Death Café in Düsseldorf: Wo möchten Sie sterben, Frau Hofmann?
Stand: 01.11.2024, 08:03 Uhr
Der Tod gehört zum Leben dazu. Und trotzdem wird darüber kaum gesprochen. Das will das Death Café in Düsseldorf ändern - nicht als Trauergruppe, sondern als lebendiger Ort für Gespräche über das Tabuthema Tod.
Von Hanna Makowka
Das Thema Tod aus der Tabuzone holen
Auf einem Tisch vor Brigitte Hofmann liegt eine Landkarte mit verschiedenen Begriffen. "Aufwind", "Durststrecke" und "Sackgasse" steht dort unter anderem drauf. Mit einer Holzfigur soll sie einordnen, wie sie sich gerade fühlt und an welchem Punkt im Leben sie steht. Die 79-Jährige schnappt sich eine grün-weiße Figur und schiebt sie auf "Über den Wolken".
Zusammen mit rund 20 weiteren Personen ist Hofmann ins Düsseldorfer Schauspielhaus gekommen. Hier findet heute das Death Café statt. Nur ein Ehepaar ist dabei. Die anderen sind alleine hier und werden in den kommenden anderthalb Stunden mit fremden Menschen über den Tod sprechen. Aufregung und Nervosität liegen spürbar in der Luft. Hofmann hingegen weiß, was auf sie zukommt. Sie ist Stammgast im Düsseldorfer Death Café und von Anfang an dabei. "Ich bin jetzt eben in einem Alter, wo man sich mit dem Sterben mehr beschäftigt", meint sie.
Brigitte Hofmann über die Stimmung beim Death Café
00:21 Min.. Verfügbar bis 01.11.2026.
Das Death Café in Düsseldorf gibt es seit Anfang 2023 und findet alle drei Monate statt. Dahinter steckt ein weltweites Konzept. Das erste Café dieser Art wurde in London gegründet, mittlerweile gibt es rund 1.500 Ableger auf der ganzen Welt. Das Thema Tod und Sterben steht bei den Treffen immer im Fokus. Doch das Death Café sei explizit keine Trauergruppe, erklärt Birgit Wurzler. Sie moderiert heute gemeinsam mit Silke Kaulbarsch und Ramona Schulte von der Akademie Regenbogenland die Veranstaltung.
Birgit Wurzler erklärt den Unterschied zwischen Trauergruppe und Death Café
00:23 Min.. Verfügbar bis 01.11.2026.
Laut einer Umfrage des Deutschen Hospiz- und Palliativverbandes aus dem Jahr 2022 finden 60 Prozent der befragten Menschen, dass sich die Gesellschaft zu wenig mit den Themen Sterben und Tod befasst. Genau das soll das Death Café ändern.
Wo möchtest du sterben?
Am Tisch von Brigitte Hofmann ist es kurz still geworden. "Wo möchtest du sterben?" Diese Frage hat gerade Silke Kaulbarsch vom Moderationsteam den Teilnehmern gestellt. Viele müssen über die Frage erst einmal nachdenken und einige, die für sich die Antwort schon gefunden haben, haben Hemmungen, als Erstes zu sprechen. Doch dann bricht eine Teilnehmerin das Eis. "Ich fände es nicht schlecht, im Urlaub zu sterben. So schön am Strand unter einer Palme einschlafen", meint die Frau und lächelt in die Runde. "Aber dann tot per Flugzeug nach Hause transportiert werden? Nee, danke", erwidert eine andere Teilnehmerin. Hofmann meldet sich leise zu Wort: "Einfach zu Hause im eigenen Bett einschlafen. Das ist doch die Wunschvorstellung."
Die Teilnehmer an ihrem Tisch nicken der 79-Jährigen zu. Bei dieser Frage sind sich alle schnell einig. Und mit dieser Meinung ist die Gruppe nicht allein. Bei einer Umfrage der DAK-Krankenkasse nannten 60 Prozent der Befragten ihr eigenes Zuhause als den angenehmsten Ort, um zu sterben. Danach folgte das Hospiz mit 16 Prozent.
Beim Death Café gibt es mehrere vorbereitete Fragen, die die Teilnehmer mit den Menschen, die neben ihnen sitzen, diskutieren sollen. Die Fragen sind bei jedem Treffen anders, das Thema Tod ist allerdings immer präsent. Nach jeder Frage werden die Plätze gewechselt, um mit anderen Menschen ins Gespräch zu kommen.
