Symbolbild: Die Füße eines Leichnams in der Gerichtsmedizin

Kriminalfälle aus NRW: Wenn ein Verstorbener wieder ausgegraben wird

Duisburg | Verbrechen

Stand: 26.08.2024, 17:01 Uhr

Wenn ein bestatteter Leichnam wieder ausgegraben wird, spricht man von einer Exhumierung. Wann ist eine solche Exhumierung möglich? Und wer bestimmt darüber? Die wichtigsten Fakten dazu.

Von Hamzi Ismail

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Der Fall Tarek Dib-Kastner

Im November 2022 entdecken Nachbarn Tarek Dib-Kastner in seiner Wohnung in Duisburg. Der 52-jährige Deutsch-Libanese liegt tot auf dem Fußboden. Der Blick in seine Krankenakte zeigt: Dib-Kastner war schwer krank und heroinabhängig, nahm unter anderem den Heroin-Ersatzstoff Methadon. Die Behörden gehen deshalb von einem natürlichen Tod aus. Die Leiche wird in Dib-Kastners Heimat, dem Libanon, beerdigt. Der Fall scheint abgeschlossen.

Doch kurz darauf meldet sich ein Mann bei der Polizei. Er sagt, dass Dib-Kastner mit einer Überdosis an Medikamenten getötet wurde. Die Ermittler treffen eine seltene Entscheidung: Sie wollen die schon beerdigte Leiche noch einmal gründlich untersuchen. Dafür fliegen sie in den Libanon und holen sie aus ihrem Grab, exhumieren sie also. Mehr zu diesem ungewöhnlichen Fall und seinen Hintergründen gibt es bei WDR Lokalzeit Mordorte.

Eine Exhumierung wegen eines möglichen Verbrechens, wie in diesem Fall, ist eher selten. Unter welchen Umständen wird also eine Exhumierung vorgenommen? Wer bestimmt das? Und können sich Angehörige dagegen wehren? Wir beantworten mit Hilfe der Staatsanwältin Jill Mc Culler sowie der Gerichtsmedizinerin Verena Hachmann die wichtigsten Fragen zum Thema Exhumierung. Beide haben auch am Fall Tarek Dib-Kastner gearbeitet.

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Mögliche Gründe für Exhumierungen

Was bedeutet Exhumierung?

Der Begriff stammt vom lateinischen Wort "exhumare". Das bedeutet "ausgraben". Manchmal wird für Exhumierung auch das Wort Enterdigung verwendet, erklärt Gerichtsmedizinerin Verena Hachmann. Als Exhumierung bezeichnet man die Ausgrabung eines bereits beerdigten Leichnams.

Unter welchen Umständen wird eine Exhumierung vorgenommen? 

Grundsätzlich gibt es eine sogenannte Totenruhe, die nicht gestört werden darf. Nur unter bestimmten Umständen dürfen Gräber geöffnet werden. Darunter fällt laut Bundesverband Deutscher Bestatter etwa, ein altes Grab für eine neue Nutzung freizumachen. Die meisten Exhumierungen werden von Privatpersonen angeordnet. Zum Beispiel, wenn das Grab eines Angehörigen in ein Familiengrab umgebettet werden soll. Es kommt auch vor, dass Angehörige umziehen und der Weg zum alten Friedhof für sie zu weit wäre. Dann kann das Grab in ein neues Grab auf einem anderen Friedhof umgebettet werden. Exhumierungen aus forensischen Gründen, also für strafrechtliche Ermittlungen, kommen laut Gerichtsmedizinerin Hachmann eher selten vor.

Männer heben den in ein grünes Tuch eingewickelten Leichnam von Tarek Dib-Kastner aus seinem Grab im Libanon

Die Exhumierung von Tarek Dib-Kastner im Libanon

 

Wer bestimmt, ob eine Exhumierung vorgenommen wird? 

