Ein auseinandergebautes Smartphone liegt auf einem Schreibtisch in der digitalen Forensik des Landeskriminalamtes in Düsseldorf.

Kriminalfälle aus NRW: Wie Smartphone-Daten helfen, Verbrechen aufzuklären

Landkreis Heinsberg | Verbrechen

Stand: 18.11.2024, 17:03 Uhr

In Waldfeucht im Kreis Heinsberg wird ein 27 Jahre alter Mann ermordet. Was die Mörder nicht ahnen: Sie haben zahlreiche digitale Spuren hinterlassen, die sie später überführen werden.

Von Purvi Patel

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Der Fall Dominik J.

Dominik J. wird im Oktober 2018 auf einem Parkplatz im Industriegebiet Waldfeucht im Kreis Heinsberg mit zahlreichen Messerstichen umgebracht. Seine Mörder werden dabei von den Überwachungskameras der angrenzenden Firmen gefilmt. Die Ermittler können die Täter nicht nur mithilfe dieser Aufnahmen, sondern auch über die Daten auf ihren Smartphones überführen.

Am 20. Dezember 2019 verurteilt das Landgericht Aachen die vier Männer wegen Mordes. Sie haben ihr arg- und wehrloses Opfer heimtückisch getötet, so der Richter. Bei einem der Angeklagten stellt die Kammer zudem eine besondere Schwere der Schuld fest. Denn er hatte den Mord aus Eifersucht initiiert. Den ganzen Fall und alle Hintergründe gibt es bei WDR Lokalzeit MordOrte.

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Was verrät mein Smartphone über mich?

Kriminalhauptkommissar Wieland Schröder arbeitet für die digitale Forensik des Landeskriminalamtes in Düsseldorf. Eine ganze Abteilung entschlüsselt und wertet hier Smartphones, Computer und andere digitale Geräte aus, um Verbrecher zu überführen. Schröder ist auf Smartphones, Drohnen und das sogenannte Internet of things (IoT) spezialisiert.

Lokalzeit: In dem Mordfall in Waldfeucht wussten die Ermittler auf die Sekunde genau, wo sich die Täter am Abend der Tat aufhielten. Was weiß mein Smartphone alles über mich?

Wieland Schröder: Grundsätzlich speichern Smartphones kontinuierlich Daten. Das sind zum einen die offensichtlichen Daten, die wir selber als Nutzer generieren. Zum Beispiel Chat-Nachrichten, E-Mails, Fotos und Videos. Es speichert aber zum anderen auch die nicht offensichtlichen Daten. Das sind alle Daten, die das Handy sozusagen in der Tasche aufzeichnet, zum Beispiel Standortdaten. Mit welchem Funkmast bin ich gerade verbunden? Wie viele Schritte bin ich gegangen? Wie viele Etagen im Treppenhaus? Oder auch: Ist das Display gerade an? Ist das Display aus? Welchen Inhalt habe ich mir in den sozialen Medien wie lange angeguckt? Das sind alles Daten, die kontinuierlich bei jedem modernen Smartphone im Hintergrund gespeichert werden.

Wieland Schröder steht an einem Schreibtisch der digitalen Forensik des Landeskriminalamtes in Düsseldorf.

Daten aus Smartphones helfen Wieland Schröder und seinen Kollegen, Verbrechen aufzuklären

Lokalzeit: Kann ich solche Funktionen deaktivieren?

Schröder: Nein, wenn Sie ein Smartphone mit einem modernen Betriebssystem und App-Funktionen nutzen, dann kann man das nicht deaktivieren.

Lokalzeit: Welche digitalen Beweise darf man in Deutschland nutzen?

Schröder: In der Strafprozessordnung ist festgelegt, wie die Durchsuchung elektronischer Speichermedien während polizeilicher Ermittlungen erfolgen darf (§ 110 Abs. 3). Demnach ist es erlaubt, alle Speichermedien, die für den jeweiligen Fall wichtig sind, zu durchsuchen und die darauf enthaltenen Daten zu speichern. Dazu gehören beispielsweise Festplatten, USB-Sticks, Speicherkarten sowie Smartphones und andere Geräte, auf denen relevante Informationen gespeichert sein könnten.

Lokalzeit: Sind Aufnahmen aus Überwachungskameras an privaten und gewerblichen Gebäuden nützlich?

Schröder: Ja, sie können in der polizeilichen Ermittlungsarbeit sogar sehr nützlich sein. Kameras haben in einer nicht geringen Anzahl von Fällen eine entscheidende Rolle als sogenannte technische Zeugen gespielt. Sie helfen uns als Polizei dabei, wichtige Fragen zu klären, wie zum Beispiel: Wer hat was getan, wann und wo, und mit wem? Oftmals können alle oder zumindest ein Teil dieser Fragen durch die entsprechenden Aufnahmen klar beantwortet werden.

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Qualität der Bilder nicht immer entscheidend

Lokalzeit: Wenn diese Aufnahmen sehr unscharf und zu dunkel sind, können sie trotzdem verwertet werden?

Schröder: Ja, das ist unter Umständen möglich. Denn oft können die Bilder und Sequenzen technisch nachgebessert werden. Bei uns im Landeskriminalamt Nordrhein-Westfalen haben wir Kolleginnen und Kollegen mit der entsprechenden Expertise. Davon abgesehen, ist die allgemeine Qualität der Aufnahmen manchmal sogar unerheblich. Im Zusammenspiel mit anderen Beweismitteln können auch unscharfe oder dunkle Aufnahmen Informationen preisgeben, die Erkenntnisse stützen oder bestätigen - sei es eine konkrete Uhrzeit, die sich ablesen lässt oder die Richtung, aus der jemand kommt.

Lokalzeit: Was ist technisch heutzutage möglich, um gelöschte digitale Beweise wieder sichtbar zu machen?

Schröder: Im Bereich der digitalen Forensik gibt es verschiedene Methoden, um auch gelöschte Daten wie Bilder, Videos oder Chat-Nachrichten wiederherzustellen. Der Erfolg dieser Wiederherstellung hängt jedoch stark von den technischen Gegebenheiten des jeweiligen Gerätes ab. Daher muss jedes digitale Beweismittel individuell betrachtet werden.

Lokalzeit: Was würde Ihre Arbeit erleichtern?

Schröder: Wir setzen auf moderne Technologien und sind für die aktuellen Anforderungen gut aufgestellt. Angesichts der kontinuierlichen und rasanten Entwicklung in der Technik sowie der Digitalisierung werden sich die Anforderungen jedoch ständig weiterentwickeln. Für unsere Tätigkeit im Bereich der Digitalen Forensik ist es entscheidend, dass wir mit diesen Veränderungen Schritt halten. Daher wird es auch in Zukunft notwendig sein, in moderne Technik und qualifiziertes Personal zu investieren.