Düsseldorfer Büdchen: Kultur, Kumpel, Kummerkasten

Düsseldorf | Heimatliebe

Stand: 25.08.2023, 10:27 Uhr

Melanie und Markus da Mota Ribeiro haben einen Kiosk in Düsseldorf-Pempelfort übernommen. 16 Stunden täglich stehen sie im kleinen Büdchen. Und erhalten damit ein Stück Kultur im Viertel.

Von Daniela Partenzi

Bimbam. Wenn im Büdchen in Düsseldorf-Pempelfort an der Bagelstraße die Tür geht, bimmeln die Klangstäbe unter dem Flamingo. Das Glockenspiel hängt direkt über dem Eingang und ist permanent in Betrieb. "Die Ersten sind schon da, wenn mein Mann morgens aufschließt", sagt Melanie da Mota Ribeiro. Gemeinsam haben die beiden Anfang 30-Jährigen die Trinkhalle von ihren Eltern Anfang des Jahres übernommen. Mitgeholfen hat sie hier schon als kleines Kind.

Wie war es für Melanie da Mota Ribeiro mit dem Büdchen ihrer Eltern aufzuwachsen? 00:20 Min. Verfügbar bis 25.08.2025

Trinkhalle, das macht man nicht, um reich zu werden. Trinkhalle macht man aus Leidenschaft. Das ist beiden klar. Auch, dass es harte Arbeit ist: 16 Stunden jeden Tag - auch an den Wochenenden. Büdchen ist Vollbeschäftigung.

Düsseldorfer Büdchen: Ein Anlaufpunkt für das ganze Viertel

Deutschlandweit gibt es etwa 23.000 Kioske. Die ersten entstanden bereits während der industriellen Revolution Mitte des 19. Jahrhunderts, vor allem im Ruhrgebiet. Sie sollten - deswegen der Name Trinkhalle - Zugang zu sauberem Trinkwasser sicherstellen. Inzwischen ist das Sortiment gewachsen. Auch die gesellschaftliche Funktion der Büdchen hat sich verändert. Markus da Mota Ribeiro ist für Stammkunden eine Mischung aus Kummerkasten und Kumpel geworden.

"Ich mag den Kontakt zu den Menschen", sagt er. Er sei ein Gastrokind und liebe die Plauderei. "Viele erzählen mir ihr ganzes Leben, andere schütten ihr Herz aus."

Was macht die Arbeit im Büdchen besonders für Markus da Mota Ribeiro? 00:41 Min. Verfügbar bis 25.08.2025

Klar ist auch oft Alkohol im Spiel. Eine ganze Regalwand voller Flaschen steht neben der Kasse. "Büdchen ohne Alkohol? Das kannst du nicht machen", sagt Markus da Mota Ribeiro. "Aber ich sage auch etwas, wenn ich merke, einer stürzt ab." Büdchen ist eben auch ein bisschen Seelsorge. Und ewiges Nachladen. Gerade hat er das Bier nachgefüllt, Schokoriegel sind auch alle.

Ein Dauerbrenner: die Süßigkeiten zum selbst zusammenstellen | Bildquelle: WDR

Melanies Vater hatte den Laden in den 1990er-Jahren für ihre Mutter gekauft. Die war vorher in Istanbul Geschäftsfrau und sollte sich hier nicht langweilen. Der Vater war erst nur nebenbei an Bord, stieg dann aber ganz ein. Fast täglich lässt er sich heute noch blicken, plaudert mit den Kunden.

Büdchen, das verbindet

Bimbam. "Hallöchen", ruft es durch den Laden. "Tach, Onkel Schalke“, antworten die Büdchenbesitzer fast zeitgleich. Ein Mann in königsblauer Montur inklusive Schalke-Sonnenhut und Ruhrpott-Tattoo hat den Laden betreten. So läuft er als Düsseldorfer rum, immer. Schalke, das sei sein Verein und das sei sein Büdchen. "Es ist so familiär hier. Er war sogar auf meiner Hochzeit", sagt der Kunde und zeigt auf Markus da Mota Ribeiro. Der steht hinter der Kasse und lächelt. "Ja, stimmt." Büdchen verbindet eben.

"Onkel Schalke" und seine Frau heirateten in königsblau und weiß | Bildquelle: WDR

"Ich bin hier aufgewachsen, habe immer geholfen. Es hat total Spaß gemacht und viele Kunden kennen mich von klein auf", sagt Melanie da Mota Ribeiro, ausgebildete Großhandelskauffrau. Sie streicht sich die langen dunklen Haare glatt und strahlt zufrieden. Sowas gebe man nicht auf, sagt sie. "Wir hätten es nicht übers Herz gebracht, den Laden zu verkaufen."

Bimbam. Wieder Kundschaft. Eine Traube Grundschüler drückt sich vor die Eistruhe. In aller Ruhe erklärt die Büdchenbesitzerin die Eiskarte. Wieder und wieder. Sie holt Wassereis raus, tauscht es gegen ein Cornetto, lieber doch ein Magnum? Büdchen ist auch Geduldsache.

30 Jahre Kiosk in Düsseldorf

Sohn Luis stürmt rein. "Er ist fünf, genauso alt wie ich, als meine Eltern den Laden aufgemacht haben", sagt Melanie da Mota Ribeiro. Die bunte-Tüte-Auslage lässt ihn heute kalt. Ein Teil pro Tag, das ist der Deal zwischen Eltern und Sohn. So war es auch in da Mota Ribeiros Kindheit.

30 Jahre haben ihre Eltern das Büdchen am Düsseldorfer Rochusmarkt betrieben. Machen die Nachfolger auch so lange? "Dann bin ich 61", sagt Markus da Mota Ribeiro und denkt nach. "Mal schauen." Seine Frau nickt. Sie muss nicht alles machen wie ihre Eltern. Die erste Änderung ist schon beschlossen: Im nächsten Sommer macht das Büdchen Betriebsferien. Zum ersten Mal überhaupt.

Über das Thema haben wir am 11.08.2023 auch im WDR-Fernsehen berichtet: Lokalzeit aus Düsseldorf, 19.30 Uhr.