MONITOR vom 20.10.2016

Interview mit einem Diktator: Was will Assad

Bericht: Georg Restle, Naima El Moussaoui, Adrian Oeser

Interview mit einem Diktator: Was will Assad Monitor 20.10.2016 07:21 Min. Verfügbar bis 30.12.2099 Das Erste

Georg Restle: „Interviewtermin mit dem syrischen Präsidenten Assad vorgestern in Damaskus. Darf man mit einem Mann reden, der Bomben auf Zivilisten wirft und die Opposition im eigenen Land brutal unterdrückt? Muss man mit ihm sogar verhandeln? Das wird die Frage sein. Guten Abend und willkommen bei Monitor.

Es wird keinen Waffenstillstand ohne Assad geben. Es wird keine Zukunft mit Assad geben. So knapp, so widersprüchlich fasst Außenminister Steinmeier die Haltung der Bundesregierung zusammen. Und während in Aleppo Tausende unter dem Bombenhagel der russisch-syrischen Kriegsallianz leiden, versucht der syrische Präsident der Weltöffentlichkeit seine Position klar zu machen. Am Dienstag haben unsere Kollegen vom Schweizer Fernsehmagazin „Rundschau“ Assad interviewt, in Absprache mit uns. Weil auch wir wissen wollten, was der Mann zu sagen hat, an dem in Syrien wohl kein Weg mehr vorbeiführt. Ob es uns passt oder nicht.“

Gestern Abend in Berlin. Geflohene Syrer demonstrieren gegen Wladimir Putin und den syrischen Präsidenten Baschar al-Assad wegen des Luftkrieges in ihrem Heimatland. Und hier fallen die Bomben. Immer schmutziger wird der Krieg geführt, mit unglaublicher Gewalt. Auch Zivilisten geraten zunehmend ins Visier. In Damaskus gibt sich der Präsident die Ehre. Vorgestern erklärt Assad gegenüber Schweizer Journalisten, sein Krieg sei ein gerechter Krieg.

Baschar al-Assad, Präsident Syrien (Übersetzung Monitor): „Gemäß internationalem Recht, als Präsident und als Regierung und als syrische Armee, verteidigen wir unser Land gegen Terroristen, die als Stellvertreter anderer Länder über Syrien hergefallen sind.“

Ein gerechter Krieg gegen dschihadistische Milizen, das ist Assads Version des Krieges. Ein Krieg, der von den Golfstaaten oder der Türkei unterstützt wird, und damit auch von westlichen Verbündeten. Ein Krieg, der auch Bomben auf Aleppo rechtfertige. Trotz tausender ziviler Opfer sei dies kein Krieg gegen Zivilisten, sagt er.

Baschar al-Assad, Präsident Syrien (Übersetzung Monitor): „Weshalb sollte die Regierung Zivilisten töten, ob in Krankenhäusern oder Straßen oder Schulen oder sonst wo? Sie sprechen von der Tötung von Syrern. Wenn wir, als Regierung oder als Armee, Syrer töten würden, wäre die Mehrheit der syrischen Gesellschaft gegen uns. Man kann in seinem Krieg nicht erfolgreich sein, wenn man Zivilisten tötet.“

Die Vorwürfe aus dem Westen aber: Der Einsatz völkerrechtlich geächteter Fassbomben. Dieses Krankenhaus soll Anfang Oktober von solch unpräzisen Bomben voller Metallsplitter zerstört worden sein - für Assad Kollateralschäden.

Baschar al-Assad, Präsident Syrien (Übersetzung Monitor): „Es gibt immer Fehler, durch Kreuzfeuer oder die Fehler einzelner. Zeigen Sie mir einen Krieg - einen aus der jüngeren Geschichte - der ein sauberer Krieg war. Das gibt es nicht.“

Aus Gräueltaten werden Fehler. Für den Nahostexperten Michael Lüders ist Assads Version des Krieges natürlich Propaganda. Doch die gebe es auf beiden Seiten.

Michael Lüders, Nahostexperte: „Die syrische Luftwaffe setzt Fassbomben ein. Und setzt auch anderes Kriegsgerät ein, das nicht im Rahmen des Völkerrechtes verwendet wird. Dazu gehört aber auch zum vollständigen Bild, dass die Oppositionellen, die sogenannten, also im Klartext die idealistischen Kämpfer im Osten Aleppos sogenannte Hellfire-Raketen einsetzen. Das ist genau dasselbe wie die Fassbomben, wird nur nicht aus der Luft abgefeuert, sondern durch Bodenraketen sehr primitiv und tödlich, wenn das auf einem Markt landet. Nur das nehmen wir nicht so wahr. Also kurzum, alle Seiten führen diesen Krieg mit äußerster Brutalität, ohne Rücksicht auf Verluste der Zivilbevölkerung. Und es wäre falsch zu sagen, hier sitzen die Bösen, da sitzen die Guten. Alle Kriegsparteien haben sehr viel Blut an ihren Händen.“

Der Krieg in Syrien und die Folgen. Millionen Syrer sind mittlerweile auf der Flucht. Vor dem Terrorismus, sagt Assad, nicht vor seinen Bomben.

