MONITOR vom 27.04.2017

Autobahnprivatisierung: Der Schlingerkurs der SPD

Kommentieren [6]

Bericht: Jan Schmitt, Ursel Sieber

Autobahnprivatisierung: Der Schlingerkurs der SPD

Monitor 27.04.2017 08:01 Min. UT Verfügbar bis 30.12.2099 Das Erste

Georg Restle: „Und jetzt zu einem der größten Vorhaben dieser Bundesregierung: Die Privatisierung der deutschen Autobahnen. Nein, nein, sagen die Minister Dobrindt und Schäuble; das habe man ja gar nicht vor. Es gehe ausschließlich darum, private Investoren an Bord zu holen, um den Haushalt zu entlasten. Dafür soll nächsten Monat immerhin das Grundgesetz geändert werden - hat die Große Koalition so beschlossen. Tatsache ist: Der Privatisierung der Autobahnen würden damit Tür und Tor geöffnet werden. Zulasten von Steuerzahlern und Autofahrern. Zugunsten von großen Versicherungskonzernen, für die das Ganze ein Milliardengeschäft wäre. So was kommt gar nicht gut an im Wahlkampf. Haben jetzt auch einige Sozialdemokraten gemerkt. Jan Schmitt und Ursel Sieber.“

Deutsche Autobahnen, fast 13.000 km lang, das viertlängste Netz der Welt: geschätzter Wert 80 bis 120 Milliarden Euro und nach Grundgesetz bisher Eigentum des Bundes. Sie wollten das ändern: Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble und Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt. Ihr Plan: Die Privatisierung der Autobahnen.

Wolfgang Schäuble, Bundesfinanzminister (9.9.2014): „Natürlich arbeiten wir auch daran, den Bereich Infrastruktur stärker für Investitionen der Versicherungswirtschaft, von Pensionskassen und der anderen großen Kapitalsammelstellen zu öffnen.“

Alexander Dobrindt (CSU), Bundesverkehrsminister (19.2.2015): „Das kann ein Erfolgsmodell sein, das uns die Chance gibt, viele Infrastrukturaufgaben, die wir aus normalen Haushalten so nicht mehr finanzieren können, zu lösen.“

Wie weit die Pläne von Schäuble und Dobrindt gehen, zeigt ein internes Gutachten, die Blaupause für die Privatisierung. Danach sollen die Bürger die mit Steuergeld gebauten Autobahnen quasi noch mal kaufen müssen. Und das funktioniert so: Die Autobahnen werden in eine so genannte Infrastrukturgesellschaft überführt. Sie bekommt alle Einnahmen aus der LKW- und der neuen Pkw-Maut. Für diese Nutzungsrechte müsste die Gesellschaft dem Bund bis zu 80 Milliarden Euro zahlen. Diese 80 Milliarden Euro würde sie sich von Banken und Versicherungen leihen, zu derzeit satten Zinsen von etwa 3 %. Eine Milliardenrendite für Banken und Versicherungen, bezahlt von den Autobahnnutzern über die Maut.

Prof. Georg Hermes, Sachverständiger im Haushaltsausschuss: „Wenn man in dem Konzept nach dem roten Faden sucht, dann ist dieser rote Faden leider das Bestreben, die Banken- und Versicherungswirtschaft zu subventionieren, indem man ihnen günstige Investmentmöglichkeiten eröffnet.“

Um wie viel teurer das Ganze werden könnte, hat Prof. Mühlenkamp für Monitor berechnet. Danach würde eine komplette Privatisierung die Autofahrer etwa 1,2 Milliarden Euro mehr kosten, pro Jahr.

Prof. Holger Mühlenkamp, Universität Speyer: „Verlierer sind Steuerzahler und insbesondere die Autofahrer und Gewinner sind institutionelle Anleger, sprich Versicherungen und Banken.“

Die SPD behauptete schnell, da mache sie nicht mit.

Thomas Oppermann (SPD), Fraktionsvorsitzender (18.11.2016): „Das Eigentum an den Straßen und das Eigentum, wenn Sie so wollen, an der Gesellschaft ist beides öffentlich-rechtlich und wir wollen hier keine Privatisierung in diesem Bereich.“

Klang eindeutig, aber schon kurze Zeit später machte die SPD dann doch mit. 14. Dezember 2016 im Kabinett. Die Regierung beschließt ein Gesetzespaket. Zwar soll im Grundgesetz verankert werden: Die neue GmbH soll im unveräußerlichen Eigentum des Bundes bleiben. Mehr aber nicht. Die SPD verkauft das als Erfolg. Aber eine Privatisierung der Autobahnen wäre damit immer noch möglich, denn: Tochtergesellschaften der GmbH könnten doch verkauft werden, große Teile des Autobahnnetzes können in Öffentlich-Private-Partnerschaften ausgelagert werden und die GmbH kann sich im großen Stil bei Banken und Versicherungen verschulden. Und bei all dem wird der Bundestag weitestgehend ausgeschaltet. Der Sachverständige im Haushaltsausschuss, Prof. Hermes, hält das für eine Privatisierung durch die Hintertür.

