Hebamme Nadia Hassan spricht mit der frischgebackenen Mutter Metka Difortuna und ihrem kleinen Sohn Enzo

Unterwegs mit dem Hebammenmobil: Hilfe für alle, die sie brauchen

Essen | Füreinander

Stand: 03.12.2024, 07:58 Uhr

Hebamme Nadia Hassan hilft Schwangeren, die keine Geburtshelferin finden. Die Hebamme arbeitet im ersten Hebammenmobil für das Ruhrgebiet. Warum das Angebot so wichtig ist.

Von Kai-Hendrik Haß

Es rauscht und knistert laut, während Nadia Hassan mit dem Ultraschallgerät sanft über den Bauch von Amdya Agouda gleitet. Die 35-jährige Essenerin ist im sechsten Monat schwanger. "Toll", nickt Hebamme Hassan zufrieden. Alles in Ordnung. So erfreulich das Ergebnis der Untersuchung, so ungewöhnlich ist der Ort, an dem sie stattfindet. Ein kleiner Raum mit grauen Fließ-Wänden in einem umgebauten Van mit Besprechungstisch, Behandlungsliege, vielen Fächern und Schubladen. Es ist das erste Hebammenmobil des Ruhrgebiets.

Was macht ein Hebammenmobil?

Die werdende Mutter Amdya Agouda ist froh, dass sie hier Hilfe erhält. Die Hebammen, die mit ihrer Frauenarztpraxis kooperieren, hatten keine Kapazitäten mehr. So wie ihr geht es vielen Frauen in NRW. Die Hochschule für Gesundheit in Bochum hat 2019 in einer Untersuchung festgestellt, dass 6,8 Prozent der Schwangeren keine Hebamme für die Betreuung in der Schwangerschaft gefunden haben. Für Hebamme Nadia Hassan ist das zum Teil auch ein selbstgemachtes Problem, weil die berufliche Anerkennung für Hebammen aus dem Ausland in Deutschland lange dauert und mit viel Bürokratie verbunden ist.

Nadia Hassan über die Probleme der beruflichen Anerkennung ausländischer Hebammen

00:32 Min. Verfügbar bis 03.12.2026

"Ich habe sehr viel Glück gehabt und sofort Nadia bekommen", sagt Agouda, während sie auf der Liege liegt und den Blutdruck gemessen bekommt. Bevor sie bei Hassan betreut wurde, hatte sie Panikattacken, wenn sie Babysachen einkaufen war. Die Angst vor einer Fehlgeburt bestimmte ihren Alltag. "Nadia hat mir eine unheimliche Sicherheit gegeben. Dann habe ich wirklich erst angefangen, Babysachen zu kaufen", sagt sie.

Dabei haben eigentlich alle Frauen ein Anrecht auf eine Hebamme. Die Gründe, warum sie trotzdem keine finden, sind unterschiedlich. Auf dem Land sind manchmal die Wege sehr weit, im Ruhrgebiet kommt es auch manchmal zu Sprachproblemen. Hassan, selbst dreifache Mutter, spricht Deutsch, Kurdisch und Arabisch und erreicht damit eine Zielgruppe, die sonst nur wenige betreuen können.

Seit September arbeitet Hassan für das Hebammenmobil. Es ist das dritte seiner Art in NRW. Die anderen beiden sind in den ehemaligen Flutgebieten im Ahrtal und im Münsterland unterwegs. Koordiniert wird es vom Arbeitersamariterbund, das Land NRW unterstütze die Anschaffung mit rund 120.000 Euro. Den laufenden Betrieb finanzieren Spenden. Im Ruhrgebiet ist es an mehreren Standorten in Bottrop und Essen zu finden. Es soll ausdrücklich keine Konkurrenz zu niedergelassenen Hebammen sein, sondern dort helfen, wo Frauen in Not sind, niemanden finden.

Vertrauen ist alles

Hassan hat bereits viel Erfahrung in dem Beruf, die 58-Jährige arbeitet seit über 35 Jahren als Hebamme. Zunächst in ihrem Heimatland Syrien, später dann in Deutschland. Heute kann sie sich kaum vor Aufträgen retten. "Mein Tag geht manchmal von 8 bis 22 Uhr. Ich muss auch an mich denken. Aber ich bin eine Person, die gerne gibt." Emphatisch und erfahren. Das schätzen die Frauen im Hebammenmobil sehr. So wie Delila Erdem. Die 31-Jährige ist im fünften Monat schwanger.

Delila Erdem über die Ängste, die Frauen in der Schwangerschaft haben

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Kaum hat Erdem das Mobil verlassen, zieht schon die nächste Mutter den grauen Vorhang hinter sich zu, der den kleinen Behandlungsraum vom Rest des umgebauten Transporters abtrennt. Die 26-jährige Slowenin Metka Difortuna hat den wenige Wochen alten Enzo mitgebracht. Sie hat Probleme beim Stillen. Die Hebamme erklärt geduldig, macht ihr Mut: "Du bist auf dem richtigen Weg".

Difortuna fühlt sich bei Hassan gut aufgehoben. Ohne sie wäre es schwierig geworden. "Ich habe so viele Anfragen an Hebammen geschickt. Es gab keine Antwort. Vielleicht, weil die Anfragen in Englisch waren und nicht in Deutsch. Vielleicht haben es einige einfach ignoriert." Hassan verabschiedet die 26-Jährige mit einer herzlichen Umarmung und winkt die nächste Frau in den Van.

Über dieses Thema haben wir auch am 25.11.2024 im WDR Fernsehen berichtet: Lokalzeit Ruhr, 19.30 Uhr.