Bericht: Anja Bröker, Philipp Jahn, Andrea Miosga, Naima El Moussaoui, Jan Schmitt, Markus Zeidler
Georg Restle: „Deutschland überfordert? Und das trotz Rekord-Haushaltsüberschuss, Rekord-Arbeitsplätzen, Rekord-Rentenerhöhung? Das wollen wir uns heute mal ganz genau anschauen. Guten Abend und willkommen bei Monitor. Sie haben es vielleicht mitbekommen, die Koalition hat sich heute geeinigt, statt Transitzonen jetzt also Registrierungszentren. Als ob damit wirklich alle Probleme gelöst seien. Längst schon hat man ohnehin den Eindruck, dass es bei der Flüchtlingspolitik nur noch um Abwehr geht und nicht mehr um die eigentliche Herausforderung, wie nämlich schaffen wir es, Millionen Flüchtlinge in diesem Land zu integrieren und damit gesellschaftlichen Sprengstoff zu entschärfen? Um Antworten auf diese Frage zu finden, waren wir im ganzen Land unterwegs, haben mit Bürgermeistern, Bildungs- und Arbeitsmarktexperten gesprochen - und genau nachgerechnet, ob uns die Integration von Millionen Flüchtlingen tatsächlich überfordern würde. Zum Beispiel beim Thema Wohnraum. So wie hier sieht die Lage in vielen deutschen Kommunen zurzeit aus; Wohncontainer, in denen Flüchtlinge auf engstem Raum untergebracht werden, Massenunterkünfte. Was müsste getan werden, damit aus solchen Notunterkünften kein Dauerzustand wird und wo sollten Millionen Flüchtlinge in den nächsten Jahren dauerhaft unterkommen? Eine schwäbische Stadt am Fuße der Ostalb geht da ihren ganz eigenen Weg.“
Der Schrank muss hoch, irgendwie. In einer Woche schließlich wollen sie hier einziehen. Sieben junge Männer aus Eritrea. Sie sind seine neuen Nachbarn - und er ihr neuer Vermieter. Für Helmut Kurz ist es das erste Mal, dass er an eine WG vermietet, an eine WG von Asylbewerbern. Die sieben sind unterschiedlich lang in Deutschland. Doch bis jetzt lebten sie alle in einer der typischen Flüchtlingsheime, wie es sie überall im Land gibt.
Helmut Kurz: „Ich denke mir immer, wenn unsere Kanzlerin sagt, wir packen das, dann sind das zwei Aussagen: Wir, wir alle, jeder hat Möglichkeiten. Wir haben jetzt ein Haus. Andere haben kein Haus, können aber anderweitig helfen. „Wir“ hat sie gesagt und „packen“. Packen, das ist ein Tunwort, ein Verb. Wir müssen was tun, alle miteinander müssen wir was tun. Und dann schaffen wir das auch.“
Bei allem Engagement: Den Wohnraum für die Flüchtlinge gibt es hier nicht geschenkt. Familie Kurz bekommt für ihre Flüchtlings-WG die normale ortsübliche Miete; von der Stadt Schwäbisch Gmünd. Hier waren die sieben Eritreer bislang untergebracht, in dieser alten Kaserne. 800 Flüchtlinge leben in Schwäbisch Gmünd, und auch hier werden es mehr. Nur die Zahl der Menschen, die in dieser Massenunterkunft leben müssen, sie ist gesunken. Und Wohncontainer oder Zeltstädte sucht man in Schwäbisch Gmünd vergebens. Doch wie funktioniert er, der sogenannte Gmünder Weg? Das ist Hans-Peter Reuter vom Amt für Familie und Soziales. Er hat den Mietvertrag dabei für die neue Flüchtlings-WG. Wieder eine Wohnung mehr für Flüchtlinge. Dezentral, mitten in einem der Stadtteile. Wieder. Trotz aller bürokratischen Fallstricke.