Prof. Georg Hermes, Universität Frankfurt: „Obwohl der Entwurf vorsieht, dass der Bund Eigentümer ist, sieht das Gesetz vor, dass der Bund Rechte aus diesem Eigentum weggeben kann, so dass er am Ende praktisch nur noch ihm das Grundstück unter der Straße gehört, während die Straße oben drauf an Private weggegeben wurde.“

Nach der Kritik einiger Abgeordneter behauptet die Regierung, diese Form der Privatisierung gesetzlich verhindern zu wollen. Aber: Sie lässt sich wieder eine Hintertür offen. Denn die Privatisierungsverbote sollen jetzt nicht im Grundgesetz verankert werden, sondern nur in einem einfachen Gesetz. Und genau hier liegt der Trick. Denn die aktuelle Regierung hat eine Zweidrittel-Mehrheit im Bundestag. Damit schafft sie per Grundgesetz die neue Autobahn-GmbH, eine Hülle für alles, was dann kommt. Die Privatisierungsverbote sollen aber nur in dem einfachen Gesetz stehen. Damit kann jede zukünftige Regierung sie jederzeit mit einer einfachen Mehrheit wieder herausnehmen und so die Privatisierung vollenden. Sogar der Bundesrechnungshof reagiert jetzt alarmiert. Und stellt klar, ein einfaches Verbot reiche keinesfalls aus, um auch eine spätere Privatisierung zu verhindern.

Kay Scheller, Präsident Bundesrechnungshof: „Unser Rat ist, jede Form von Privatisierung auch durch die Hintertür von vornherein durch eine klare Regelung im Grundgesetz auszuschließen.“

Eine Haltung, die auch von den SPD-Abgeordneten im Haushaltsausschuss vertreten wird. Sie wollen die Privatisierungsverbote jetzt auch im Grundgesetz verankern, damit die Bürger die Autobahn nicht noch mal kaufen müssen. Nach einem Treffen diese Woche mit der Fraktionsspitze heißt es:

Bettina Hagedorn (SPD), Berichterstatterin im Haushaltsausschuss: „Der Kabinettsbeschluss vom Dezember, der in sich trägt eine mögliche versteckte Privatisierung durch die Hintertür in der Autobahn Gesellschaft, der ist vom Tisch, das kann man sagen.“

Mit anderen Worten: Der Kompromiss mit der Union zur Autobahnprivatisierung - er ist geplatzt. Tatsächlich? Was sagt der SPD-Fraktionsvorsitzende?

Thomas Oppermann (SPD), Fraktionsvorsitzender: „Wir wollen weder die Autobahnen noch die Infrastrukturgesellschaft, die künftig diese Autobahnen plant, baut und betreibt in irgendeiner Weise privat gestalten und das wollen wir auch ausschließen.“

Reporterin: „Aber es ist ja die Frage, ob man’s im Grundgesetz auch regelt, Herr Oppermann.“

Thomas Oppermann (SPD), Fraktionsvorsitzender: „Das klären wir in der Beratung.“

Und war weg. Der Schlingerkurs der SPD. Die CDU jedenfalls weiß genau, was sie will.“

Reporterin: „Die SPD will ja noch entscheidende Änderungen am Grundgesetzentwurf durchsetzen. Was sagen Sie dazu?“

Volker Kauder (CDU), Fraktionsvorsitzender: „Dann sollen sie es mal versuchen.“

Reporterin: „Was heißt das?“

Alexander Dobrindt (CSU), Bundesverkehrsminister: „Wir haben kein Interesse an einer mittelbaren Privatisierung. Ich hab das immer sehr klar und deutlich gesagt.“

Reporterin: „Aber dann können Sie es auch ins Grundgesetz schreiben, wenn Sie daran kein Interesse haben?“

Alexander Dobrindt (CSU), Bundesverkehrsminister: „Nein, das ist fachlich falsch. Ein Grundgesetz muss man halt mal gelesen haben, um es vielleicht zu verstehen. Und ein einfaches Gesetz, welche Regelungen da rein gehören und dann weiß man, dass das nicht ins Grundgesetz gehört. Langsam macht man sich ein bisschen lächerlich.“

Lächerlich? Der Bundesrechnungshof sieht das ganz anders - und warnt eindringlich:

Kay Scheller, Präsident Bundesrechnungshof: „Es geht um Daseinsvorsorge, es geht um die wichtige, öffentliche Infrastruktur in Deutschland, die ist wichtig für Mobilität, für Wirtschaft, für Wohlergehen im gesamten Land und wichtig ist, diese Regelung ein für alle Mal klar im Grundgesetz zu verankern, ein einfachgesetzlicher Ausschluss von Privatisierung reicht offensichtlich nicht aus.

