Eine Tiefgarage mit parkenden Autos und Markierungen zur Spurensicherung auf dem Boden.

Tiefgaragenmord in Bochum: Als 2023 ein banaler Streit tödlich endete

Bochum | Verbrechen

Stand: 07.04.2025, 17:01 Uhr

Im März 2023 wird ein 58-Jähriger in einer Tiefgarage in Bochum hinterrücks in seinem Auto erschossen. Die Mordkommission geht schnell von einer Hinrichtung aus. Doch als die Ermittler auf das Motiv stoßen, können sie es zunächst kaum glauben.

Von Axel Sommer

1

Der Mord in der Bochumer Tiefgarage

Am 7. März 2023 wird Chef-Ermittler Arndt Mallepree von der Bochumer Kriminalpolizei zu einem Tatort gerufen, wie ihn der 52-Jährige in seiner gesamten Dienstzeit noch nicht gesehen hat: Eine Anwohnerin hat die Leiche eines 58-Jährigen in seinem Auto in der Tiefgarage entdeckt. Der Mann heißt eigentlich anders, um seine Angehörigen zu schützen, nennen wir ihn in diesem Text Christian Neubaum. Der Motor läuft noch. Auf dem Boden liegen sieben Patronenhülsen, abgefeuert aus einer halbautomatischen Pistole. Die erste Vermutung des Ermittlers: eine Hinrichtung aus dem Bereich der organisierten Kriminalität. Doch damit liegt er falsch. Den gesamten Fall siehst du auch bei Lokalzeit MordOrte auf YouTube.

Dreieinhalb Monate vergehen, bis Chef-Ermittler Arndt Mallepree den Täter verhaften kann. Nachdem die Mordkommission im Umfeld des Getöteten ermittelt hat, bleibt nur ein Motiv für die Tat übrig: Rache wegen eines harmlosen Vorfalls im Straßenverkehr. Einige Tage vor der Tat soll ein 27-Jähriger Neubaum auf einer Kreuzung in Dortmund geschnitten haben. Der junge Mann war überzeugt, dass Neubaum ihn danach mit dem Handy fotografierte. Also verfolgte er ihn und forderte ihn auf, das Foto zu löschen. Er rief sogar den Notruf der Polizei an. Die Beamten erklärten ihm allerdings, dass das kein Fall für die Polizei sei.

Durch das Foto fühlte sich der 27-Jährige so gedemütigt, dass er einen Racheplan schmiedete. Er lauerte Neubaum auf und kundschaftete seinen Wohnort aus. Fünf Tage später richtet der Täter den 58-Jährigen rücklings mit sieben Schüssen hin.

2

Ein Motiv, das die Ermittler zweifeln lässt

Das Motiv lässt die Ermittler am Anfang noch zweifeln. Musste Neubaum wirklich sterben, weil er ein Foto mit seinem Handy gemacht hatte? Sie überwachen den Täter, der von seinen Gewaltfantasien Freunden gegenüber kein Geheimnis macht. Handy-Daten beweisen, dass er zur Tatzeit am Ort des Verbrechens war. Außerdem stellte das BKA bei der Untersuchung der Patronen im Bochumer Parkhaus fest, dass die gleiche Waffe bereits bei einem Raub in Dortmund benutzt worden war. Genau diese Waffe fanden die Ermittler später bei der Festnahme in der Wohnung des Täters. Auch das Motiv für den Raubüberfall war Rache wegen eines kleineren Streits.

Der 27-jährige Angeklagte hat die Tat im Prozess zugegeben | Bildquelle: dpa / Roland Weihrauch

Im Dezember 2023 wird der Mann vom Landgericht Bochum wegen des heimtückischen Mordes an Christian Neubaum und des Raubes in Dortmund zu lebenslanger Haft verurteilt. Das Gericht stellt außerdem die besondere Schwere der Schuld fest und ordnet eine Sicherungsverwahrung an. Was das genau bedeutet, erklären wir in unserem Wörterbuch für die True-Crime-Community.

3

Wie hoch ist das Risiko, im Verkehr an einen gefährlichen Menschen zu geraten?

Diplom-Psychologin Daniela Rechberger ist geschockt, als sie von diesem Fall hört. Im Interview mit der Lokalzeit erklärt sie, warum es sich hierbei aber um einen seltenen Extremfall handelt.

