Bericht: Kim Otto, Markus Schmidt
Deutsche Bank und Allianz: Gewinne auf Kosten der Steuerzahler?
Monitor. 13.08.2009. 06:49 Min.. Verfügbar bis 02.05.2999. Das Erste.
Moderation Georg Restle: "Von den Gewinnern der Gesundheitsreform zu den Gewinnern der Wirtschaftskrise. Die Konjunkturdaten, die heute veröffentlicht wurden, nähren bei manchen ja schon wieder leise Zukunftshoffnungen. Vor allem zwei deutsche Großunternehmen haben zurzeit aber so richtig Grund zur Freude: Die Deutsche Bank und die Allianz machen schon wieder Milliardengewinne, so, als ob es nie eine Krise gegeben hätte. Dabei sind es ja gerade auch diese beiden Unternehmen, die von den Steuermilliarden für die Pleitebank HRE erheblich profitiert haben. Kim Otto. Markus Schmitt und Katja Garmasch zeigen Ihnen, wie aus den Mitverursachern der Krise ihre größten Profiteure wurden. Und wer in einer der langen Nächte der Entscheidungen eigentlich das Sagen hatte."
Goran Baric, Headhunter
Goran Baric ist so genannter Headhunter. Er sucht die besten Köpfe, um sie gegen Provision zu vermitteln. Besonders gesucht sind zurzeit wieder - Banker, Investmentbanker. Krise, welche Krise? Die Finanzwetten laufen wieder - und auch die Boni fließen wieder reichlich - wie ehedem.
Goran Baric, Headhunter: "Ich sehe, dass wir wieder Geld verdienen. Ich sehe, dass wir wieder Erträge reinholen, aus Erträgen werden die Boni kalkuliert. Ansonsten werden diese Mitarbeiter sich umschauen und gegebenenfalls zu Konkurrenz wechseln."
Krise, welche Krise? Auch in Deutschland wird wieder sehr gut verdient. Deutsche Bank und Allianz lieferten dieser Tage hervorragende Quartalszahlen: 1,1 Milliarden Gewinn bei der Deutschen Bank, 1,9 Milliarden bei der Allianz. Hohe Verluste dagegen bei der Hypo Real Estate, der Bank die verstaatlicht wurde und nur dank Steuermilliarden überlebt. Gewinne privatisieren, Verluste den Steuerzahler tragen lassen. Das ist ungerecht, findet Professor Blum, ein angesehener, ein konservativer Ökonom. Er leitet das Institut für Wirtschaftsforschung in Halle:
Prof. Ulrich Blum, Wirtschaftsforschungsinstitut Halle
Prof. Ulrich Blum, Wirtschaftsforschungsinstitut Halle: "Die Verursacher der Krise drohen zu den Gewinnern der Krise zu werden. Und der Bürger zahlt die Zeche. Wenn wir überhaupt über Gerechtigkeit sprechen wollen, ist das zutiefst ungerecht."
Rückblende: Voriges Jahr - Krisensitzung. Damals stand der Immobilienfinanzierer Hypo Real Estate vor dem Aus. Es drohte die Kernschmelze des Deutschen Finanzsystems, so erzählen Teilnehmer der Sitzung. Gefeilsche bis spät in die Nacht. Wer trägt die Risiken? Die Eigentümer und Gläubiger der HRE - so wie in einer Marktwirtschaft eigentlich vorgesehen - oder der Steuerzahler? Einigung in letzter Minute. Der Chef der Deutschen Bank Josef Ackermann telefoniert mit der Kanzlerin: Der Staat steigt ein, bis heute mit nahezu 100 Milliarden, Banken und Versicherungen geben Kredite in Höhe von 30 Milliarden.
Angela Merkel (CDU), Bundeskanzlerin 22.03.2009 bei "Anne Will": "Bei Hypo Real Estate haben Pensionsfonds und Rentenversicherungen Ihr Geld angelegt, wir können die nicht einfach vom Markt verschwinden lassen. Was wir nicht können ist, mit viel Geld die Aktionäre aufpäppeln, damit die zum Schluss wieder ein tolles Geschäftsmodell haben und der Steuerzahler hat alles bezahlt."
Gerhard Schick (Bündnis 90/Die Grünen)
Gerhard Schick (Bündnis 90/Die Grünen), Mitglied des HRE-Untersuchungsausschuss: "Das was Frau Merkel eigentlich vermeiden wollte, nämlich dass die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler die Zeche zahlen, die Aktionäre aufpäppeln, und nachher alles weitergeht wie vorher, das ist doch genau das, was wir heute beobachten."
Gerhard Schick vertritt die Grünen im HRE-Untersuchungsausschuss in Berlin. Gemeinsam mit seinem Kollegen Wissing von der FDP versuchen sie die Entscheidungen von damals nachzuvollziehen. Es geht um die Frage, wer von dem Deal vor allem profitiert hat. MONITOR liegt die geheime Liste der Gläubiger vor, die damals mit am Abgrund standen. Eine lange Liste großer deutscher Versicherungen, Landesbanken, Privatbanken. Allein der Allianz schuldete die HRE 5,6 Milliarden Euro, der deutschen Bank gut eine Milliarde. Zusammengerechnet mehr als 50 Milliarden, eine Summe für die heute der Steuerzahler garantiert - ohne Gegenleistung - eine Subvention für die geretteten Gläubiger der HRE. Hat sich die Bundesregierung über den Tisch ziehen lassen? Und hat der Chef der Deutschen Bank sogar mit falschen Zahlen operiert, um die zögerliche Kanzlerin mit ins Boot zu ziehen? Klar ist: Die Banken, die Deutsche, die Commerzbank hatten schon seit Wochen die HRE auf Herz und Nieren geprüft. Sie hatten die Hoheit über die Zahlen. Ihre Hauptinteressen: Erstens: Als Gläubiger möglichst wenig Geld verlieren; Zweitens: Das Risiko soweit wie möglich auf den Steuerzahler verlagern. Die Verhandlungstaktik: Druck aufbauen, Lage dramatisieren, indem man offenbar die Rücklagen der HRE - die sogenannten Assets - klein rechnete.
