Cold Cases aus NRW: Diese spektakulären Fälle warten auf ihre Aufklärung

NRW | Verbrechen

Stand: 28.11.2024, 16:34 Uhr

Ein Mensch wird Opfer eines Verbrechens, die Ermittlungsarbeit der Polizei beginnt. Was ist genau passiert? Wer ist der Täter? In manchen Fällen finden die Ermittler darauf keine Antworten. Wir stellen neun Verbrechen und Vermisstenfälle aus NRW vor, die bis heute Rätsel aufgeben.

Von Erik Acker

In Deutschland können die meisten Verbrechen aufgeklärt werden. Laut Bundeskriminalamt liegt die Aufklärungsquote bei über 90 Prozent, in Nordrhein-Westfalen sogar noch etwas höher. Aber es gibt auch so genannte Cold Cases, also ungelöste Kriminalfälle, die über Jahre oder sogar Jahrzehnte hinweg nicht aufgeklärt werden können. Manchmal sogar nie.

Viele solcher Fälle beschäftigen Ermittelnde und die Öffentlichkeit in NRW bis heute. Die Fragen nach dem "Was geschah wirklich?" und "Wer ist der Täter?" treiben auch die Familien der Opfer um. Wir beleuchten neun Cold Cases aus der Region und wollen zeigen, welche neuen Ansätze in der Kriminalistik Hoffnung auf Aufklärung geben können.

1

Der rätselhafte Fall Jens Bleck

Jens Bleck besucht am Abend des 8. November 2013 mit Freunden die Diskothek "Rheinsubstanz" in Bad Honnef. Nach einer mysteriösen Auseinandersetzung mit einer Mitarbeiterin der Diskothek erhält der Student Hausverbot, in den Stunden danach verliert sich seine Spur. Knapp zwei Wochen später wird die Leiche des 19-Jährigen im Rhein gefunden.

Die genauen Umstände seines Todes sind bis heute unklar. Immer wieder gab es Ungereimtheiten bei den Ermittlungen, die schließlich 2019 eingestellt wurden. Der Journalist Wolfgang Kaes hat den Fall intensiv recherchiert und steht in Kontakt mit den Eltern von Jens Bleck, die bis heute nach Antworten suchen und auf Hinweise von Zeugen hoffen.

2

Der mysteriöse Tod von Michael Bonnie

2012 fährt Michael Bonnie nach einer Geburtstagsparty zurück zum Hof seiner Eltern in Aachen. Kurz darauf bemerkt sein Freund, dass Bonnie seine Schlüssel vergessen hat, fährt dem 41-Jährigen hinterher und findet sein Auto mit eingeschaltetem Radio und Licht - aber Bonnie ist verschwunden. Daraufhin legt der Freund den Schlüssel auf den Fahrersitz und fährt. Am Morgen entdeckt auch Bonnies Mutter das verlassene Auto samt Schlüssel, doch von ihrem Sohn fehlt weiter jede Spur. Die Familie findet später mehrere Umschläge mit insgesamt 14.700 Euro in bar. Was mit ihm passiert ist, bleibt ein Rätsel.

Zehn Monate später werden nach heftigen Regenfällen in einem Abwasserkanal menschliche Knochen angeschwemmt, sie stammen von Bonnie. Die Obduktion ergibt: Er wurde erstochen. Ein Täter konnte bis heute nicht ermittelt werden.

3

Der Fall Claudia Ruf: Mehr als 6000 Spuren abgearbeitet

Die elfjährige Claudia Ruf wird 1996 in Grevenbroich entführt, misshandelt und getötet. Der Fall erregte bundesweit Aufsehen und wurde nach Hinweisen immer wieder neu aufgerollt. Trotz intensiver Ermittlungen und einer DNA-Massenuntersuchung ist der Täter aber bis heute unbekannt.

Reinhold Jordan gibt die Hoffnung nicht auf 00:14 Min. Verfügbar bis 28.11.2026

Die Hoffnung der Ermittler ist, mit moderner Kriminaltechnik neue Hinweise zu finden. Reinhold Jordan, Leiter der Mordkommission der Bonner Polizei, sucht seit fast 28 Jahren nach dem Täter. Wie genau die Arbeit eines Cold Case-Ermittlers aussieht, erfährst du hier.

4

Der unentdeckte Mord: Leichnam wird exhumiert

Im Jahr 2022 stirbt in Duisburg der 52-jährige Familienvater Tarek Dib-Kastner. Zunächst gehen die Ermittler von einer natürlichen Todesursache aus und Dib-Kastner wird in seiner Heimat im Libanon beigesetzt. Doch Wochen später bringt ein Hinweis alles ins Wanken: Dib-Kastner könnte vergiftet worden sein.

Die Polizei nimmt die Ermittlungen wieder auf und durchsucht erneut die Wohnung des Toten. Dabei stellt sie fest, dass verschiedene Luxusuhren fehlen. Ein Gericht ordnet eine Exhumierung seines Leichnams an und es wird klar: Eine Überdosis Methadon führte zum Tod. Wurde er vergiftet?

5

Mordfall ohne Spur von Leiche und Täter

Auch mehr als elf Jahre nach dem mutmaßlichen Tod von Doris Seyffarth sind noch viele Fragen offen. Die 57-Jährige verschwindet am 17. Mai 2013 spurlos. Zunächst geht die Polizei davon aus, dass sie ihr Zuhause in Oberhausen verlassen hatte, um woanders ein neues Leben zu beginnen. Doch dann wird ihr Auto im Stadtteil Osterfeld gefunden - voller Blutspuren. Die Essener Kriminalpolizei übernimmt und untersucht Seyffarths Wohnung mit einem speziellen Mittel, das Blut sichtbar macht, und auch dort werden Blutspuren gefunden.