Reporter (Übersetzung Monitor): „Die Menschen flüchten nicht nur wegen der Terroristen oder ISIS oder der Rebellen, sondern auch wegen Ihnen.“

Baschar al-Assad, Präsident Syrien (Übersetzung Monitor): „Was meinen Sie damit, wegen mir? Ich fordere die Menschen nicht auf, Syrien zu verlassen. Ich greife keine Menschen an, ich verteidige sie. In Wirklichkeit verlassen die Menschen Syrien aus zwei Gründen. Der erste Grund sind die Aktivitäten der Terroristen, die direkte Tötung von Menschen. Der zweite Grund sind die Handlungen der Terroristen, um das Leben in Syrien lahmzulegen; sie attackieren Schulen, zerstören die Infrastruktur in jedem Sektor. Drittens: Das Embargo des Westens, das viele Syrier dazu gedrängt hat, ihre Lebensgrundlage außerhalb von Syrien zu suchen.“

Für viele Syrer, die vor Assads Bomben und seinem Terror auch nach Deutschland geflohen sind, ist das blanker Zynismus. Wir treffen einige von ihnen in einem Berliner Café. Manche waren inhaftiert und erzählen von Folter in Gefangenenlagern der Regierung. Deshalb sind sie geflohen.

Mazen Darwish, Menschenrechtsaktivist (Übersetzung Monitor): „Die Situation in den Internierungslagern in Syrien ist sehr schlecht. Menschen sterben jeden Tag, sogar jetzt, während wir miteinander sprechen. Junge Männer Frauen, Menschen sterben unter Folter und den schrecklichsten Bedingungen.“

Houssam Aldeen, Journalist (Übersetzung Monitor): „Es geht um Gewalt, die Gewalt, wenn man die Städte und die Zivilisten dauernd aus der Luft bombardiert. Man kann nicht Terroristen gezielt aus der Luft angreifen, so wie Assad sagt. Also wurden viele Menschen getötet und viele müssen fliehen, weil sie ihr Leben retten wollen. Es gibt Kinder, aber keine Zukunft, nichts ist ihnen dort geblieben.“

Und trotzdem wird verhandelt - auch über Assads Zukunft in Syrien. In Lausanne trafen sich zuletzt die Unterhändler aus Washington und Moskau. Die EU-Außenminister kamen am Montag zusammen und gestern dann Vladimir Putin nach Berlin - Assads wichtigster Verbündeter. Putin sichert die Macht von Assad, unterstützt seinen Krieg. Assads Ablösung - mit Putin ist sie nicht in Sicht.

Michael Lüders, Nahostexperte: „Ob es den westlichen, politischen Akteuren gefällt oder nicht, sie werden letztendlich keine andere Wahl haben, als anzuerkennen, dass das Regime von Baschar al-Assad an der Macht bleiben wird, dank russischer und iranischer Hilfe. Und je eher man das einsieht und je eher man anfängt, nicht mehr die fragwürdigen Oppositionellen in Syrien, die meistens Dschihadisten sind, mit Waffen und Geld zu versorgen, umso eher endet dieser Krieg. Man kann nicht Frieden schaffen wollen und gleichzeitig immer noch an dem Gedanken festhalten, Assad um beinahe jeden Preis stürzen zu wollen.“

Assad selbst sieht seine Position längst gefestigt. Er glaubt an den Sieg.

Baschar al-Assad, Präsident Syrien (Übersetzung Monitor): „Man muss daran glauben, dass man den Krieg gewinnt, dass man das Land verteidigen kann. Wenn du das nicht glaubst, verlierst du. Ein Teil des Krieges besteht darin, an den Sieg zu glauben, darum ist es offensichtlich, dass man einfach daran glauben muss.“

Frieden mit Assad? Für viele Syrer, die vor seinem Regime geflohen sind, eine unerträgliche Vorstellung.

Mazen Darwish, Menschenrechtsaktivist (Übersetzung Monitor): „Russland und Assad wollen keine politische Lösung erreichen oder Frieden. Assad sagt, er wird alle besiegen, die ihn nicht akzeptieren. Also reden wir über Sieg. Einen Sieg über das eigene Volk.“

Kommentare zum Thema

  • Ichwillverstehen 05.12.2016, 21:12 Uhr

    Ich möchte mich an die Worte vielen Kometatoren hier anschließen und bedanke mich auch für die neutrale Berichterstattung des Monitotsredaktions. danke. Es sind nicht alle Aspekte angesprochen, das Thema ist zu umfangreich. Würde ard /zdf und Co. solche Artikels herausgeben, und nicht die einseitige Hetzerei, die sie jetzt uns als Journalismus verkaufen, so hätten tausende russischsprechende Deutsche/ in Deutschland lebende Ausländer nicht ihr Vertrauen in die deutsche Medien verlieren. Denn zu Journalismus gehört auch die andere Seite aussprechen lassen, sonst ist es Propaganda. Ein großes Dank an Redaktion, für Clinton Artikel, und das noch vor den Wahlen! weiterchin wünsche mir berichte über Mosul und Jemen. Alles liebe

  • Alexandra Krause 08.11.2016, 09:10 Uhr

    Schaut euch Assad einfach einmal an. Ist es wirklich ein Mensch, der definitiv Krieg möchte? Schaut euch doch bitte auch einmal die anderen Personen an. Sehen jene denn danach aus als ob jene Krieg wollen würden? Und dann schaut euch zum Vergleich einmal unsere Politiker an. Von nichts eine Ahnung haben aber mitreden wollen. Wer wirklich Genaueres wissen möchte, der sollte seinen Blick auch einmal auf die Bundeswehr werfen. Jene sind teilweise direkt am Geschehen und haben weitaus mehr Ahnung als alle Politiker zusammen.

  • clemens 25.10.2016, 11:58 Uhr

    Flüchtlinge zu finden, die gegen die aktuelle Regierung eines Landes sind ist weltweit kein Problem. Die Fakten sind entscheidend. Menschenrechtsverletzungen und Kriegsverbrechen finden immer auf allen Seiten statt. Ursache ist immer der Krieg und der wird aus dem Westen steti befeuert. Regimechange allerorten, wer dem Westen nicht (mehr) passt, wird zum Feind erklärt. Rüstungskonzerne können nur mit Krieg und Angst "Kasse machen". Mir graut schon vor Clinton....