Reporter: „Nach den Buchstaben des Gesetzes hätten Sie bei 140 Quadratmeter nicht sieben, sondern 20 Flüchtlinge aufnehmen müssen.“
Helmut Kurz: „Ja, das war auch bei der ersten Besichtigung so. Da waren ja Mitarbeiter des Landratsamtes da und der Herr Reuter von der Stadtverwaltung. Und da war so eine Aussage vom Landratsamt, oh, hier können wir ja 20 Leute unterbringen. Und dann habe ich auch gesagt, Moment mal, langsam.“
Reporter: „Das heißt, wenn man es mit der dezentralen Unterbringung ernst nimmt, Herr Reuter, dann muss man auch mal Fünfe gerade sein lassen?“
Hans-Peter Reuter, Stadt Schwäbisch Gmünd: „Damit habe ich auch mehr Erfolg. Ich bekomme die Wohnungen nur dadurch, dass wir nicht so eng belegen. Da sind viel mehr Leute bereit, Wohnraum zur Verfügung zu stellen. Und ich muss sagen, wir haben bis jetzt ausschließlich privaten Wohnraum genutzt, der oft auch nicht vermietet worden wäre.“
Die Stadt macht öffentliche Aufrufe. Sie geht aktiv auf mögliche Vermieter zu. Mehr als 90 Wohnungen und Häuser wurden der Stadt so bislang angeboten. Deutlich mehr als andernorts. So weit, so gut. Doch die Verantwortlichen in der Stadt wissen, es werden mehr kommen; auch nach Schwäbisch Gmünd. Und dann?
Besprechung im Büro des Oberbürgermeisters. Beinahe täglich erhält Richard Arnold Angebote von Container-Herstellern und Anbietern anderer Notunterkünfte.
Reporter: „Warum kommt das für Sie nicht in Frage: Container, Notunterkünfte?“
Richard Arnold, CDU, Oberbürgermeister Schwäbisch Gmünd: „Das kommt deshalb nicht in Frage, weil unser Ziel dann nicht erreicht wird. Wir wollen die Menschen, die hier sind, ja aufnehmen in unsere Stadt-Gemeinschaft. Wir wollen die Menschen, die hier sind, natürlich dann auch integrieren. Das geht natürlich nicht, indem ich irgendwo vor den Toren der Stadt so etwas errichte. Abgesehen davon würde das riesigen Bürgerprotest geben. Das ist ja klar.“
Reporter: „Aber billiger wär’s.“
Richard Arnold, CDU, Oberbürgermeister Schwäbisch Gmünd: „Das stimmt so nicht, wissen Sie? Weil, wenn ich jetzt sehe, was das kostet, auch allein, was ich ausgeben muss an Nebenkosten und wenn ich das dann dagegen rechne, dass ich etwas habe, was Bestand hat, was längerfristig ist und was nicht nur für Flüchtlinge ist, sondern was bezahlbarer Wohnraum ist für alle. Das ist es ja, was ich jetzt brauche.“
Bezahlbarer Wohnraum für alle? Heile Welt in der schwäbischen Provinz? Mitnichten. Auch wer in Schwäbisch Gmünd eine Sozialwohnung will, muss Monate warten. Sozialer Wohnungsbau hatte in den letzten Jahren auch hier keine Priorität. Das wollen sie jetzt ändern. Arbeitssitzung mit der Städtischen Wohnungsbaugesellschaft und lokalen Handwerkern. Architekt und Stadtrat Celestino Piazza präsentiert ein ganz neues Haus- und Wohnkonzept. Ortsübliche Optik statt Container-Look. Die Pläne sind bereits weit fortgeschritten. Das Konzept: niedrige Baukosten durch Standardisierung, vorgefertigte Baumodule statt Schnick-Schnack. Aber solide gebaut und energieeffizient. „Gamundia“, nennen sie ihr Bauprojekt. Neuer sozialer Wohnungsbau, keine reinen Flüchtlingsunterkünfte.
Celestino Piazza: „Da passen nämlich Studenten rein. Da passt eine Wohngemeinschaft rein für die Anschlussunterbringung von den Asylbewerbern. Dann auch die alleinstehende Mutter mit Kind würde hier Platz finden.“
Unter 6,00 Euro soll die Miete pro Quadratmeter liegen. Für den Quadratmeter im Flüchtlingscontainer zahlen manche Städte mehr als das fünffache. Im Sommer sollen die ersten Gamundia-Häuser stehen.
