckerspiegel nach einem Glukosetrunk der Mutter auf die Hirnfunktion bzw. Hirnentwicklung des Fetus, abhängig davon, ob die Mutter Schwangerschaftsdiabetes hat oder nicht." Das Gehirn werde also schon im Uterus geprägt. Wissenschaftler der Humboldt-Universität und der Charité in Berlin hätten dies als eine Ursache für den Anstieg von Adipositas in der Gesellschaft ausgemacht, so der Experte. Er rät: "Mütter sollten also wahrscheinlich schon in der Schwangerschaft auf eine kalorienarme und zuckerreduzierte Kost achten, auch wenn es hierfür noch nicht genügend beweisende Interventionsstudien gibt."

Silke Schwartau über die Wirkung von Traubenzucker

Silke Schwartau sagt, Produkte wie Dextro-Energy, die zu einem Großteil aus Traubenzucker bestehen, helfen in keiner Weise dabei, die Konzentrationsfähigkeit zu steigern. Vielmehr trete das Gegenteil ein, weil der Körper Insulin ausschüttet, um den sprunghaften Anstieg des Zuckerspiegels sofort wieder abzubauen. Hat sie Recht?

Andreas Fritsche gibt Silke Schwartau nur zum Teil Recht. "Richtig ist, dass nach Aufnahme von Glukose, also Traubenzucker, der überwiegend in Dextro-Energy enthalten ist, der Insulinspiegel ansteigt. Insulin ermöglicht die Aufnahme des Traubenzuckers in die Zelle, wo er zu Energie 'verbrannt' wird", erklärt Fritsche. Falsch sei jedoch, dass Traubenzucker nicht dabei helfe, die Konzentrationsfähigkeit zu steigern, sagt der Diabetes-Forscher. Das Insulin, das nach der Aufnahme von Traubenzucker produziert wird, wirke auf Nervenzellen im Gehirn, die für höhere kognitive Funktionen wie Erinnerung, Erkennen und Kombinieren zuständig seien, sagt der Experte. Studien hätten gezeigt, dass ein hoher Insulinspiegel bei gesunden Menschen die Gedächtnisfunktion verbessert, so Fritsche. "Insofern könnte also bei sonst gesunden Menschen die Gedächtnisfunktion über Zuckeraufnahme indirekt über die dann vermehrte Insulinausschüttung und Insulinwirkung im Gehirn eher verbessert werden."

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Stand: 30.08.2016, 15:09 Uhr