Mit prüfendem Blick geht Julia Daams um ein Autowrack herum. Fenster, Türen, Sitze - alles ist verbrannt. Nur ein rohes Metallgerippe, verkohlte Kabel und Plastik sowie Teile der Reifen sind übrig geblieben. Das ist Daams‘ heutiger Arbeitsplatz, ihr aktueller Fall. Da, wo eigentlich nichts mehr übrig ist, sucht sie nach Spuren und Hinweisen.
Die 35-Jährige lässt schwarze Verbrennungsrückstände vorsichtig durch die behandschuhte Hand rieseln, hockt sich neben den Radkasten und leuchtet mit einer kleinen Taschenlampe hinein. Schließlich zieht sie laut scheppernd die rostbraune Motorhaube aus dem Wrack heraus. Sie betrachtet sie von allen Seiten. Schnell erkennt die Brandermittlerin: Das Feuer muss im Bereich des rechten Vorderreifens ausgebrochen sein.
Hat ein technischer Fehler dieses Feuer ausgelöst oder war es Brandstiftung? In diesem Fall ist die Antwort für Daams einfach. "Am Straßenrand standen sieben Fahrzeuge und alle haben gleichzeitig angefangen zu brennen", erklärt sie. "Da lag es nahe, dass es sich um Brandstiftung handelt."
Brandbeschleuniger geben wichtige Hinweise
Allein im Jahr 2022 gab es in NRW rund 4.500 Fälle von versuchter oder vollendeter Brandstiftung. Das geht aus einer Erhebung des Bundeskriminalamtes hervor. Aber nicht immer ist das so eindeutig. Brandermittlung ist echte Detektivarbeit. Und deshalb "eine absolut spannende Arbeit", findet Daams. Die 35-Jährige hat Forensik studiert und arbeitet bei der Polizei in Viersen. Die Kombination aus Naturwissenschaften und klassischer Ermittlungsarbeit in ihrem Job fasziniert sie. "Es geht darum, Leute zu befragen, Spuren zu sichern, eins und eins zusammenzuzählen und dann irgendwann dem Täter auf die Schliche zu kommen."
Ein wichtiger Schritt dabei ist die Suche nach möglichen Brandbeschleunigern. Werden bei einem Feuer zum Beispiel Reste von Grillanzündern oder Benzin gefunden, dann ist das ein wichtiger Hinweis auf eine mögliche Brandstiftung.
"Darüber haben wir dann neue Ermittlungsansätze: Wo bekomme ich Grillanzünder her? Wo kann ich nachts zum Beispiel noch Benzin herkriegen? Da können wir immer neue Anknüpfungspunkte für uns finden, um dem Täter auf die Spur zu kommen", sagt Daams.
Zeugen sind entscheidend
Wenn alle Spuren gesichert sind, geht es ins Büro. Dort geht die Detektivarbeit weiter: Daams und ihr Team vergleichen den aktuellen Fall mit anderen Brandfällen. Gab es zur gleichen Zeit andere Brände? Gab es im Umfeld schon einmal ein Feuer? Gibt es schon bekannte Brandstifter, die als Täter in Frage kommen würden?
Bei der Beantwortung der vielen offenen Fragen helfen oft Zeugen. "Zur Arbeit gehört also auch das klassische Klinkenputzen", sagt Daams. Schließlich wissen Nachbarn am besten, wer in ihrer Umgebung öfter unterwegs ist und wer eigentlich nicht. "Die sind die besten Hinweisgeber für uns".
Warum legen Menschen Feuer?
Erst vor Kurzem konnte die Polizei eine Serie von über 100 Brandstiftungen im Kreis Viersen und in Mönchengladbach aufklären. Immer wieder hatten Häuser, Scheunen und Autos gebrannt. Nach anderthalb Jahren Arbeit konnten die Ermittler schließlich vier Verdächtige festnehmen.
Die Brandermittlerin sagt: "Es ist natürlich absolut befriedigend, wenn man sagen kann: Wir haben einen Täter gefasst". Die Motive der Brandstifter seien dabei ganz unterschiedlich.
Grundsätzlich bedürfe es "einer hohen kriminellen Energie ein Fahrzeug in Brand zu setzen", sagt Daams, "sodass natürlich der Jagdinstinkt darauf gerichtet ist, denjenigen zu fassen, der das verursacht hat." Und mit dieser Motivation geht Daams jeden Tag aufs Neue an ihre Puzzlearbeit. Eine Puzzlearbeit mit oft sehr kleinen, verbrannten Teilen.
Über dieses Thema haben wir auch am 09.01.2024 im WDR Fernsehen berichtet: Lokalzeit aus Düsseldorf, 19.30 Uhr.