JVA in Remscheid

Nach Mord an Besucherin in JVA Remscheid: Sechs Fakten über Besuche im Gefängnis

Remscheid | Verbrechen

Stand: 07.09.2023, 12:03 Uhr

Nur wenige Orte in NRW werden so genau überwacht wie Justizvollzugsanstalten. Trotzdem kann am 11. April 2010 ein Häftling seine Freundin innerhalb der JVA Remscheid töten. Dazu kam es während eines Langzeitbesuches. Was das ist und andere Fragen, beantworten wir hier.

Von Sarah Schröer López

Im Jahr 2010 hatte der verurteilte Kindermörder Klaus-Dieter H. seine Strafe schon fast abgesessen. Dann tötet er seine Freundin in der JVA Remscheid. Im Besucherraum soll Klaus-Dieter H. seine Freundin Martina G. zunächst bewusstlos geschlagen haben. Damit hatte sie keine Chance, den Notfallknopf, der in dem Besuchsraum angebracht ist, zu benutzen. Danach erwürgt er Martina G. Die Tat war geplant. Klaus-Dieter H. bringt an diesem Tag zwei Messer und einen Radmutterschlüssel mit in den Besucherraum. Nach Ablauf der Besuchszeit finden die Wärter die tote Martina G. Auch Klaus-Dieter H. ist schwer verletzt. Der 50-Jährige hatte versucht, sich selbst das Leben zu nehmen. Er überlebt jedoch. Zum ganzen Fall geht es hier:

Ereignisse wie diese werfen viele Fragen darüber auf, wie der Ablauf von Besuchen in Justizvollzugsanstalten geregelt ist? Sechs Antworten geben wir hier.

1. Das Gericht darf in Einzelfällen Besuche verbieten

Wenn ein Gefangener in Untersuchungshaft sitzt, kann das zuständige Gericht Besuche beschränken. Das passiert etwa, wenn Wiederholungs- oder Fluchtgefahr besteht. Grundsätzlich hat aber jeder Gefangene in NRW das Recht, besucht zu werden. In der Strafhaft sind es mindestens zwei Stunden im Monat. Im Jugendstrafvollzug mindestens vier. Für den Besuch von Kindern der Gefangenen gibt es zusätzliche Stunden.

2. Besuche machen die Haftstrafe greifbar

"Wenn wir den Gefangenen in ein Loch sperren, dann vergisst er, was er verloren hat", sagt Maximilian Pollux über die Relevanz von Besuchen. Der 40-Jährige ist heute Coach für Gewaltprävention. Früher hat er selbst jahrelang Gefängnisbesuch empfangen. Als Jugendlicher dealte er mit Drogen und Waffen - und saß deshalb knapp zehn Jahre in einer bayrischen JVA. Dort wurde er regelmäßig von seiner Mutter besucht.

Anschließend sei es ihm oft schlecht gegangen, sagt er: "Ich habe bei den Besuchen gesehen, wie meine Mutter älter wurde. Ich habe ihre ersten grauen Haare und Falten gesehen." Durch Besuche ist die Haftstrafe für ihn erst greifbar geworden - weil er gemerkt hat, wie die Zeit vergeht. Gleichzeitig ermöglicht der Besuch es Gefangenen, aus dem klassischen Gefängnis-Alltag auszubrechen: "Während der Besuche war ich nicht 'Herr Pollux, 1608', da war ich einfach nur der Max."

3. Manche Gefangene dürfen unbewacht Besuch empfangen

In 14 Justizvollzugsanstalten in Nordrhein-Westfalen können Gefangene über mehrere Stunden unbewacht Besuch empfangen - beim sogenannten Langzeitbesuch. Dafür gibt es spezielle Räume, die kleinen Wohnungen ähneln - inklusive Küche und Badezimmer. Dort werden die Inhaftierten mit ihren Besuchern eingesperrt.

In den Räumen gibt es einen Alarmknopf, mit dem JVA-Mitarbeiter kontaktiert werden können. Der kann auch genutzt werden, wenn der Besuch vorzeitig beendet werden soll. Allerdings darf nicht jeder Inhaftierte in diese Räume.

4. Die Justizvollzugsanstalten prüfen, wie eifersüchtig Inhaftierte sind

Auch in der JVA Remscheid gibt es Langzeitbesuch. Dort können Gefangene den nach sechs Monaten Haftzeit beantragen. "Diese Frist gibt es, damit wir eine Phase haben, in der wir Gefangene beobachten können: ihr Verhalten und ihre Kontakte", sagt Andreas Schüller, Leiter der JVA Remscheid. Gefangene, die mit Ausbruchsversuchen, Gewalt oder Handys in Haft aufgefallen sind, werden in Remscheid für den Langzeitbesuch ausgeschlossen.

Die JVA-Mitarbeiter schauen genau darauf, wie sich der Gefangene beim klassischen Besuch in der Vergangenheit gegenüber Freunden und Familienmitgliedern verhalten hat. Eine Frage, die bei der Beobachtung eine Rolle spielt: Gab es Streit mit der Partnerin? "Der Gefangene sitzt in Haft, seine Frau ist draußen. Da kann sich eine gewisse Eifersucht entwickeln, weil sie die Kontrolle verlieren", erklärt Schüller.

5. Während Besuchen können Inhaftierte kochen

Vor und nach Langzeitbesuchen werden Inhaftierte kontrolliert. Das gibt das NRW-Justizministerium vor. Bestimmte Dinge dürfen Inhaftierte aber mitbringen, etwa Lebensmittel. Im Langzeitbesucherraum kann nämlich auch zusammen gekocht werden. Die Messer, die dort in der Küche zu finden sind, sind allerdings stumpf und leicht biegbar - aus Sicherheitsgründen.

An sich entscheiden Gefangene und ihre Besucher aber selbst, wie sie sich die Zeit vertreiben. "Man darf nichts Illegales machen, aber sonst gibt es keine Regeln. Es ist so, als würden Sie bei Ihrer Mutter zum Kaffeetrinken erscheinen", beschreibt Andreas Schüler die Situation. Umgangssprachlich werden Langzeitbesucherräume auch "Liebeszellen" genannt, weil Gefangene dort mit ihren Partnern und Partnerinnen intim werden können.

6. Besucher müssen nach dem Langzeitbesuch Feedback-Bögen ausfüllen

Nach dem Besuch müssen die Gäste in der JVA Remscheid einen Feedback-Bogen ausfüllen. Darin geht es etwa um die Stimmung während des Besuchs. Außerdem wird abgefragt, ob Familienmitglieder oder Freunde noch einmal zum Langzeitbesuch kommen möchten. "Manchmal ist die Drucksituation für die Besucher so, dass sie sich gegenüber dem Gefangenen nicht trauen, einen Langzeitbesuch abzusagen. Dann können sie uns das aber mitteilen", sagt JVA-Leiter Schüller.

Solche Feedback-Bögen sind für die Justizvollzugsanstalten in NRW aber nicht verpflichtend. Die Mitarbeiter der JVA Remscheid reflektieren das Feedback der Besucher in Konferenzen. "Es wird immer wieder überprüft, ob der nächste Langzeitbesuch stattfinden kann", betont Schüller. Im Zweifel würde sich die JVA gegen den Besuch entscheiden.