Ein DNA-Test bestätigt: Das Blut stammt von Seyffarth. Alles deutet auf ein Verbrechen hin, doch bis heute wurde keine Leiche gefunden. Wie funktioniert eigentlich genau eine DNA-Analyse und was verrät sie über mich? Hier gibt es Antworten.

6

Der Fall Frauke Liebs

Es ist Sommer 2006, die Fußball-WM im eigenen Land. Frauke Liebs schaut mit Freunden ein Spiel in einem Irish Pub in Paderborn. Gegen 23 Uhr verabschiedet sich die 21-Jährige und macht sich auf den Heimweg - doch sie kommt nie zu Hause an. In der folgenden Woche erhalten ihre Familie und ihr Mitbewohner noch merkwürdige Nachrichten und Anrufe, die wohl von der 21-Jährigen stammen. Dann reißt der Kontakt ab. Drei Monate nach ihrem Verschwinden wird ihre Leiche in einem Wald bei Lichtenau gefunden.

Viele Jahre gibt es keine entscheidenden Hinweise. 2022 bestätigt die Staatsanwaltschaft aber neue Ermittlungen. Auch eine Hausdurchsuchung in Lichtenau-Asseln steht im Zusammenhang mit dem Fall. Doch bislang hat jede neue Spur nicht zur Aufklärung des Falls beitragen können. Besonders für die Mutter des Opfers, Ingrid Liebs, eine schwer zu ertragende Situation. Inzwischen sagt sie, dass sie die Hoffnung aufgegeben hat. Hier findest du das komplette Interview mit ihr.

7

Sylvia Beerenberg beschäftigt Sonderermittler

Sylvia Beerenberg arbeitet als Gelegenheits-Prostituierte in Dortmund. Am 24. Oktober 1987 steigt die 23-Jährige in ein Auto eines Freiers, später entdecken Fußgänger sie tot auf einem Feld in Lippetal bei Soest. 16 Mal ist auf Beerenberg eingestochen worden.

Sylvia Beerenberg | Bildquelle: Gedenkseiten.de

Viele Jahre bleibt unklar, was Beerenberg zugestoßen ist. Doch es gibt Bewegung in dem Fall. Seit 2023 gibt es bei der Polizei Dortmund eine neu gegründete Ermittlungsgruppe. Sie verfolgt mehr als 100 alte Mordfälle und Gewaltdelikte mit neuen Ermittlungstechniken - auch den Fall Sylvia Beerenberg. Der Fall wird auch in der ZDF-Sendung Aktenzeichen XY vorgestellt und tatsächlich gehen neue Hinweise bei der Polizei ein, die noch ausgewertet werden.

8

Der Fall Claudia Wilbert wird neu aufgerollt

Ende der 70er Jahre wird Claudia Wilbert aus Rheinbach tot an einem Wanderparkplatz gefunden. Was der 17-Jährigen genau zugestoßen ist, bleibt unklar. Im Dezember 2023, nach über 45 Jahren, erreicht ein anonymer Brief die Bonner Polizei. Der Verfasser schreibt, er kenne den Mörder von Wilbert.

Die Ermittler starten einen Aufruf in der Sendung Aktenzeichen XY: Wer kann Hinweise auf den Täter geben, wer ist der anonyme Briefschreiber? Der Verfasser des Briefs habe "glaubhaft" geschildert, wie er zu seinen Informationen gekommen sei, heißt es in der Sendung.

9

Annette Lindemann: Wenn Polizisten gegen Polizisten ermitteln

Die vierfache Mutter und ehemalige Polizistin Annette Lindemann verschwindet 2010 spurlos in Gelsenkirchen. Die Polizei geht schnell von einem Gewaltverbrechen an der 44-Jährigen aus und verdächtigt ihren Ehemann, der ebenfalls Polizist ist. Wochen später wird ihr Auto ausgebrannt in einem Wald bei Marl gefunden.

Trotz mehrerer Suchaktionen fehlt bis heute von Lindemann jede Spur und zentrale Fragen bleiben unbeantwortet: Was ist ihr zugestoßen? Wurde sie ermordet? Ist ihr Ehemann beteiligt? Das Besondere an diesem Fall: Die Polizei ermittelt in den eigenen Reihen. Wie genau solche Ermittlungen innerhalb der Polizei in NRW gehandhabt werden, wie gut das funktioniert und wo Probleme liegen, erklärt Polizeiwissenschaftler Professor Doktor Thomas Feltes.

10

Gibt es Hoffnung auf Aufklärung?

Die gezeigten neun Fälle sind nur ein Ausschnitt aus dem Kriminalarchiv. 1.143 nicht geklärte Todesfälle wurden im Zeitraum zwischen 1970 und 2015 vom Landeskriminalamt NRW erfasst. Besonders die Angehörigen der Opfer hoffen nach wie vor auf Aufklärung. Und tatsächlich könnte sich in einigen Fällen noch etwas tun. Bei vielen dieser Cold Cases sieht das LKA gute Chancen, mit aktuellen Ermittlungsmethoden den Tätern doch noch auf die Spur zu kommen.

Dafür hat das LKA eine Sondereinheit aus pensionierten Polizisten gebildet, die die Ermittler in den Mordkommissionen unterstützt haben. Einer von ihnen ist Martin Kieczka. Etwa zehn ungeklärte Cold Cases stehen auf seiner Liste. Ein Blick in seinen Arbeitsalltag gibt es hier. Tatsächlich konnten bis Mitte 2023 schon sechs Cold Cases mit Hilfe der Rentner-Cops aufgeklärt werden. Zwei in Köln und jeweils einer in Bonn, Düsseldorf und Bielefeld.