Die Methode Trump – erobern Krawallmacher und Populisten die Macht?

Der Faktencheck zur Sendung vom 06.06.2016

Er poltert und beleidigt, ist schrill und politisch unkorrekt: Donald Trump macht in den USA vor, wie Populismus zum Erfolg führt. Funktioniert diese Methode auch bei uns? Und darf ein Politiker alles laut sagen, was manche nur im Stillen denken?

Eine Talkshow ist turbulent. Auch in 75 Minuten bleibt oft keine Zeit, Aussagen oder Einschätzungen der Gäste gründlich zu prüfen. Deshalb hakt "hart aber fair" nach und lässt einige Aussagen von Experten bewerten. Die Antworten gibt es hier im Faktencheck.

Norbert Röttgen über die Methode Trump

Norbert Röttgen sagt, Donald Trump mache bislang keine konkreten Vorschläge zu Problemlösungen. Stattdessen spiele er mit der Frustration der Menschen auf die Politik und schüre damit Angst und Wut. Stimmt seine Einschätzung?

"Dieser Einschätzung stimme ich zu", sagt Manfred Berg, Professor für US-Geschichte in Heidelberg. Trumps Äußerungen zu zentralen Fragen der Innen- und Außenpolitik ließen eine erschreckende Unkenntnis der Probleme erkennen. "Den Klimawandel streitet er ab und möchte die amerikanische Kohleindustrie retten. Gleichzeitig ist er für Erdgas-Fracking, das die Kohlepreise in den USA in den Keller gedrückt hat. Auf alle ökonomischen Fragen fällt ihm nur Protektionismus als Antwort ein, ohne dass er die Folgen für die amerikanischen Verbraucherpreise und den amerikanischen Export, geschweige denn für die Weltwirtschaft, bedenkt." Auch in der Außenpolitik macht Trump nach Ansicht von Berg keine gute Figur, wenn er mit dem sicherheitspolitischen Rückzug Amerikas aus Europa und Asien drohe. Dies hätte laut Berg katastrophale Folgen für die internationale Stabilität. "Auf den Punkt gebracht lautet seine Botschaft, dass ein autoritärer Nationalismus unter seiner Führung die USA nach außen wieder 'groß' und innen wieder 'weiß' machen werde." Berg ist sich jedoch sicher, dass dieser Ansatz keinerlei Problemlösungspotenzial für die Welt des 21. Jahrhundert in sich birgt.

"Norbert Röttgen hat Recht“, sagt auch Dr. Josef Braml, USA-Experte bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik. "Immer mehr weiße Amerikaner haben Abstiegsängste. Sie haben das Gefühl, dass ihnen Afroamerikaner, Latinos und asiatische Einwanderer den Rang ablaufen. Auch Amerikas Position in der Welt scheint gefährdet." Trump verstärke diese Gefühle, so Braml. Gleichzeitig aber gebe er den starken Führer, der einfache, pauschale Lösungen für komplizierte Probleme anbietet, um zunächst hispanische Einwanderer und globale Herausforderer wie China in die Schranken zu weisen. "Obwohl die meisten Probleme Amerikas hausgemacht sind, gibt Trump anderen die Schuld, etwa Einwanderern oder Wettbewerbern. Er schürt negativen Nationalismus, weil er Amerika gegen andere definiert. Mit kräftigen Pinselstrichen malt er die 'gelbe Gefahr' an die Wand", sagt der USA-Kenner. Für den Erfolg im Vorwahlkampf schrecke Trump auch nicht davor zurück, Einwanderer aus Lateinamerika pauschal als "Vergewaltiger und Verbrecher" zu stigmatisieren. Dies aber könnte ihn nach Einschätzung Bramls den Wahlsieg gegen Hillary Clinton kosten. "Doch selbst wenn er am 8. November die Wahl gegen Hillary Clinton verlieren sollte, wird Amerika die Geister, die es rief, so schnell nicht mehr loswerden", befürchtet der Experte.