Death Café in Düsseldorf
- Adresse: Düsseldorfer Schauspielhaus (Foyer), Gustaf-Gründgens-Platz 1, 40211 Düsseldorf
- Nächster Termin: Donnerstag, 07.11.2024, 17.00 bis 18.30 Uhr
- Das Angebot ist kostenfrei
- Anmeldungen sind über die Website der Akademie Regenbogenland und über das Schauspielhaus in Düsseldorf möglich
Mit Fremden über Tabuthemen sprechen fällt leichter
Ein Gong ertönt. Die nächste Fragerunde steht an. Hofmann bleibt sitzen, während die Menschen um sie herum aufstehen und sich einen neuen Platz suchen. Ein paar Minuten später sind die Stühle um sie herum wieder besetzt. Dann stellt Kaulbarsch die zweite Frage: "Welcher persönliche Gegenstand soll unbedingt mit in dein Grab?"
Auf diese Frage hat zunächst keiner eine Antwort. "Da habe ich noch nie drüber nachgedacht", sagt Hofmann. Alle anderen in der Runde nicken zustimmend. "Hmm", überlegt eine Frau, die gedankenverloren an ihrem Finger an einem großen, silbernen Ring in Form einer Rose spielt. "Wahrscheinlich würde ich meinen Ring mitnehmen wollen. Den habe ich auf Fuerteventura gekauft und den trage ich immer." Hofmann ist bei dieser Frage zurückhaltend. Sie hört zu, wie die anderen diskutieren, nickt ab und zu. Genau für diesen Austausch ist die 79-Jährige hier: Zu hören, was andere Menschen zu Themen zu sagen haben, über die man im Alltag nur selten spricht.
Dass es gerade mit fremden Menschen oft leichter fällt über schwere Themen zu sprechen, weiß auch Kaulbarsch. "Oftmals kann man nicht im familiären Umfeld darüber sprechen, deshalb tut es gut, das in einem fremden und wechselnden Umkreis zu machen", sagt die 56-Jährige. Das Konzept kommt bei den Teilnehmern an. Brigitte Hofmann ist sogar so begeistert, dass sie sich mittlerweile mit ein paar Frauen auch zu einem privaten Death Café trifft.
Bei diesen Treffen ist auch Gisela Berkemeier-Woitalla dabei. Die 72-Jährige gehört wie Hofmann zu den Stammgästen des Death Cafés in Düsseldorf. Sie habe sich wegen Todesfällen in der Familie schon als Kind mit dem Thema Tod auseinandersetzen müssen. "Das war schon immer mein Thema. Es war immer sehr spannend und zugleich traurig für mich." Umso wichtiger ist es für Berkemeier-Woitalla, sich mit anderen über den Tod auszutauschen. "Ich finde, das ist hier ein sehr schöner Rahmen, wie über den Tod gesprochen wird. Ich erlebe das hier nicht drückend, sondern sehr lebendig und fröhlich sogar."
Die eigene Beerdigung planen
Wieder erklingt ein Gong. Zeit, die Plätze für die letzte Frage zu wechseln. Diese dreht sich um die eigene Lebensparty. Einige Teilnehmer gucken fragend. "Das ist ein modernerer Begriff für eine Beerdigung", erklärt die Moderatorin. Die nächsten Minuten soll darüber diskutiert werden, wie die eigene Lebensparty aussehen soll.
Die Teilnehmer sollen über ihre eigene "Lebensparty" diskutieren
00:32 Min.. Verfügbar bis 01.11.2026.
Laut einer Umfrage eines Online-Bestattungsunternehmens hat knapp über die Hälfte der Befragten bislang keine Vorbereitungen für die eigene Beerdigung getroffen. Kein Wunder also, dass auch beim Death Café erstmal Ratlosigkeit herrscht. "Ich war mal auf einer Beerdigung von einem Familienmitglied. Die verstorbene Person hatte eine ganze Playlist mit Musik zusammengestellt", erinnert sich ein Mann. Für sich selbst könne er sich das aber nicht vorstellen. Auch nach einigen Minuten haben die meisten keine Ideen. "Aber es macht eigentlich schon Sinn, da mal was festzulegen. Das ist für die Angehörigen eine ganz schöne Erleichterung", meint eine Teilnehmerin.
Der letzte Gong des Tages ertönt. Zum Abschluss sollen sich die Teilnehmer auf der Karte mit den aktuellen Gemütszuständen noch einmal einordnen. Hofmann ist noch immer "Über den Wolken". Dann sind die anderthalb Stunden schon vorbei. Beim Verlassen des Foyers diskutieren einige noch weiter über die Fragen. Hofmann zieht sich ihre weiße Weste über und schnappt sich ihre braune Lederhandtasche. Sie will auch beim siebten Death Café in Düsseldorf wieder dabei sein. "Ich bin natürlich schon längst angemeldet."