Zu sehen sind zwei Herren, die zwischen Erdbeerpflanzen stehen und in die Kamera lächeln.

Erdbeeren der nächsten Generation: Warum immer mehr in Tunneln wachsen

Bielefeld | Landwirtschaft

Stand: 23.06.2024, 09:34 Uhr

Erdbeeren pflücken - viele denken da wohl an weite, offene Felder mit vielen kleinen Pflanzen am Boden. Die Realität sieht inzwischen immer häufiger anders aus. Ein Betrieb in Bielefeld-Senne zeigt wie.

Von Jan-Ole Niermann

Meterbreite Tunnel ziehen sich über die Felder der Familie Wißbrock in Bielefeld. 22 Stück sind es, bis zu 130 Meter lang. Eine helle, lichtdurchlässige Plane schützt die darunterliegenden Pflanzen. Johannes Wißbrock steht mitten in einem der Tunnel und greift nach einer der knallroten Erdbeeren, die an einer Pflanze hängen. Bücken muss der 30-Jährige sich nicht, denn auf dem Hof hängen die Erdbeeren sozusagen von der Decke. Wie das aussieht, siehst du auch bei Lokalzeit Land.Schafft auf YouTube.

Für den Umbau hat Wißbrock einiges investiert. Außerdem ist die Methode aufwändiger als konventioneller Anbau von Erdbeeren und es braucht viel Fachwissen: Die Bewässerung muss geplant, die Düngung dosiert und der Einsatz von Nützlingen beobachtet werden. Warum also dieser Aufwand?

Erdbeeranbau: Was sind die Vorteile von Tunneln und Stellagen?

NRW-weit bauen laut Landwirtschaftskammer rund 350 Betriebe auf einer Fläche von insgesamt 2300 Hektar Erdbeeren an. Rund ein Drittel aller Betriebe tun dies - wie Wißbrock - bereits in Tunneln, schätzt Karl Schulze Welberg. Er ist Experte der Landwirtschaftskammer NRW und berät Johannes Wißbrock und weitere Landwirte, die Erdbeeren oder andere Früchte anbauen. Von diesem Drittel nutze allerdings wiederum nur ein Viertel zusätzlich Stellagen, wie sie auf dem Hof in Bielefeld zu finden sind. Der geschützte Anbau werde aber immer beliebter: "Die Fläche im geschützten Anbau hat sich in den letzten zehn Jahren verdreifacht." Und das nicht ohne Grund.

Zu sehen ist ein Mann, der durch Erdbeerfelder geht

Durch Sohn Johannes Wißbrock hat der Hof eine Zukunft

Johannes Wißbrock hat sich intensiv in den Anbau in aufgebockten Stellagen und langen Tunneln eingelesen: "Wir sind vor drei Jahren quasi in die Höhe gegangen, um unsere Mitarbeiter zu schonen und auch um eine höhere Effizienz in der Arbeitsleistung zu bekommen." Was das genau heißt? "Wir haben viel mehr Pflanzen je Quadratmeter, ungefähr das Dreifache wie sonst im Freiland. Dementsprechend haben wir auch so das zwei- bis dreifache an Ertrag." Wer übrigens selbst gern Gemüse anbaut und wissen will, wie es ertragreicher werden kann, schaut am besten einmal hier vorbei.

Bei schwierigen Wetterbedingungen und steigenden Lohnkosten müssen die Betriebe wettbewerbsfähig bleiben. Für Wißbrock war der überdachte Anbau auf einem Großteil seiner 2,5 Hektar Anbaufläche die Flucht nach vorn. Während in Bielefeld die Erdbeeren von der Decke wachsen, lässt ein StartUp aus Witten sie gleich unabhängig der Jahreszeit vertikal an Wänden wachsen. Wie das funktioniert, liest du hier:

Gerade steht Wißbrock neben einer Erdbeerpflanze und hebt sie samt Wurzelballen aus dem länglichen weißen Topf. Er drückt in das Erdreich und erkennt sofort, ob die Pflanze genügend Wasser hat. Sein Fazit:

Johannes Wißbrock achtet bei seinem Kontrollgang auf die Bewässerung

00:20 Min. Verfügbar bis 20.06.2026

Mit geübten Handgriffen setzt der Landwirt aus Bielefeld die feuchte Erdbeerpflanze wieder zurück in den Kasten, der an ein Hochbeet erinnert. Angefangen mit dem Erdbeeranbau hatte Wißbrocks Vater Siegfried vor fast 25 Jahren. Der Hof Wißbrock ist seit Generationen ein Familienbetrieb. Zurzeit arbeiten beide gemeinsam auf dem Hof.

Das Ende der "Freiland-Erdbeere"?

Mit 65 Jahren gefällt Vater Siegfried Wißbrock die Erntezeit noch immer: "Die Saison ist immer ein Highlight des Jahres. Da haben wir viel zu tun, da wird jeder gebraucht. Nach Spaß fragt da keiner, den muss man haben." Er zupft eine rote Frucht der Pflanze ab. Manchmal esse er bis mittags nichts anderes als Erdbeeren, erzählt er lächelnd und blickt den mehr als hundert Meter langen Tunnel entlang. "Das ist vorwiegend Johannes Werk, was hier steht", sagt Siegfried Wißbrock, "wenn er nicht da wäre, würde der Betrieb auslaufen."

 

Vater Siegfried und Sohn Johannes arbeiten gerne zusammen

00:26 Min. Verfügbar bis 20.06.2026

Bisher ist Johannes Wißbrock mit dem Umstieg zufrieden. Inzwischen gibt es hier auf dem Hof nur noch ein Feld mit Freiland-Erdbeeren. Aber der 30-Jährige überlegt, langfristig ebenfalls Tunnel und Stellagen zu installieren: "In England ist diese Entwicklung vor zehn, 15 Jahren schon so massiv gekommen. Da gibt es fast keine Freiland-Erdbeeren mehr. Und ich gehe davon aus, dass das in Deutschland auch immer mehr der Fall sein wird."