Bericht: Jan Schmitt, Herbert Kordes, Petra Blum, Frank Konopatzki
Georg Restle: "Das Leiden und Sterben der ukrainischen Zivilbevölkerung wurde nicht nur in Deutschland längst von anderen Sorgen verdrängt. Die Sorge vor einem kalten Winter vor allem. Dreht Putin den Gashahn völlig zu? Drohen die Gasspeicher halbleer zu bleiben? Werden die Energiepreise durch die Decke gehen? Berechtigte Fragen – klar. Dabei dürfte mittlerweile jeder im Land wissen, dass diese Gas‑Krise hochgradig selbstverschuldet ist. Nicht nur von der deutschen Politik, sondern ganz maßgeblich auch von einem deutschen Unternehmen, das mit Gas aus Russland gerade jetzt glänzende Geschäfte macht. Millionengewinne im Windschatten des Ukraine‑Krieges – und das ausgerechnet mit dem knappen russischen Gas, das wir gerade alle so teuer bezahlen müssen. Jan Schmitt, Herbert Kordes und Petra Blum über das Unternehmen Wintershall Dea – und Geschäft und Moral in Zeiten des Krieges."
Nowy Urengoj, Westsibirien. Hier fördert ein deutsches Energieunternehmen derzeit, gemeinsam mit dem russischen Staatskonzern Gazprom, Gas im großen Stil: Wintershall Dea, der größte unabhängige Energieproduzent Europas. Welchen Anteil das Russlandgeschäft gerade jetzt am Gewinn hat, zeigen die Zahlen, die vor zwei Tagen bei einer Pressekonferenz bekannt gegeben wurden:
Paul Smith, Finanzvorstand Wintershall Dea: "Unser bereinigtes Nettoergebnis: 130 Milliarden Euro für das erste Halbjahr - davon 850 Millionen aus Russland.“
Der größte Ertrag der Firmengeschichte, vor allem mit russischem Gas.
Louis Wilson, Global Witness: "Diese Zahlen sind verabscheuungswürdig. Und die Führungsetage von Wintershall sollte sich dafür schämen. Sie profitieren von einem brutalen, völkerrechtswidrigen Krieg und gleichzeitig werden Millionen Europäer durch diese Wucherpreise in Energiearmut getrieben."
Riesengewinne mit Gas für einem deutschen Energiekonzern. Und das, während Putin die Gaslieferungen nach Deutschland immer weiter reduziert. Die Menschen werden von der Bundesregierung auf einen harten Winter eingeschworen. Die bange Frage: Wie lange reicht das Gas? Und auch die Industrie schlägt Alarm, allem voran BASF.
Martin Brudermüller, Vorstandsvorsitzender BASF, 29.04.2022: "Wenn über Nacht die Erdgaslieferung aus Russland wegfallen, würde das zu einer irreversiblen Schädigung der Volkswirtschaft führe. Im Extremfall müssten wir die Produktion in Ludwigshafen einstellen."
Alle blicken auf ihn: Den größten deutschen Gasspeicher in Rehden. Die Rückversicherung in Zeiten knapper Energie. Aber: Er ist nicht so voll, wie er es vor dem Herbst eigentlich sein müsste. Ein Grund: Er wurde vor Jahren verkauft. Ausgerechnet an den russischen Staatskonzern Gazprom, der ihn im Vorfeld des Ukraine-Krieges nur unzureichend befüllte.
Und verkauft hat ihn: ausgerechnet BASF, der Mutterkonzern von Wintershall, das mit Gazprom in Russland seit Jahren lukrative Geschäfte betreibt. Der Deal sah so aus: Wintershall bekam von Gazprom Anteile an Gasfeldern in Sibirien. Und Gazprom dagegen von Wintershall unter anderem den Speicher im deutschen Rehden. Ein Tauschgeschäft in Richtung Abhängigkeit.
MichaelThumann, DIE ZEIT, Leiter des Moskauer Büros: "Ich war damals, ich bin heute noch empört. Wie konnten wir damals unsere Rückversicherung gegen den unzuverlässigen Gaslieferanten Russland mit Putin an der Spitze in die Hände von Gazprom legen?"
Unterstützt hat das Ganze: Sigmar Gabriel, der damalige Bundeswirtschaftsminister. 2013 hatte er das Geschäft genehmigt. Doch zunächst verzögerte sich der Verkauf. Denn 2014 annektierte Russland völkerrechtswidrig die Krim. Und die EU verhängte Sanktionen. Trotzdem wollte der damalige BASF-Chef Kurt Bock den Deal unbedingt schnell durchziehen. Er schrieb direkt an Gabriel und drängte darauf, das Geschäft auch ohne neue Genehmigung zu erlauben. Und Gabriel folgte. Handschriftlich vermerkte er: "Ich unterstütze den Antrag", und erteilte dazu noch eine milliardenschwere Bürgschaft für den Deal. Der Speicher ging an Gazprom. BASF teilt uns mit, der Verkauf folgte "rein wirtschaftlichen Überlegungen". Von Sigmar Gabriel erhielten wir keine Antwort auf unsere Anfragen.
Louis Wilson, Global Witness: "Die Entscheidungen, die die deutsche Regierung und Vertreter von Konzernen wie Wintershall in der Energieversorgung getroffen haben, haben Deutschland für Jahrzehnte in die völlige Abhängigkeit eines autokratischen Staates geführt."
