Ein Senioren-Pärchen hält sich an den Händen

Medizinisches Café: Wo pensionierte Ärzte Patienten beraten

Münster | Füreinander

Stand: 01.10.2023, 10:23 Uhr

Viele Patienten fühlen sich mit ihren Diagnosen allein gelassen. Ihr behandelnder Arzt kann sich nicht genug Zeit für ein Gespräch nehmen - sie sind ratlos. Im "Med.-Café" in Münster helfen pensionierte Ärzte weiter.

Von Antje Kley

Sprechstunde im Medizinischen Café, kurz Med.-Café genannt, im Seniorentreff im "Alten Backhaus" in Münster. Wolfgang Wagner ist gekommen. Er hat zwei künstliche Knie bekommen, aber beim Treppensteigen immer noch Probleme. Die Knie tun weh und irgendwie läuft es noch nicht so rund wie es sollte. Johannes Semmelmann ist für ihn zuständig. Der Mediziner war bis zur Pensionierung Orthopäde und Unfallchirurg. Der Arzt hört zu, gibt Ratschläge, nimmt sich Zeit.

Johannes Semmelmann berät einen Patienten

Die Knie schmerzen: Wolfgang Wagner (rechts) sucht sich Rat bei Johannes Semmelmann

Semmelmann ist einer von sieben Ärzten, die im Med.-Café ehrenamtlich arbeiten. Einmal im Monat - an jedem vierten Mittwoch - wird der Seniorentreff "Altes Backhaus" zum Med.-Café. Auf jedem Tisch stehen Kaffee und Kekse - die Atmosphäre soll entspannen. Das ist wichtig für offene und persönliche Gespräche. Denn die pensionierten Ärzte setzen da an, wo berufstätige Mediziner keine Zeit mehr haben: Sie erklären Diagnosen, ordnen Behandlungen ein und manchmal hören sie einfach nur zu.

Idee kommt aus der Schweiz

Dr. Peter Dahm hatte die Idee zu dieser Art medizinischem Café. Er war im Urlaub in der Schweiz, erfuhr dort von solch einem Projekt. In acht Städten gibt es das, etwa Bern, Winterthur oder Zürich. Er war so begeistert, sagt er, dass er in Münster sofort nach Gleichgesinnten und Räumlichkeiten suchte.

Med.-Café in Münster: Pensionierte Ärzte beraten Patienten

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"Das Prinzip", erzählt der 75-Jährige, "ist einfach. Die Menschen melden sich an mit Namen und Problem. Dann werden sie den Medizinern zugeordnet. Die Ärzte kommen nämlich aus unterschiedlichen Fachbereichen. Einer ist beispielsweise Chirurg, einer Neurologe, eine weitere Gynäkologin."

Ganz wichtig: Die pensionierten Ärzte untersuchen nicht, das ist mit der Ärztekammer abgesprochen. Sie stellen keine medizinischen Diagnosen - sie beraten und klären auf.

Ilse Kreuz kommt in das Med.-Café. Sie ist unglücklich und verzweifelt. Sie sieht sehr schlecht, ist schwerhörig und hat manchmal das Gefühl, verrückt zu werden. In ihrem Kopf geht so viel durcheinander, erzählt sie. Ihr Arzt hat keine Zeit für sie. Nun ist sie hier und hofft auf Hilfe. Eine Ärztin kommt und nimmt sie mit in einen anderen Raum. Auch das gehört zum Konzept: ein Extrazimmer für persönliche Gespräche, bei denen Arzt und Patient Ruhe haben.

Ilse Kreuz fühlt sich im Med.-Café verstanden

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Eine halbe Stunde nehmen sich die Mediziner Zeit, oft auch mehr. Bis zu einer Stunde kann ein Gespräch dauern. An manchen Tagen kommen bis zu 20 Patienten hierher. Und die Nachfrage steigt.

Ilse Kurz ist fertig, sie kommt aus dem Zimmer. Das Gespräch hat lange gedauert. Und es hat ihr geholfen. Erzählen will sie nicht, aber ihr Gesicht spricht Bände. Sie lächelt.

Über dieses Thema berichteten wir auch im WDR-Fernsehen am 30.08.2023: Lokalzeit aus Münster, 19.30 Uhr.