Ein Leichnam kann nicht ohne Angabe guter Gründe exhumiert werden. In Deutschland müssen die Friedhofsverwaltung und in der Regel auch das Ordnungsamt zustimmen. In manchen Fällen auch das Gesundheitsamt. Eine Ausnahme davon stellt eine Exhumierung im Rahmen von Strafprozessen dar. Sie kann von einem Richter oder der Staatsanwaltschaft gerichtlich angeordnet werden, um im Rahmen einer erneuten Leichenschau Beweise zu sichern. Genau das ist im Fall von Dib-Kastner geschehen. Hier hat die Staatsanwaltschaft Duisburg, bei der Staatsanwältin Jill Mc Culler arbeitet, die Exhumierung gerichtlich angeordnet. In der Regel werden Angehörige über die Exhumierung informiert, wenn das die polizeilichen Ermittlungen nicht behindert.

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Was kostet eine Exhumierung?

Können sich Angehörige gegen eine Exhumierung wehren? 

Die allermeisten Exhumierungen werden von Familien und Angehörigen selbst gewünscht. Wenn eine Exhumierung gerichtlich angeordnet wird, um strafrechtliche Beweise durch eine erneute Leichenschau zu sichern, können sich Angehörige dagegen in der Regel nicht wehren.

Wer trägt die Kosten für eine Exhumierung? 

Grundsätzlich gilt: Wer eine Exhumierung in Auftrag gibt, der trägt auch die Kosten. Wenn Angehörige einen Verstorbenen umbetten lassen wollen, dann müssen sie auch selbst für die gesamten Kosten aufkommen, erklärt der Bundesverband Deutscher Bestatter. Das kann je nach Friedhof sehr unterschiedlich sein. Die Kosten für die Exhumierung eines Sarggrabs liegen zwischen 1.000 Euro und 3.000 Euro. In der Regel ist es kostengünstiger, einen Verstorbenen auf demselben Friedhof exhumieren und umbetten zu lassen. Außerdem ist es günstiger, eine Urne als einen Sarg umbetten zu lassen, so der Bundesverband. Lassen die Justizbehörden einen Toten exhumieren, tragen sie ebenfalls selbst die Kosten dafür. 

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Ermittlungen an exhumierten Leichen

Wer fliegt bei einer Exhumierung im Ausland im Rahmen von Ermittlungen alles mit? 

Im Fall von Dib-Kastner musste die Exhumierung vor Ort im Libanon geschehen. Dafür brauchten die Ermittler zunächst eine Genehmigung des NRW-Justizministeriums. Anschließend sind drei Ermittler aus Duisburg in den Libanon geflogen. Der zuständige Kriminalkommissar und die zuständige Staatsanwältin Jill Mc Culler, die neue Beweise aus der erneuten Leichenschau direkt mitbekommen wollten, sowie Rechtsmedizinerin Verena Hachmann aus Duisburg. Sie hat die Obduktion des exhumierten Leichnams zusammen mit einem libanesischen Gerichtsmediziner durchgeführt.

Welche Herausforderungen gibt es bei der Untersuchung eines exhumierten Leichnams? 

Der Leichnam eines verstorbenen Menschen, der schon längere Zeit unter der Erde lag, trägt keine Flüssigkeiten mehr in sich. Es fehlen also Blut oder Urin für die Untersuchung. Der Nachweis einer Vergiftung, wie im Fall um Dib-Kastner, ist für Rechtsmediziner wie Verena Hachmann also deutlich aufwendiger als bei einem "frisch" Verstorbenen. In solchen Fällen müssen zum Beispiel Haare oder Gewebeproben aus den Muskeln für toxikologische Untersuchungen genommen werden, erklärt Gerichtsmedizinerin Hachmann. Verglichen mit einer Blutprobe, braucht es deutlich länger, bis ein Ergebnis vorliegt. Außerdem ist bei schon bestatteten Leichnamen durch die Liegezeit unter der Erde der Fäulnisprozess der Organe weit vorangeschritten. Das erschwert für Rechtsmediziner wie Hachmann nicht nur die Obduktion an sich, auch klare Aussagen über eine mögliche Todesursache werden schwieriger.