Celestino Piazza: „Wenn man das nochmal auf die Container herunter bricht. Die Information, die wir hatten bei den Gesprächen, die hatten auch sechs Monate mindestens Lieferzeit. Wenn man dann produziert, dann behaupte ich, dann dauert das nicht länger wie die sechs Monate. Dann sind wir genauso fertig, mit einer höheren Qualität mit einer vielfältigen Möglichkeit, dort unterschiedliche Leute reinzukriegen. Also ich glaub, wir sind genauso schnell, bloß besser.“
Ortstermin mit Oberbürgermeister und Landrat. Hier, so der OB, könnte einer der Standorte für die neuen Gamundia-Häuser sein. Der alte Kasernenblock - er soll abgerissen werden.
Reporter: „Ist es sowas wie eine Renaissance des sozialen Wohnungsbaus, jetzt gerade durch die Flüchtlinge?“
Richard Arnold, CDU, Oberbürgermeister Schwäbisch Gmünd: „Es ist schon so, dass sich der Druck natürlich erhöht hat. Vielleicht müssen wir selbstkritisch sagen, dass wir es vernachlässigt haben in der Vergangenheit. Und es ist jetzt viel weiter nach oben gerückt in der politischen Aufmerksamkeit. Das ist auch richtig so. Wichtig ist, dass man nicht sagt, wir machen den Wohnraum für Flüchtlinge, sondern es ist für alle.“
Für alle, die bezahlbaren Wohnraum brauchen. Zurück in die Flüchtlings-WG der Familie Kurz. Die Küche muss noch fertig werden, dann ist es geschafft - fast. Sie wohnt in der Nachbarschaft, hilft schon den ganzen Morgen. Dezentrale Unterbringung: nicht nur ein Dach über dem Kopf, sondern der erste Schritt zur Integration.
Georg Restle: „Klar, sozialer Wohnungsbau kostet Geld. Wie viel, das haben wir vom Pestel-Institut in Hannover ganz genau berechnen lassen. Um für 1 Million Menschen sozial geförderten Wohnraum zu schaffen, müssten wir insgesamt 400.000 Sozialwohnungen bauen, das kostet den Steuerzahler insgesamt 9,7 Mrd. Euro oder drei Jahre lang - bis zur Fertigstellung - 3,23 Mrd. Für Wohnungen, die später nicht nur für Flüchtlinge da sind. Nicht machbar?“
Matthias Günther, Pestel-Institut: „Selbstverständlich ist es machbar. Also wir haben in den Jahren 89, 90 und 91 zweieinhalb Millionen Zuwanderer aufgenommen in Westdeutschland. Das war machbar, und warum sollte das heute nicht machbar sein? Bei vielleicht 1,3 Millionen jetzt im Jahr 2015?“
2. Förderschule
Georg Restle: „Ein überfordertes Land? Wie sieht es bei der Bildung aus? Schulen, die überquellen; Schulklassen, in denen kaum noch jemand so richtig Deutsch spricht. Das sind so ungefähr die Horrorszenarien vieler besorgter Bürger. Dabei beginnt Integration genau da. Und auch hier wollten wir wissen, wie teuer wäre das eigentlich, wenn wir es dieses Mal ernst meinen mit der Integration? Und müssen sich deutsche Eltern wirklich vor solchen Flüchtlingskindern aus Syrien fürchten?“
Mahmoud: „Ich bin Mahmoud, ich bin 12 Jahre alt. Ich komme aus Syrien.“
Elena: „Ich heiße Elena, ich bin 11 Jahre alt, ich komme aus Rumänien.“
Tarek: „Ich bin Tarek, ich komme aus Syrien. Bin 11 Jahre alt.“
Und er schreibt schon Deutsch, obwohl er erst seit einer Woche hier ist. Seine neuen Mitschüler in der Förderklasse einer Hauptschule in Gelsenkirchen kommen aus sieben Nationen. Elmar aus dem Irak ist seit neun Monaten hier. Schon seit 30 Jahren werden an der Schule Zuwandererkinder gefördert. Bianca Schiller weiß, sie stellt hier die ersten Weichen für ihre Schullaufbahn. Und das ist zurzeit nicht einfach.
