Milchbauer Christopf Gerden steht in seiner Molkerei

"A2-Milch" aus der Eifel: Was die Milch eines Bauern so besonders macht

Euskirchen | Landwirtschaft

Stand: 20.06.2023, 11:05 Uhr

Laktoseintolerant und trotzdem Kuhmilch trinken? Ein Bauer aus der Eifelgemeinde Kall sagt: Das ist möglich. Und zwar mit ganz besonderen Kühen. Die Wissenschaft ist skeptischer.

Von Sabine Rieck

Zielsicher räumt Christoph Gerden mit seinen drei Mitarbeitern die ersten Milchflaschen in große Kühlboxen seiner Molkerei. Es ist 8.00 Uhr morgens. Vor zwei Stunden hat der 54-Jährige bereits die ersten Kühe gemolken. Um zehn muss die Milch spätestens in den Kühlregalen des örtlichen Supermarktes stehen. Seine Frau Claudia checkt konzentriert die Bestelllisten von Hotels und Eisdielen der Region. Die Kühe auf dem Taubentaler Hof in Kall geben ganz besondere Milch. "Wir geben den Leuten wieder die Chance Milch zu trinken, die vorher ein Problem damit hatten", sagt Milchbauer Gerden stolz. Wie das möglich ist?

Auf einer Weide stehen mehrere braun-weiße Kühe.

Viel Platz und viel A2-Eiweiß: Die Milchkühe in Kall

Wer das verstehen will, muss zurück ins Jahr 2016 springen. Damals herrschte eine Milchkrise. Wegen eines Überangebots zahlten Molkereien damals weniger als 20 Cent beim Bauern für einen Liter Milch. Die Gerdens setzten alles auf eine Karte und gründeten eine hofeigene Molkerei für Premiummilch. Sie wollten nicht länger von Großmolkereien abhängig sein, sich dabei aber nicht vergrößern und ihre Produkte gleichzeitig regional anbieten. In diesem Prozess ließen sie den Speichel ihrer 160 Kühe analysieren und machten eine Entdeckung.

Ur-Milch aus der Eifel

Um halb neun sind Kakao, Joghurt und Milch schon unterwegs zum Supermarkt. Gerden schneidet in der Molkerei einen viereckigen Käse in handelsübliche Stücke. Nebenbei steckt er sich genussvoll einen Käsewürfel in den Mund. Gleich muss er noch nach den trächtigen Kühen schauen. Diese Kühe, die Gerdes besuchen wird, geben wie alle Tiere auf dem Hof, keine herkömmliche Milch.

Was die Milch der Kühe in Kall so besonders macht

00:24 Min. Verfügbar bis 06.06.2025

Bei den Speichelproben stellten die Gerdens fest, dass ein Großteil ihrer Tiere das sogenannte A2-Eiweiß in ihrer Milch haben. Einst gaben alle Kühe A2-Milch ab, deshalb wird die Art der Milch auch als Ur-Milch bezeichnet. Im Handel gibt es vorwiegend A1-Milch. Im Unterschied zur normalen Milch soll diese Ur-Milch besser verdaulich sein. Verzehrsstudien fehlen jedoch bislang in Deutschland.

Treue Seele im Stall

"Wir haben über zehn Jahre am Hof unsere Kunden gefragt, wie sie unsere Milch vertragen", sagt Gerden. "Sogar Leute, die sonst keine Laktose vertragen, konnten unsere Milch trinken. A2-Milch ist in Australien und US-Amerika schon länger ein Verkaufsschlager", so der 54-Jährige. Im Labor unterscheidet sich der Laktosegehalt beider Milcharten allerdings nicht.

Eine bessere Verträglichkeit bei Laktoseintoleranz entbehre "jeder wissenschaftlichen Grundlage" heißt es vom Max Rubner-Institut. Für Familie Gerden stand nach Eigenstudien trotzdem fest, nur noch diese Art von Milch zu produzieren und zu vermarkten. "Das machen nur zwei bis drei Betriebe in ganz Deutschland. Also war das unsere Chance", sagt der Bauer. Die Kühe sind für die Bauernfamilie aber mehr als reine Milchlieferanten.

Sorgsam schiebt Gerden um zehn Uhr im Stall den trächtigen Kühen mit der Heugabel Futter vor die Nasen. Eine Kuh hat er besonders in Herz geschlossen. Das braun-weiße Tier trägt keinen Namen, gibt auch nicht besonders viel Milch, ist aber für den Bauern trotzdem einzigartig: "Sie kommt immer zu einem gerannt, wenn ich so durch den Stall gehe", sagt er und krault der Kuh über den Rücken. Sie folgt ihm auch weiter, als er Richtung Wiese marschiert. "Das ist dann auch ein Grund, warum man so an den Tieren hängt." Mehr zur Bedeutung des Kontakts zwischen Mensch und Tier gibt es auch in dieser Folge Lokalzeit Land.Schaff.

"A2-Milch": Zwischen Luxus-Hotel und Dorf-Supermarkt

Die Kühe gehören zur Familie. 120 Tage im Jahr stehen sie auf der Weide. Zwar geben sie ein Drittel weniger Milch als herkömmliche Kühe, doch Gerden steht hinter seiner Geschäftsidee. Klasse statt Masse. Rund zwei Euro kostet ein Liter seiner Milch im Handel. Auch Käse und Joghurt laufen gut. 40 unterschiedliche Produkte verlassen täglich seinen Hof. "Da ist man schon stolz drauf", sagt er und gerät ins Schwärmen: "Der Frischkäse mit Walnüssen und Feigen ist ebenso ein Verkaufshit, wie unser Camembert."

Flaschen mit Kakao, Becher mit Joghurt, eingeschweißter Käse.

Kakao, Joghurt, Käse: Alles mit der "besonderen Milch"

Luxushotels aus der Kölner Region, Supermärkte in der Eifel, aber auch die Dorfbewohner schätzen die besondere Milch. Gerden freut sich auch über den täglichen Kundenkontakt. "Mein Stall ist für jeden offen, der sehen will, woher die Milch kommt", sagt der Hofbesitzer. "Ich freue mich über jede Familie, die hier Kälbchen streicheln will."

Seine Nachbarin aus dem Ort, Ulla Schmitz, kommt regelmäßig ins Milchhäuschen am Stall, um sich die Milch zu zapfen. "Es schmeckt einfach anders. Ich weiß, dass es den Kühen hier gut geht und die Milch kommt von den Kühen, die ich jederzeit auch sehen und streicheln kann."

Über dieses Thema berichten wir auch im WDR-Fernsehen am 01.06.2023: Lokalzeit aus Aachen, 19.30 Uhr.