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Ausweisungsinitiativen der Schweizer

Serdar Somuncu sagt, die Ausschaffungsinitiative der Schweiz führe dazu, dass kriminelle Ausländer ohne "große Gerichtsprozesse" aus der Schweiz ausgewiesen werden können. Hier, wie angekündigt, ein Überblick über die Entwicklung und Inhalte der Ausschaffungsinitiative, der Durchsetzungsinitiative und der ab Oktober geltenden Bestimmungen.

Schon im Jahr 2010 stimmten die Schweizer mit knapp 53 Prozent für die Volksinitiative “Für die Ausschaffung krimineller Ausländer“ (Ausschaffungsinitiative). Sie sah vor, Ausländer, die sich bestimmter Verbrechen schuldig gemacht haben, aus der Schweiz ausweisen zu können. Die Umsetzung dieser Initiative aber sorgte in den folgenden Jahren für Streit. Zwar hat das Parlament ein Gesetz zur Umsetzung der Ausschaffungsinitiative beschlossen, das u.a. durch Anpassungen des Strafgesetzbuches der Volksabstimmung gerecht werden soll. Nach Ansicht der Schweizerischen Volkspartei (SVP) wich die Umsetzung jedoch zu weit vom Kern der Ausschaffungsinitiative ab. Daraufhin initiierte die SVP im Jahr 2012 eine neue Initiative “Zur Durchsetzung der Ausschaffung krimineller Ausländer“ (Durchsetzungsinitiative), die nach Ansicht von Kritikern eine Verschärfung darstellte. Im Februar dieses Jahres verweigerte die Mehrheit der Schweizer dieser Initiative allerdings ihre Unterstützung. Sie sah unter anderem vor, dass ausländische Personen bei bestimmten Straftaten automatisch ausgewiesen werden können. Dabei hätte je nach Fall neben einem ordentlichen Gericht auch ein Strafbefehl der Staatsanwaltschaft ausgereicht, in dem keine Gründe für die Ausweisung hätten genannt werden müssen.

Das ab Oktober geltende Gesetz zur Umsetzung der Ausschaffungsinitiative beinhaltet ansatzweise zwar auch einen Automatismus zur Ausweisung, in Härtefällen aber kann von einer Abschiebung abgesehen werden. Die Entscheidung über eine Ausweisung liegt ausschließlich bei einem Gericht.

Obwohl diese Regelungen als Entschärfung der ursprünglichen Ausschaffungsinitiative betrachtet werden, sehen sie vor, grundsätzlich auch “qualifizierte Störungen des öffentlichen Verkehrs“ mit Ausweisung ahnden zu können. Dies war in der Durchsetzungsinitiative der SVP allerdings gar nicht vorgesehen.

Ingo Zamperoni über die Kontrolle von Donald Trump

Ingo Zamperoni ist sicher, dass ein potenzieller Präsident Trump nicht so gefährlich wäre, wie viele es ihm derzeit unterstellen. Dafür gebe es in den USA das Prinzip der "checks and balances" – das selbst den mächtigsten Mann der Welt im Zaum halten wird. Kann dieses Prinzip auch einen Donald Trump zügeln?

"Für Herrn Zamperonis These spricht, dass das System der 'checks und balances' seit dem späten 18. Jahrhundert meistens funktioniert hat, auch wenn der Bürgerkrieg 1861-1865 hier keine ganz unbedeutende Ausnahme darstellt", stimmt Manfred Berg zu. Viele Beobachter gingen darüber hinaus davon aus, dass Trumps Kandidatur den Republikanern im Kongress eher schaden wird, so dass sie möglicherweise sogar die Mehrheit im Senat einbüßen könnten, so Berg. "Donald Trump, der noch nie ein politisches Amt bekleidet hat und daran gewöhnt ist, als Geschäftsmann Befehle zu erteilen, müsste sich auf eine neue Welt einstellen. Allerdings gibt es für einen Präsidenten, der sich von den 'checks and balances' an die Leine gelegt fühlt, immer die Versuchung, seine Macht und Zustimmung durch außenpolitische und militärische Aktionen zu steigern." Für den USA-Kenner sind die frühen 2000er Jahre unter George W. Bush ein Beispiel dafür, wie das Prinzip der "checks and balances" mit dem Argument der nationalen Sicherheit zumindest zeitweilig ausgehebelt werden können.