Bianca Schiller, Lehrerin: „Man möchte gerne allen Kindern gerecht werden. Zum Teil sitzen wir hier mit 20 Kindern in der Klasse. Das ist schwierig, sich auf alle Kinder einzustellen. Die Kulturen sind absolut unterschiedlich, die Voraussetzungen sind sehr unterschiedlich.“
20 Kinder - zu viel. Trotzdem versucht sie, was geht. Denn Zuwandererkinder haben auch nach jahrzehntelanger Einwanderung nicht die gleichen Bildungschancen wie deutsche Schüler. Im vergangenen Schuljahr gingen 32 % der ausländischen Schüler zur Haupt- oder Förderschule und nur 14 % der deutschen. Wie soll das bei der wachsenden Zahl der Flüchtlingskinder besser werden? Viele Lehrer im Land sind nicht vorbereitet. Nur ein Drittel der neu eingestellten verfügt über die Qualifikation „Deutsch als Fremdsprache“. Verantwortliche vor Ort stehen noch vor ganz anderen Problemen. 1.500 ausländische Schüler müssen in Gelsenkirchen unterrichtet werden. Jede Woche eine neue Klasse.
Mustafa Cetinkaya, Stadt Gelsenkirchen: „Wir haben hier kalkuliert, dass wir Februar, gut, März auch noch überstehen werden. Und dann stellt sich die Frage, wo kommen die neuen zusätzlichen Klassenräume her.“
Zu wenige Räume, zu große Klassen, zu wenige Lehrer. Es muss Geld ins Bildungssystem - nur wieviel? Die meisten Schulministerien wollen dazu keine Prognose abgeben. Also rechnen wir selbst nach, am ifo-Institut in München, gemeinsam mit dem Bildungsökonomen Ludger Wößmann. Von einer Million Flüchtlingen sind nach jüngster Statistik 174.000 schulpflichtig. Ein Schulplatz kostet in Deutschland bis zu 7.900 im Jahr, inklusive Fördermaßnahmen. Das macht insgesamt 1,4 Mrd. Euro im Jahr. Und das sind gerade einmal 2,3 Prozent aller Ausgaben für die Schulen - die liegen insgesamt bei rund 60 Mrd. Euro im Jahr.
Prof. Ludger Wößmann, ifo Zentrum für Bildungsökonomik: „Jeder Euro, den wir jetzt erfolgreich investieren, in dem Sinne, dass Bildung gelingt, wird dazu führen, dass die heutigen Flüchtlingskinder später erfolgreich am Arbeitsmarkt tätig sind und darum zum Gewinn für unser Sozialsystem werden. Und wenn uns das nicht gelingt, werden wir genau die Kosten dieser fehlenden Investition als Kosten im Sozialsystem zu spüren bekommen.“
Georg Restle: „1,4 Milliarden Euro jährlich - das entspricht übrigens in etwa den Kosten für fünf Stationen U-Bahn-Neubau hier bei uns in Köln.“
3. Berufsschule
Georg Restle: „Aber es gibt ein noch viel größeres Problem. Was eigentlich machen wir mit all den 18- bis 24-jährigen Flüchtlingen, die gerade nach Deutschland kommen? Es ist die größte Gruppe, viele ohne Schulabschluss oder mit Abschlüssen, die hier bei uns nicht anerkannt werden. Genau solche Abschlüsse wären aber nötig, wenn aus jungen Erwachsenen kein Heer von Arbeitslosen werden soll. Das Problem: für Volljährige gibt es in Deutschland keine Schulpflicht - und damit auch keinen Rechtsanspruch auf einen Platz in einer Schule. Auch dafür gäbe es eigentlich eine Lösung, nur, die ist hier in Deutschland leider die Ausnahme.“
Sie haben Glück gehabt. Sie haben einen der begehrten Plätze am Franz-Jürgens-Berufskolleg in Düsseldorf bekommen. Was hier wie eine Berufsausbildung aussieht, ist der Werkunterricht. Sie machen einen Schulabschluss, obwohl sie älter als 18 Jahre alt sind - in Deutschland die absolute Ausnahme. Der Schulabschluss in Deutschland ist wichtig. Denn viele haben Krieg und eine jahrelange Flucht hinter sich, daher weder Abschluss noch Zeugnisse. Wie Marcel aus dem Irak. Seit dem Sommer geht er nicht nur in den Werkunterricht, sondern lernt auch etwa deutsche Geschichte und Politik - für den Hauptschulabschluss.
