Ein Mann steht mit einem Handgepäckskoffer vor einer Hauseinfahrt. Auf dem Koffer steht eine Kühlbox.

Der Stammzellenkurier: Um die Welt mit einer lebensrettenden Kühlbox

Rhein-Kreis Neuss | Füreinander

Stand: 16.09.2024, 07:23 Uhr

Südamerika, Australien, Frankreich oder Thüringen: Jörg van Bracht aus Meerbusch bringt in einer Kühlbox lebensrettende Stammzellen oder Knochenmarkspenden zu Kliniken auf der ganzen Welt. Ehrenamtlich. "Und immer so schnell wie möglich."

Von Ina Reuter

In spätestens 72 Stunden muss der 58-jährige Jörg van Bracht die Blutkonserven überbracht haben. Die Zentrale fragt wenige Tage vorher bei ihm an, ob er die Tour übernehmen kann. Reisedokumente, Tickets und Sondergenehmigungen werden für ihn vorbereitet. Dann geht es los. Wenig Schlaf, kein Gehalt, aber viel Verantwortung.

1. Lokalzeit: Wie sind Sie Kurier für Stammzelltransporte geworden?

Jörg van Bracht: Ich bin beruflich im Vertrieb sehr viel unterwegs gewesen. Inzwischen habe ich mehr Zeit und als ich davon hörte, habe ich mich beworben. Für mich hat sich damit ein Kindheitstraum erfüllt. Ich habe als 13-Jähriger "Der Kurier des Zaren" von Jules Verne gelesen. "Sowas will ich auch machen", habe ich damals gedacht. Einfach mal was Wichtiges von A nach B transportieren.

Die erste Reise mit dieser Kühlbox war Adrenalin pur

00:32 Min. Verfügbar bis 16.09.2026

2. Lokalzeit: Welche Voraussetzungen sind für das Ehrenamt wichtig?

Van Bracht: Gut Englisch sprechen, Reiseerfahrung haben und vor allem: zuverlässig sein. Es ist jedes Mal eine enorme Verantwortung, die du übernimmst. Wenn du startest, weißt du, dass der Empfänger sehnlichst darauf wartet. Es kann sein, dass wenn du ankommst, der Spender schon im Nebenraum wartet und die Transplantation der Stammzellen vorbereitet ist.

3. Lokalzeit: Worauf müssen Sie bei Ihren Reisen achten?

Van Bracht: Ich habe vorher eine Schulung bekommen und da wurde uns gesagt: Wir dürfen die Box niemals aus den Augen lassen. Wenn ich bei Zwischenübernachtungen das Hotelzimmer verlasse, ist sie dabei. Wenn ich auf Toilette gehe, ist sie auch dabei. Die Box darf nur nicht durch das Röntgengerät am Flughafen. Die Bundespolizei bringt sie durch den Sicherheitscheck. Dann bin ich wieder verantwortlich.

4. Lokalzeit: Was ist denn, wenn Flieger umgeleitet werden? Oder Züge verspätet sind?

Van Bracht: Die Befürchtung ist natürlich da, aber meistens läuft alles entspannt. Für den Notfall habe ich eine 24/7-Telefonnummer einer Reiseagentur, die sofort umbucht und alles regelt. Ich habe nur mein Handgepäck und die Kühlbox dabei.

Ein Mann hält eine große Kiste auf dem Schoß

Stammzellenkurier Jörg van Brecht mit seiner lebensrettenden Kühlbox

5. Lokalzeit: Sie sind seit zwei Jahren mehrfach im Jahr als Kurier unterwegs. Australien war die weiteste Tour, häufiger auch die USA. Erinnern Sie sich an eine Reise besonders?

Van Bracht: Es gibt bei jeder Reise besondere Begegnungen. Brasilien war unvergesslich, weil ich kein Portugiesisch spreche und das Klinikpersonal so unglaublich herzlich und dankbar war, dass ich die Stammzellen von so weit hergebracht habe. Piloten laden mich ins Cockpit ein, Mitreisende fragen nach und man kommt mit Menschen ins Gespräch, die ich sonst nie kennengelernt hätte.

6. Lokalzeit: Sie bekommen keine Bezahlung, nur eine Aufwandsentschädigung. Sind dann die Reise-Erlebnisse der Lohn?

Van Bracht: Ja, absolut. Ich kann vor Ort die Reise um einige Tage verlängern, wenn ich das möchte. Auf eigene Kosten. Das habe ich zum Beispiel in Brasilien gemacht. Die Rückreise bezahlt dann wieder die Zentrale. Aber vor allem ist es mir eine absolute Ehre, Teil eines Teams zu sein, das schwer kranken Menschen durch Stammzellen oder Knochenmarkspenden ein solches Glück schenkt.

Wie sich Jörg van Bracht nach den Übergaben fühlt

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7. Lokalzeit: Treffen Sie manchmal auf die Empfänger?

Van Bracht: Nein, alles muss anonym bleiben. Aber wenn ich in der Klinik ankomme und die Stammzellen abgebe, dann ist der Moment magisch. Die Mitarbeiter lächeln mich an und uns ist allen klar, jetzt gleich bekommt ein Mensch eine zweite Lebenschance. Dieser Moment ist es, der mich jedes Mal berührt und stolz sein lässt.

Über dieses Thema haben wir am 25.07.2024 im WDR Fernsehen berichtet: Lokalzeit Düsseldorf, 19.30 Uhr.