Volker Wissing (FDP)
Volker Wissing (FDP): "Die privaten Banken haben die Werte offensichtlich heruntergerechnet, die Assets waren mehr wert als damals angenommen. Und der Staat hat den privaten Banken einfach geglaubt, hat die Zahlen nicht infrage gestellt."
Erst danach hat die Bundesregierung den Wert der Assets überprüfen lassen. MONITOR liegt dazu der geheime Vermerk vor. Erstaunlich: Die Gutachter der Bundesregierung kommen, so wörtlich zu „deutlich höheren Bewertungsergebnissen von knapp 30 Milliarden. Immerhin das Doppelte der 15, die die Privatbanken angesetzt hatten. Absicht?
Gerhard Schick (Bündnis 90/Die Grünen): "Die niedrige Bewertung der Wertpapppiere war ja das zentrale Argument, warum die Bundesregierung mithelfen musste. Wenn dann im Nachhinein klar wird, dass die Wertpapiere eigentlich mehr wert sind, dann wird deutlich, die privaten Banken hätten mehr davon alleine stemmen können. Die Bundesregierung hätte also unbedingt nachverhandeln müssen, um die Risiken für Steuerzahlerinnen und Steuerzahler wieder zu reduzieren, und das ist unterblieben."
Und mehr noch: Die Nutznießer der Rettung der HRE verdienen auch noch gutes Geld damit. Sie gaben einen Kredit in Höhe von 30 Milliarden, der hervorragend abgesichert und gut verzinst wird. Allein die Deutsche Bank verdient daran 100 Millionen Euro. Die Deutsche Bank weist Vorwürfe, sie habe die Notlage der HRE genutzt, um sich zu bereichern, als böswillig zurück.
Volker Wissing (FDP): "Banken und Versicherungen hatten ein großes Interesse daran, dass Hypo Real Estate gerettet wird, sie hätten ansonsten Milliarden-Verluste hinnehmen müssen. Sie haben erstaunlich gut verhandelt, haben sehr geschickt für sich das Maximum rausgeholt. Der Steuerzahler dagegen war schwach vertreten."
Prof. Ulrich Blum, Wirtschaftsforschungsinstitut Halle
Professor Blum beobachtet diese Entwicklung mit Sorge. Er schlägt einen Lastenausgleich vor, mit dem sich die Finanzbrache an den immensen Kosten beteiligen soll.
Prof. Ulrich Blum, Wirtschaftsforschungsinstitut Halle: "Es gibt Belastete - das ist der normale Bürger - das ist vor allen Dingen der Staat. Und es gibt Profiteure - das sind vor allem die geretteten Banken, die wieder gute Bilanzen schreiben werden in Zukunft. Und die sollten einen Teil ihres Vermögens abgeben. Wenn wir sagen, dass wir 300 Milliarden Euro letztendlich an zusätzlicher Staatsverschuldung irgendwie herein bekommen müssen, damit wären das rund 40 bis 45 Milliarden Euro pro Jahr und das müsste über eine Vermögensausgabe von denen bezahlt werden. Und das halte ich für fair."
Doch die Kanzlerin hört bei solchen Vorschlägen angestrengt weg, Die Vertreter von Versicherungen und Banken nahmen zwar gerne die Milliarden-Geschenke entgegen, aber zurückzahlen? Fairer Lastenausgleich? Für die Regierungsparteien, SPD wie CDU, kein Thema im Wahlkampf.
Prof. Ulrich Blum, Wirtschaftsforschungsinstitut Halle: "Es ist völlig klar, dass man diese Debatte zurzeit scheut wie der Teufel das Weihwasser, weil natürlich die Debatte dazu führt, dass man sich fragen muss, mit welchen Machtkonstellationen man in Deutschland sich letztlich anlegt. Und es ist möglicherweise leichter, eine Mehrwertsteuererhöhung durchzuziehen und damit die Wirtschaft in nächster Zeit zu belasten, als mit den Banken hier ins Gespräch zu kommen, eine irgendwie geartete faire Beteiligung an den Lasten der Staatsschuld zu organisieren."
Gerechtigkeit, Fairness. Für die Kunden von Goran Baric, den Headhunter, zählen andere Werte. Die drehen sich um Gewinn, Umsatz, Rendite.
Moderation Georg Restle: "Nach neuesten Meldungen müssen wir Steuerzahler übrigens noch mindestens bis 2012 für die Milliardenverluste der HRE aufkommen. Von den leeren Staatskassen erfahren Sie und wir dann nach der Bundestagswahl. Von wegen, Krise vorbei."
Stand: 22.02.2014, 10:52 Uhr