Von der Kiosk-Ruine zum Gartenparadies
Stand: 22.09.2023, 07:51 Uhr
Jeden Tag muss Ceylan Yilmaz dem Kiosk aus ihrer Jugend dabei zusehen, wie er zerfällt - bis sie einfach die Telefonnummer der ehemaligen Besitzerin wählt.
Von Agata Pilarska
Es ist ein ruhiger, warmer Nachmittag in Wanne-Eickel. Nur eine hohe Stimme durchbricht das monotone Rauschen des Verkehrs auf der Richard-Wagner-Straße: "Gemischte Tüte auch mit Lakritz?" Die Stimme gehört Ceylan Yilmaz. Mit leuchtenden Augen und einem Lächeln im Gesicht öffnet die 27-Jährige jede einzelne Schütte des Süßwarenregals und packt Lakritzschnecke, weiße Maus und jeweils ein anderes Weingummi in Tiergestalt in die Papiertüte.
Als Teenager hat sie hier selbst Süßigkeiten und sogar ihre erste Bravo gekauft. Jetzt gehört die Bude ihr. Die Vorbesitzerin ist weggezogen, rund zwei Jahre stand das kleine Häusschen leer. Dem Kiosk, an dem sie selbst als Kind so oft gewesen war, dabei zuzusehen, wie er zerfällt, war traurig für sie. Dann entdeckt Yilmaz ein Verkaufsschild mit Telefonnummer und ruft kurzerhand dort an.
Ceylan Yilmaz spricht über anfängliche Bedenken
00:14 Min.. Verfügbar bis 20.09.2025.
Den Schritt in die Kiosk-Selbstständigkeit hat nicht nur Ceylan Yilmaz gewagt. Auf der anderen Seite des Ruhrgebiets, in Moers, hat sich Shenur Alija-Mai mit einem Kiosk selbstständig gemacht. Seine Geschichte gibt es hier.
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Hilfe aus der Nachbarschaft
"Ich wollte eigentlich hören, ob es generell Interessenten gibt. Dann haben wir einfach mal einen Besichtigungstermin gemacht. Und auf einmal ging alles ganz schnell." Die Freude in der Nachbarschaft war groß: Einige kamen sogar vorbei, um bei der Renovierung zu helfen.
Aus einer Ruine wird nach 4 Monaten Renovierung ein Schmuckstück
Das Gröbste war nach vier Monaten geschafft. Ein Künstler, der früher selbst oft bei der alten Bude war, bemalte die Seitenwand mit einem riesigen Schmetterling. Umringt von vielen, farbenfrohen Blumen können die Kunden hier verweilen und ihren Kaffee in der Sonne trinken. Der kleine Garten ist das Reich von Yilmaz Mutter. Mit ihrem grünen Daumen ist sie ihre größte Unterstützerin.
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Der versteckte Gemüsegarten
"Schau mal, wie viele Bohnen wir schon haben", sagt sie zu ihrer Tochter. Hatice Yilmaz hat hinter der Bude einen ganzen Gemüsegarten angelegt: Es wachsen Gurken, Tomaten, Paprika, riesige Sonnenblumen und ein paar kleine Obstbäume. Seitdem Yilmaz 2020 den Kiosk übernommen hat, kümmert sich ihre Mutter täglich um die Pflanzen, die sie alle selbst angebaut hat. Gelegentlich landet das Gemüse sogar auf den belegten Brötchen der Kunden.
Der Garten ist das Reich von Hatice Yilmaz
Eine Nachbarin kommt mit ihrem Hund vorbei und begrüßt Mutter und Tochter mit Vornamen. Eine zweite Frau kommt mit ihrem vierbeinigen Begleiter dazu. Yilmaz macht Kaffee, während ihre Mutter die Hunde mit Snacks füttert. Fast täglich treffen sich die beiden Kundinnen hier. Sie bleiben auf ein Schwätzchen und starten gemeinsam ihren Spaziergang. Wieder leuchten Yilmaz Augen: "Der Treffpunkt hat einfach allen gefehlt. Mir selbst auch."
Das versteckte Gartenparadies hinter dem Kiosk
00:10 Min.. Verfügbar bis 20.09.2025.
Über dieses Thema haben wir auch im WDR-Fernsehen am 08.09.2023 berichtet: Lokalzeit Ruhr, 19.30 Uhr.