Reporterin: „Welche Arbeit möchtest du gerne machen?“
Marcel: „Ich mag Altenpfleger, weil ich helfe den Leuten. Ich mag das. Und ich mag auch die Kinder, will auch im Kindergarten arbeiten. Egal, ich habe Bock für jeden Beruf.“
„Kein Bock“ gibt’s hier nicht. Dafür Deutschunterricht, bis zu vier Stunden täglich. Fast alle schaffen nach zwei Jahren ihren Abschluss. Ein Erfolgsmodell, das sich herumgesprochen hat. Und weil nur wenige andere Schulen über 18-jährige Flüchtlinge aufnehmen, stehen hier die Bewerber Schlange.
Ariane Heimig, Franz-Jürgens-Berufskolleg: „Ich bekomme täglich E-Mails. Und ich muss regelmäßig junge Leute eben auch zurückweisen. Ganz besonders schwer finde ich, ist es, wenn die hierher kommen und verzweifelt sind und nach einem Schulplatz suchen und ich muss sie dann trotzdem wegschicken, weil wir einfach keine Kapazitäten mehr haben.“
Ein deutsches Problem. Flüchtlinge über 18 haben ohne Ausbildungsstelle eigentlich keinen Rechtsanspruch auf einen Schulplatz. Nach Monitor-Recherchen gibt es nur in vier Bundesländern einzelne Modellprojekte. Und das meist nur für Flüchtlinge unter 21. Dabei wäre so ein Programm nicht einmal übermäßig teuer, selbst wenn alle daran teilnähmen. Von einer Million Flüchtlingen sind nach jüngster Statistik 222.000 zwischen 18 und 24 Jahre alt. Ein Vollzeitplatz an einer Berufsschule kostet rund 7.000 Euro im Jahr. Das macht insgesamt 1,6 Mrd. Euro im Jahr. Doch die Länder scheuen diese Kosten, schieben den schwarzen Peter zu den Arbeitsagenturen. Aber deren Maßnahmen sind noch nicht ausgebaut und ersetzen keinen Schulabschluss.
Ariane Heimig, Franz-Jürgens-Berufskolleg: „Wenn Sie keinen Abschluss haben, werden Sie in der Regel auch keine Ausbildung machen können und werden dann immer nur Hilfsjobs annehmen können. Und es wird nie ein in irgendeiner Form gesichertes Arbeitsleben stattfinden.“
Wenn junge Erwachsene aber von Förderprogrammen ausgeschlossen werden, tragen wir alle die Folgekosten.
Georg Restle: „Und das könnte dann richtig teuer werden.“
Georg Restle: „Kommen wir zum Arbeitsmarkt. Gerade hier sollte die Integration eigentlich am leichtesten fallen, bei offiziell immerhin 600.000 freien Stellen. Und doch tun sich die Job-Center unendlich schwer, arbeitssuchenden Flüchtlingen schnell einen Arbeitsplatz zu vermitteln - und das hat Folgen. Das Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung prognostiziert: bei einer Million Flüchtlingen in diesem und noch einmal so viele im nächsten Jahr ist mit insgesamt etwa 130.000 arbeitslosen Flüchtlingen zu rechnen. Die entsprechenden Sozialleistungen nur hierfür würden sich dann - sehr grob geschätzt - auf 1,3 Mrd. Euro im Jahr belaufen. Das sind gerade mal 4 % mehr, als der Staat bisher für Arbeitslose ausgibt. Und selbst diese Kosten könnten deutlich gesenkt werden, wenn arbeitssuchende Flüchtlinge eben schneller einen Job finden könnten, übrigens ohne deutschen Arbeitslosen einen Job wegzunehmen. Wie das gehen kann, zeigen Ihnen jetzt eine Studenteninitiative und eine ehemalige Berliner Berufspolitikerin.“
Für Chikezie Anyaehie aus Nigeria ist es ein besonderer Moment. Ein Arbeitsvertrag - gerade einmal sechs Monate nach seiner Ankunft in Deutschland.