Ganz im Sinne Putins. Welche Bedeutung Wintershall für die politischen und wirtschaftlichen Interessen Russlands und Gazproms hat, zeigen bislang unveröffentlichte interne Dokumente, die Monitor vorliegen.
Aus der Sicht Gazproms heißt es:
Zitat: "Wintershall ist unser größter Befürworter in Europa".
Und:
Zitat: Wintershall "schützt die Interessen von Gazprom".
Von der Zusammenarbeit versprechen sich Gazprom und Putin demnach "eine stärkere Lobby" in Deutschland und für Russland einen "besseren Schutz vor Sanktionen".
MichaelThumann, DIE ZEIT, Leiter des Moskauer Büros: "Wenn man sich anschaut, auf welche Art und Weise sich die BASF und Wintershall über die vergangenen 20, 30 Jahre verflochten haben mit Gazprom und damit mit einem politisch gelenkten Konzern, dann muss man sagen, dass sie sich haben instrumentalisieren lassen."
Wintershall weist Vorwürfe, in die Gazprom-Medienstrategie involviert zu sein, zurück. Seltsam. Denn 2017 lässt der Wintershall-Chef Mario Mehren an russische Journalisten schreiben:
Zitat: "Energielieferungen aus Russland sind ein integraler Bestandteil der Europäischen Energie-Architektur und jeder Versuch, das zu ändern, bedeutet eine Bedrohung der Energiesicherheit für den gesamten Kontinent."
Louis Wilson, Global Witness: "Wintershall hat der Öffentlichkeit Geschichten erzählt, von denen sie dachten, dass sie den Interessen des Unternehmens dienten. Eines dieser Narrative ist, dass Russland ein verlässlicher Partner für Deutschland ist und, dass Russland sogar der einzige Partner für Deutschland ist. Und das war schlichtweg eine Täuschung."
In der Ukraine hatte man das schon lange mit Sorge beobachtet. Wir treffen die Energieexpertin Olena Osmolovska in Brüssel.
Aliona Osmolovska, Energieministerium Ukraine: "Ohne die Hilfe von Wintershall wäre Gazprom nicht in der Lage gewesen, diese starke Marktstellung in Deutschland zu erreichen. Wir haben versucht, die Bundesregierung zu warnen, dass dies eine sehr gefährliche Abhängigkeit ist. Denn wir wissen von unserer langen Beziehung zu Russland und Gazprom, wenn man von ihnen abhängig ist, schlagen sie dann zu, wenn man am verwundbarsten ist.2
So wie jetzt, wo Putin den Gashahn immer weiter zudreht. Ein Grund für Wintershall, seine Geschäfte mit Gazprom zu beenden? Wir fragen nach …
O-Ton: "Wollen Sie darauf antworten?"
Mario Mehren Vorstandsvorsitzender Wintershall Dea: "Sich aus Russland zurückzuziehen hieße, der Russischen Regierung ein großes, großes Geschenk zu machen. Und dafür sehe ich keinen Grund."
Das Geschenk wären die eigenen wertvollen Gasfelder, mit denen Wintershall und BASF gerade Rekordgewinne einfahren. Mitten im Krieg.
Georg Restle: "Wirtschaftliche Interessen sind die eine Seite dieses Krieges – Ideologien die andere."
Kommentare zum Thema
Bei aller persönlichen Betroffenheit angesichts der medialen Präsentation und ihrer Rezeption des nahen Krieges (leider setzte sie bei vielen erst in diesem Jahr ein): Etwas mehr vernunftorientierte Reflexion wäre bei der Betrachtung, Eingrenzung und Behebung der von westlicher Seite teils selbst erzeugten oder verstärkten Probleme mit der Russischen Föderation tatsächlich hilfreich!
Die Frau Strack Zimmermann sollte die FDP verlassen und der Grünen Partei beitreten. Da fordert diese Frau in ihrem Russenhass von uns noch mehr Einbußen für die ukrainische Regierung hinzunehmen. Diese Frau drückt die FDP unter 5 Prozent. Deutschland wird zerstört und der geht die Zerstörung noch nicht schnell genug.
Weil in der Ukraine willentlich Krieg geführt wird nutzen deutsche Grün-68er Politiker mit Hilfe ihrer propagandistischen Politjournalisten die Gelegenheit Deutschland zu zerstören. Wenn man sich an Spruchtücher bei grün-68er Demonstrationen erinnert auf denen stand „Scheiß Deutschland“ und/oder „Deutschland verrecke“ dann könnte man meinen die Grün-68er haben fast ihr Ziel erreicht. Die derzeitige Politik der Ampelregierung, uns und unseren Nachbarländern Nordstream II zugunsten der kriegsführenden ukrainischen Regierung zu sperren, Kraftwerke abschalten obwohl noch kein gleichwertiger Ersatz existiert, das wird Deutschland in Kürze große Probleme bereiten. Die Gas- und Heizölpreise sind für durchschnittliche Einkommen nicht mehr finanzierbar. Für Industrie, Mittelstandsbetriebe, Kleinbetriebe, Handwerk, kurzum für unsere deutsche Wirtschaft sind die hohen Energiekosten ein Todesstoß. Unsere Regierung muss zuerst uns schützen anstatt die ukrainische Regierung, das will das Grundgesetz