Tierarztbesuch zu teuer? Wie dieser Verein in Köln hilft
Stand: 20.03.2024, 10:22 Uhr
Lutz Wingerath hilft denen, die sich nicht selbst helfen können. Er hat den Verein Herzensangelegenheit e.V. gegründet, der mit einem Tiermobil bedürftigen Menschen kostenlose Behandlungen für Haustiere anbietet. Ein Besuch.
Von Lena Breuer
Lutz Wingerath sitzt auf einem Campingstuhl, der fast schon zu klein für ihn wirkt, hinter einem kleinen Aufstelltisch auf dem Kirchvorplatz in Köln Sülz. "Sie sind die Frau Özer, oder? Und das ist Luna?", fragt er eine Frau in ihrer roten Winterjacke und deutet auf den kleinen, wuscheligen Hund in ihrem Arm. "Warten Sie, ich schaue mal nach Ihrer Karteikarte." Vor ihm auf dem Tisch steht ein grauer Plastikkasten. Routiniert sucht der 52-Jährige darin nach der passenden Karteikarte. "Hier hab ich Sie, dann schauen wir doch mal, wie wir Luna helfen können." Auf der Karte notiert er, was Luna fehlt: Zahnschmerzen, so stark, dass sie nicht mehr essen kann. Ohne bei Wingerath vorzusprechen, kommt niemand ins Tiemo, kurz für Tiermobil, und zum Tierarztteam.
Was ist Herzensangelegenheit e. V.?
00:16 Min.. Verfügbar bis 20.03.2026.
Wenn Tierarztkosten zur Belastung werden
Tierarztkosten werden in Deutschland immer privat abgerechnet. Eine Zahnbehandlung beim Vierbeiner kann schnell mehrere Hundert Euro kosten. Im Schnitt zahlen Hundebesitzerinnen und -besitzer zwischen 100 und 200 Euro pro Jahr für ihren Hund. Geld, das viele Menschen nicht haben. Die Kosten für Futter in Höhe mehrerer hundert Euro ist da noch nicht mit eingerechnet. Wer selbst knapp bei Kasse ist, der steht häufig vor der schweren Entscheidung, das Haustier abzugeben.
"Wir sind der Meinung, jeder und jede hat das Recht, ein Tier zu halten, egal ob arm oder reich", erklärt Wingerath die Philosophie des Vereins. "Gerade bei den Menschen, die zu uns kommen, ist der Hund oder die Katze ein ganz, ganz wichtiger Bezugspunkt."
Wie ist es zu dem Projekt gekommen?
00:16 Min.. Verfügbar bis 20.03.2026.
Gute Vorsätze als Motivationsschub
Seit 2018 gehört mindestens ein Nachmittag in Wingeraths Woche dem Verein Herzensangelegenheit. "Meine Frau hat mich damals in einer Silvesternacht gefragt, was mein Vorsatz für das neue Jahr ist. Ich habe gesagt: Mehr für den Tierschutz tun", erzählt der 52-Jährige, während er neue Patientendaten in die Karteikarte einträgt. Eigentlich ist Wingerath Leiter der Kölner Sportstätten und beruflich stark eingespannt.
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In der Stadt gut vernetzt zu sein, hat auch für die Vereinsarbeit Vorteile. Der Verein finanziert sich aus Spenden und Mitgliedsbeiträgen. Für die mobile Tiertafel und -praxis kauften sie einen alten Lieferwagen und bauten ihn aufwendig um. Knapp 54.000 Euro haben sie investiert. "Es ist unser Kernstück, aber wir machen auch noch andere Tierschutzprojekte. Wir verschenken zum Beispiel Futter und Halsbänder", sagt Wingerath.
Lutz Wingerath kümmert sich um die "Patientenakten" der Haustiere
Warum sich der Einsatz lohnt
Zweimal im Monat sind sie auf dem Bahnhofsvorplatz in Sülz. Mittlerweile fährt die mobile Tierarztpraxis vier Stationen im Kölner Umland an. Projekte dieser Art gibt es auch in anderen Städten in Nordrhein-Westfalen. Der Bedarf ist groß, die Inflation der vergangenen Jahre hat die Situation für viele Halter nicht leichter gemacht. An diesem Nachmittag kommen in Köln 16 Menschen mit jeweils bis zu zwei Haustieren. Wer sein Tier im Tiermobil behandeln lassen möchte, muss vorher nachweisen, dass er auf die Hilfe angewiesen ist.
Das Tiemo fährt vier Stationen rund um Köln an
"Ich bin so froh, dass es diesen Verein gibt", sagt Petra Ziolkowski, "Ich bin 64, lebe vom Bürgergeld und kann mir einen Tierarztbesuch einfach nicht leisten." Auf ihrem Arm hält sie ihren kleinen Hund Sunny. "Ich kann ihn doch nicht abschaffen, der ist bei mir groß geworden." Ziolkowski und Sunny sind als Nächstes dran, Luna und ihre Besitzerin kommen ihnen aus dem weißen Tiermobil entgegen. Zwei Zähne wurden gezogen, jetzt ist der Schmerz weg. "Wenn ich in die Gesichter der Menschen gucke, die Dankbarkeit sehe, dann weiß ich, warum ich das tue", sagt Lutz Wingerath und streichelt Luna über den Kopf.
Über dieses Thema berichteten wir auch im WDR-Fernsehen am 24.02.2024: Lokalzeit am Samstag, 19.30 Uhr.