Chikezie Anyaehie (Übersetzung Monitor): „Ich bin sehr dankbar, dass ich heute hier anfangen kann zu arbeiten. Das ist eine Ehre und ein Privileg für mich. Ich bin sehr dankbar.“
Der erste Arbeitstag. Die kleine Firma im Münchner Vorort Ottobrunn produziert Carbonteile für Fahrräder und Flugzeuge - mit einer High-Tech-Flechtmaschine. Und die Firma wächst: 20 Mitarbeiter hat sie schon, vier bis fünf will sie in nächster Zeit einstellen. Doch Arbeitskräfte gibt es rund um München so gut wie keine.
Olaf Rüger, Geschäftsführer Munich Composites GmbH: „Wir haben seit drei Monaten eine Stellenausschreibung draußen, auf unserer Homepage, beim Arbeitsamt, online auf allen Plattformen. Und wir hatten keinen einzigen guten Bewerber hier bei uns und wir sind jetzt froh, dass wir diesen Chikezie gefunden haben, der wirklich motiviert ist, der Spaß am Arbeiten hat und der jetzt heute hier anfangen kann.“
Dass es dazu gekommen ist, liegt an einer Gruppe von Studenten um Aurelia Schülen. In einer Flüchtlingsunterkunft bei München erfassen sie die Qualifikationen der Bewohner. Ausbildungsstand, Sprachkenntnisse, Interessen - ein paar knappe Informationen reichen den Studenten, um sich damit auf die Suche nach passenden Arbeitgebern in der Region zu machen. Nach nur zwei Monaten haben sie jetzt schon 15 Flüchtlinge vermitteln können. Der Andrang bei ihren Terminen ist weiter riesig. Denn Arbeit sei das, was hier alle wollten.
Aurelia Schülen, jobs4refugees: „Dass wir eben herantreten an die Flüchtlinge. Wir haben Jobs, habt ihr Bock auf die? Dass wir an Arbeitgeber herantreten. Fragen, wir hätten Kandidaten, braucht ihr die? Dass das alles so unbürokratisch und sehr persönlich stattfindet, ist, glaub ich, das, was wir als Plus aufweisen können.“
Unbürokratisch, persönlich und damit schneller als die Behörden. Das fordert auch Barbara John. Weg von Arbeitsagenturen, die Menschen oft nur in Maßnahmen steckten.
Prof. Barbara John, Paritätischer Wohlfahrtsverband Berlin: „Die Jobcenter, die Arbeitsagenturen sind Riesenapparate, die nach einem starren Verfahren versuchen, die Menschen in Arbeit zu bringen. Und sie vermitteln sie - was ja auch richtig ist - in einen Deutschkurs, noch einen Deutschkurs, Bewerbungstraining und dergleichen mehr. Und das dauert einfach.“
Barbara John weiß, wovon sie spricht. Sie war mal Deutschlands erste Ausländerbeauftragte. Inzwischen ist sie 77 - und kümmert sich immer noch. Wer hier am Tisch sitzt, hat die Flucht geschafft - aber noch keinen Job. Ihre Lösung dafür holt Barbara John gerade aus ihrer Handtasche.
Prof. Barbara John, Paritätischer Wohlfahrtsverband Berlin: „Work for refugees, refugees for work.“
Die Webseite „Work for refugees“, Barbara Johns Idee und erst seit einer Woche im Netz. Wer Arbeit sucht, kann sich registrieren und nur fünf kurze Fragen beantworten: Arbeitswunsch und Berufserfahrung, wahlweise auf Deutsch, Englisch, Französisch oder Arabisch. Angebot und Nachfrage: die neue Jobbörse bringt Flüchtlinge und Firmen zusammen.
Prof. Barbara John, Paritätischer Wohlfahrtsverband Berlin: „Wir wollen dem Arbeitsamt überhaupt keine Konkurrenz machen. Wir wollen helfen, dass alles ein wenig schneller geht und direkter ist und dass die Männer und die Frauen, die Arbeit suchen den Eindruck haben, wir sehen euch und Deutschland braucht euch. Wir haben 600.000 so heißt es immer - 600.000 freie Arbeitsplätze. Hier sitzen zwo, vier, sechs Leute - keiner von ihnen hat einen Arbeitsplatz. Was ist hier los?“
Monitor hat nachgefragt: Wie schnell erfahren Deutschlands Arbeitsvermittler, was jeder einzelne Flüchtling kann? Von Region zu Region unterschiedlich, hören wir. Die Arbeitsagenturen erfassen bislang noch lückenhaft und ohne bundesweites System.