Grundsätzlich teilt Josef Braml die Einschätzung von Ingo Zamperoni. "Trump würde als Präsident genauso wie der Amtsinhaber in den meisten Politikfeldern von mindestens einer der beiden Kammern im Kongress - Senat oder Abgeordnetenhaus - blockiert werden." Die Gewaltenkontrolle (checks and balances) funktioniere in der Sicherheitspolitik dagegen nur mäßig. In diesem Politikfeld könne der Präsident mehr oder weniger alles tun und lassen, was er will, erklärt Braml.  "Man denke nur an den Angriffskrieg George W. Bushs gegen den Irak und den globalen Krieg gegen den Terror, der auch von seinem Nachfolger Barack Obama mit geheimdienstlichen Methoden forciert worden ist."

Braml befürchtet, dass auch die von Trump propagierte 'gelbe Gefahr' Chinas künftig dafür herhalten könnte, dass ein Präsident oder eine Präsidentin auch im Inneren mehr Handlungsspielraum erhält. "Schon der amtierende Präsident Obama hat die Bedrohung durch China bemüht, um den Kongress und vor allem seine Parteifreunde davon zu überzeugen, ihm die Autorität zu geben, um international die Transpazifische Partnerschaft (TPP) auszuhandeln, die China ausgrenzt und Amerikas Partner in der Region stärker an Washington bindet", sagt Josef Braml.

Dirk Schümer über Trump als Wahlkämpfer und Präsident

Dirk Schümer sieht in Donald Trump derzeit eher das Talent eines Verkäufers, der sich vor allem selbst vermarktet. Sollte er Präsident werden, werde er diese Strategie allerdings wieder "herunter fahren" und die Politik machen, die die Amerikaner von ihm erwarten – und die werde anders ausfallen, als Trump sie derzeit m Wahlkampf propagiert. Ist damit zu rechnen, dass Trump als Präsident ein anderes Gesicht zeigen wird?

“Niemand kann bestreiten, dass Donald Trump ein Genie der Selbstvermarktung ist, das seine Botschaften ohne Rücksicht auf Fakten oder gar den guten Geschmacks an eine gläubige Anhängerschaft buchstäblich hinausbrüllt“, sagt auch Manfred Berg. Hier allerdings liegt seiner Ansicht nach das Problem von Donald Trump. Der Kandidat der Republikaner habe sich auf so viele haarsträubende Ankündigungen festgelegt – etwa die, dass die Mexikaner selbst für die Mauer zahlen, die Trump an der Grenze zum südlichen Nachbarn bauen will - dass er nur um den Preis einer massiven Enttäuschung seiner radikalisierten Kernanhängerschaft zurückrudern könnte, meint der Historiker.  Eines aber sei richtig: “Wahlkampf und Amtsführung sind zwei Paar Schuhe. Doch ein Kandidat, der als Revolutionär antritt, kann nicht einfach zu ’business as usual’ übergehen.“

Josef Braml stimmt zum Teil zu. "Ja, Donald Trump ist gut aufgestellt, um in der amerikanischen Mediendemokratie für Aufsehen zu sorgen.  Er hat in diversen Reality-TV-Shows sein Handwerk gelernt und eine Kunstfigur, eine Medienfigur, erschaffen." Braml erinnert an Trumps Reality-Show "The Apprentice" (Der Lehrling), in der er mit dem typischen Satz "you are fired" unfähige Arbeitnehmer feuerte. Trump selbst stehe als Ikone für Erfolg, sagt Braml, obwohl er im richtigen Leben viele Misserfolge hatte. "Er pflegt das Medien-Image eines erfolgreichen und mächtigen Geschäftsmannes, der Amerika wieder auf die Erfolgsspur bringen kann. Er will Amerika wieder groß machen: ’Make America great again’ lautet sein Wahlkampfslogan."

Als Präsident jedoch könnte er aufgrund der politischen Systemblockade nicht die Politik machen, die die Amerikaner von ihm erwarten, sagt der USA-Experte. Auch, weil die Amerikaner in ihren Erwartungshaltungen tief gespalten seien.

Stand: 31.05.2016, 12:25 Uhr