Lokalzeit: Frau Rechberger, Sie arbeiten als Verkehrspsychologin. Haben Sie einen ähnlichen Fall schon mal erlebt?

Daniela Rechberger: In meinen 19 Jahren Berufserfahrung bin ich natürlich immer wieder Menschen begegnet, die im Straßenverkehr ausgerastet sind. Doch dass eine Situation so weitreichende Folgen hat wie in diesem Fall, ist auch für mich eine neue Dimension der Gewalt.

Für Verkehrspsychologin Daniela Rechberger ist der Tiefgaragenmord ein sehr seltener Extremfall | Bildquelle: Gülten Hamidanoglu

Lokalzeit: Wie groß ist das Risiko, im Straßenverkehr an einen gefährlichen Menschen zu geraten?

Rechberger: Es kann durchaus passieren, auf aggressive Menschen im Straßenverkehr zu treffen. Dazu gehören zum Beispiel Hupen, Lichthupen oder Beleidigungen und Beschimpfungen. In manchen Fällen kann es an Ampeln auch zu körperlichen Auseinandersetzungen kommen, wenn jemand aussteigt und den Konflikt handgreiflich austragen will. Doch das Risiko, an eine wirklich gefährliche Person zu geraten und dadurch sein Leben zu verlieren, ist glücklicherweise sehr gering.

Lokalzeit: Das Gericht hat den Täter in diesem Fall als voll schuldfähig eingestuft. Wie lässt sich eine solche Tat psychologisch einordnen?

Rechberger: Die Gutachter konnten beim Täter keine psychische Erkrankung im klassischen Sinn feststellen. Von außen betrachtet ist das sicher schwer nachzuvollziehen. Schließlich hat er sich sehr extrem verhalten. Doch was wir als 'normal' bezeichnen, entspricht immer lediglich dem Durchschnittsverhalten der Mehrheit. Der Täter war also kein kranker Mann, hat aber etwas sehr Unnormales getan.

4

"Wichtig ist, dass man die Ruhe bewahrt"

Lokalzeit: Haben Aggressionen im Straßenverkehr in den letzten Jahren zugenommen?

Rechberger: Subjektiv fühlt es sich definitiv so an. Ich habe das Gefühl, dass immer mehr Menschen im Verkehr rücksichtslos oder sogar gefährlich handeln. Das hängt aber auch mit der gestiegenen Belastung vieler Menschen zusammen. Der Stress im Alltag ist größer und der Geduldsfaden kürzer als früher.

Lokalzeit: Wie sollte ich als Autofahrer reagieren, wenn mir ein aggressiver Mensch begegnet?

Rechberger: Um eine Eskalation der Situation zu verhindern, ist es wichtig, sich nicht provozieren zu lassen. Auch wenn es schwerfällt. Lässt sich eine Eskalation nicht vermeiden, sollten sich Betroffene erst einmal Hilfe bei anderen Verkehrsteilnehmern oder Zeugen holen. Wer die Situation als bedrohlich wahrnimmt, kann natürlich auch immer die Polizei als Unterstützung dazuholen.

Lokalzeit: Der Täter im Bochumer Fall hat seinen Opfern regelrecht nachgestellt und sie ausgekundschaftet, um sich später zu rächen. Was kann ich tun, wenn ich den Verdacht habe, dass mir so etwas passiert?

Rechberger: Wenn ich das jemandem nachweisen möchte, brauche ich Beweise. Manchmal gibt es zum Beispiel Zeugen, deren Aussagen ich aufschreiben kann. Bei dauerhaftem Stalking melden sich Betroffene am besten bei der nächsten Polizeiwache oder einem Anwalt.

Lokalzeit: Sollte ich den Stalker mit seinem Verhalten konfrontieren? Ihn zum Beispiel fragen, warum er das macht? Oder ihn bitten, mich in Ruhe zu lassen?

Rechberger: Wenn es sich um einen klassischen Stalker handelt, wird ihn die Konfrontation nicht vom Stalking abhalten. Im Gegenteil. Es ist für ihn ein Krankheitsgewinn, wenn ich mich mit ihm beschäftige und ihn anspreche. Deswegen halte ich es für nicht sehr zielführend, aktiv auf einen Stalker zuzugehen.