Prof. Herbert Brücker, Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung: „Wir haben einen gewaltigen Umbruch im Moment in der ganzen institutionellen Struktur. Und das passiert eigentlich, wenn man jetzt Organisationen kennt, in einer unglaublichen Geschwindigkeit, aber für die Menschen natürlich relativ spät. Ja, also jeder, der dort in so einer Einrichtung sitzt und ein halbes Jahr wartet, bis überhaupt irgendwas passiert - für den kommt das natürlich zu spät.“
Bis sich die Arbeitsagentur wirklich auf Menschen wie ihn eingestellt hat, musste Chikezie Anyaehie nicht warten. Er bekam diesen Job, obwohl er dafür nicht ausgebildet ist und noch kein Deutsch spricht. In Nigeria hat er Wirtschaft studiert, jetzt ist arbeitet er hier zum Mindestlohn. Und ist einfach nur froh, aus der Leere und Langeweile in der Unterkunft raus zu sein.
Chikezie Anyaehie (Übersetzung Monitor): „Ich bin sehr glücklich. Hier kann ich Menschen treffen, mit ihnen kommunizieren und auch die Sprache lernen, was sehr, sehr wichtig ist. Wenn du arbeitest, hilfst du dir selbst, motivierst dich, fühlst dich lebendig. Und du denkst nicht die ganze Zeit darüber nach, was du vor der Ankunft in Deutschland durchgemacht hast.“
Die Flechtmaschine startet - und Chikezie Anyaehie beginnt ein neues, selbstbestimmtes Leben.
Georg Restle: „Ja, Integration kostet Geld. Insgesamt beziffern Experten die Kosten auf 10 bis 20 Milliarden Euro jährlich. Im Vergleich dazu der gesamtstaatliche Haushaltsüberschuss in diesem Jahr. Der wurde nämlich heute bekannt gegeben und liegt bei 23 Milliarden Euro.”
Kommentare zum Thema
ja,wir sind überfordert ganz banales Beispiel :In einem Zimmer passen vielleicht 4 Betten,es müssten aber mind. 10 Betten rein wie soll das funktionieren,wir können es einfach nicht
Ich finde es ausgezeichnet, dass Sie der allgemeinen Hysterie, den Stammtischbrüder von rechtsaußen in ihrer ergreifenden Schlichtheit des Denkens, dass Sie denen Aufklärung und Fakten entgegenstellen. Es ist zutiefst erschreckend, wie sich hier Zuschauer diesen Orban Humanitätsvorbild hinstellen. Und wie diese Leute hier verbal zum militärischen Krieg gegen Flüchtlinge aufrufen. Einfach widerlich! Machen Sie weiter so in Ihrer Berichterstattung. Lassen Sie sich nicht von Menschen(?) einschüchtern, die Flüchtlinge als "Deserteure und Memmen bezeichnen. Das ist einfach unerträglich.
ICH sage : Eine Integration ist defintiv NICHT erforderlich !. Jeden Tag kann d. Friedensschluß kommen, dann muß jeder Syrier ab nach haus, sein Vaterland aufbauen , dazu gehören auch d. Hunderttausende Deserteuere u. Fahnenflüchtige ! Alles Memmen ? Ducken sich einfach weg, um Nicht d. Heiligste Pflicht erfüllen zu müssen ? Den Zuzug radikal STOPPEN ! Dt. Armee mobilisieren, wie a.Staaten auch ! natodraht an öster.u.tschech.Grenze, Viererstreife m. Kalschnikov u. dt. schäferhunden !. -Vorsicht , hier wird scharf geschossen-! merkels EU-Werte teilen das restliche Europa leider NICHT ! Noch nicht mal Hollande : bei 30.000 (bereits erreicht) ist Schluß ! Das ist ein mal eine Ansage ! Wann reagiert merkel ? Andernfalls Rücktritt -Neuwahlen. AFD u. PEGIDA u. seine Exxellenz, Präsidente , Humanist wie ER im Buche steht: Mister Viktor ORBAN , hatte objektiv recht . Schuld hat merkel ! Und 388 Mio Europäer haben es kapiert ! Nur ein Zaun hilft D. noch vor d. TOTALEN Untergan ...