Peter Pfand, Leiter der Trauergruppe, schaut in die Kamera

Junge Menschen und der Tod: Warum es wichtig ist, zu sprechen

Essen | Ehrenamt

Stand: 04.11.2023, 08:44 Uhr

Einmal im Monat treffen sich junge Menschen in Essen um über Trauer und den Verlust geliebter Menschen zu sprechen. Organisiert und geleitet wird die Runde von Ehrenamtlichen. Unsere Autorin durfte einen Nachmittag mit dabei sein und zuhören.

Acht junge Erwachsene sitzen in einem Stuhlkreis im Unperfekthaus in der Essener Innenstadt. Sie lachen viel, mal schweigen sie, mal spricht jemand mit belegter Stimme. Aber sie hören einander zu, geben Raum zum Ausreden. Sie unterhalten sich über Tod, Trauer und Verlust.

Dana Lammers hat das Treffen mitorganisiert. Die 35-Jährige arbeitet eigentlich als Sozialarbeiterin bei der Stadt Bottrop. 2016 hat sie selbst ihren Vater verloren. Zuerst war sie selbst Teilnehmerin in der Gruppe. Heute sagt sie: "Das hat mir so gut getan, jetzt will ich das zurück geben."

Wie ist Dana Lammers zur Jungen Trauer Essen gekommen?

00:46 Min. Verfügbar bis 04.11.2025

Tod ist kein Tabuthema

Lammers, ihre beiden Kollegen und die Teilnehmer sind mit ihrem Bedürfnis, über den Verlust geliebter Menschen sprechen zu wollen, nicht allein. Fast zwei Drittel aller jungen Menschen zwischen 16 und 30 Jahren haben laut einer repräsentativen Befragung der Malteser einen oder mehrere wichtige Menschen in ihrem Leben verloren. Viele finden, dass in der Gesellschaft zu wenig über Sterben gesprochen wird. Und auch wenn häufig Freunde und Familie die ersten Anlaufstellen sind, wollen rund 20 Prozent mit anderen Gleichaltrigen außerhalb von Freundes- und Familienkreis über das Thema austauschen.

Ein solches Angebot bietet die offene Gesprächsrunde der Jungen Trauer Essen. "Gerade für junge Menschen, die trauern, gibt es nicht viele Angebote. Hospizbegleitung oder Ähnliches sind häufig Runden mit Streuselkuchen und Kaffee, da fühlte ich mich als junge Frau nicht aufgehoben", sagt Lammers. Heute trifft sich die Gruppe im Unperfekthaus in der Essener Innenstadt. Einmal im Monat organisieren die Ehrenamtlichen diesen Treff für junge Menschen, die trauern.

Kostenlose Gespräche und Beratungen

"Hat jemand von Euch ein Thema mitgebracht, über das er oder sie sprechen möchte?", fragt die 35-Jährige in die Runde. Eine Teilnehmerin im Kurs meldet sich. "Ich wollte mal mit Euch über das Thema Testamente sprechen, habt ihr Euch da schon Gedanken drüber gemacht?" Lammers hört aufmerksam zu, gibt einen Gesprächsstein herum und den Teilnehmenden im Kreis viel Zeit zu antworten. "Jeder kann hier auch einfach nur Schweigen, auch dafür ist Zeit."

Menschen sitzen in einem Stuhlkreis

Diese Trauergemeinschaft hilft allen weiter

Die Junge Trauer Essen wird vom ambulanten Hospizdienst am Alfried Krupp Krankenhaus in Essen getragen. Seit 2018 wird sie ehrenamtlich von Dana Lammers und drei weiteren Kollegen und Kolleginnen geleitet. Alle vier haben alle unterschiedliche Erfahrungen mit Trauerarbeit gesammelt. Lammers hat eine Fortbildung zur Familientrauerbegleiterin gemacht. Das Team bietet Einzelberatungen und die Gruppengespräche an, alles kostenlos.

"Trauer ist völlig unberechenbar"

Eine gute Stunde sitzt die kleine Gesprächsrunde nun schon zusammen. Der bunte Gesprächsstein wurde durch den Kreis gereicht. "Trauer ist völlig unberechenbar, mal ist sie ganz dunkel und dann wird auch viel gelacht", sagt Lammers und lächelt. "Ich bin froh, dass wir uns hier austauschen können. Das macht es uns allen leichter."

Das Team der Trauergruppe steht vor einer Bühne und hält den Ehrwin hoch.

Für sein Engagement hat das Team der Jungen Trauer Essen den Ehrwin des Monats Oktober bekommen

Zusätzlich zur Gesprächsrunde der Jungen Trauer gibt es in den Räumlichkeiten des Unperfekthauses einmal im Quartal das Death Café – ein Modell, das die Gruppe gerade erst frisch ausprobiert. Beim Death Café werden die Türen für alle Interessierte geöffnet und einen Nachmittag in gemütlicher Atmosphäre über das Thema Tod und Trauer gesprochen. "In unserer Gesellschaft gibt es immer noch viel zu wenig Räume, um über das Thema Tod zu sprechen. Das wollen wir ändern", erklärt Lammers.

Über dieses Thema haben wir auch im WDR-Fernsehen am 28.10.2023 berichtet: Lokalzeit am Samstag, 19:30 Uhr.