Die Privatisierung der Autobahnen - ein Milliardendeal für Versicherungskonzerne, zulasten von Autofahrern und Steuerzahlern. Die Türen dafür sollen weit offen bleiben. Darum geht es. Auch wenn das in Berlin niemand offen sagen will.

Georg Restle: „Wie gesagt, im Mai kommt es dann zum großen Schwur. Wir werden ganz genau hinschauen, wie sich die SPD bis dahin entscheidet.“

Stand: 28.04.2017, 11:10 Uhr

Kommentare zum Thema

Kommentar schreiben

Unsere Netiquette

*Pflichtfelder

Die Kommentartexte sind auf 1.000 Zeichen beschränkt!

6 Kommentare

  • 6 anti-lobbyist 12.06.2017, 11:51 Uhr

    Die Lobby-Wirtschaft beeinflusst die Politik seit Jahrzehnten in die Richtung der Privatisierung von Staats-(Volks-)-Eigentum! Das ist also nicht neu sondern seit Jahren ein riesiger Skandal! Angefangen hatte das mit der Privatisierung der Autobahnraststätten weitere Dinge sind in den Komunen mit den sogenannten PPP-Geschäften gelaufen, indem private Bauunternehmen für den Staat gebaut haben und der zahlte horrende Mieten. Übrigens auch Autobahnbau unter dem letzten Verkehrsminister ist so auf Kosten der Generationen von Steuerzahlern finanziert worden!!! Es geht nur eines um das zu verhindern: Das Volk (also wir) sollte sich mehr um die Angelegenheiten der Politik kümmern, also Verantwortung übernehmen. Das geht so: An runden Tischen versammeln, die Themen ausdiskutieren und über Campact.de eine Initiative starten um die Politik dazu zu bringen Anti-Neoliberale-Wirtschaftspolitik zu machen. So einfach ist das . Also Leutchen, legt los! Campact hat bereits eine solche Ini ...

  • 5 Peter Tretau 26.05.2017, 16:25 Uhr

    Sollte die SPD in punkto Autobahn Privatisierung Herrn Schäuble und Herrn Dobrindt folgen, braucht sie sich um die Bundestagswahl keine Sorgen mehr machen, der Wähler und Autofahrer wird sie gnadenlos abstrafen und das zu Recht! die SPD sollte sich etwas mehr auf das S in ihrem Logo konzentrieren!!

  • 4 Ralf Henske 04.05.2017, 09:09 Uhr

    Haut Dir einer auf die rechte Wange, dann halt ihm auch die linke hin. Die Wangen hält der Bürger hin, der Schläger ist die sogenannte Christliche Union. Der Schlag auf der linken Wange, sind die extrem hohen Feinstaub-Werte der "sauberen" Dieselautos, was Atemwegs-Erkrankte zur Verzweiflung bringt. Die rechte Wange wird wohl die privatisierung der Autobahnen durch die Hintertür sein, was dem Steuerzahler und Autofahrer eine Menge Geld kosten wird. Das ist eine Politik, die zu Gunsten für Auto-Industrie, der Versicherungs-Wirtschaft und der Banken betrieben wird, aber zum gesundheitlichen Risiko und finanziellen Nachteil der Bürger. Ja, da kann man nur sagen: "Herr vergib ihnen nicht, denn sie wissen was sie tun. Und die SPD? Sie hadert nur zwischen Koalitionstreue und Wahlkampf.

  • 3 gerre 30.04.2017, 10:49 Uhr

    Monitor hat die Qualität der Autobahnen außer Acht gelassen, und die ist unter aller Kritik. Nachdem die Landesbetriebe für Straßenbau das Straßennetz jahrelang vergammeln ließen tun sie sich jetzt durch besonderen Eifer bei Sperrungen von Autobahnen hervor. Da möchte sich der öffentliche Dienst wohl seine Pfründe erhalten. Autobahnbau muß staatlich bleiben, damit seine Klientel weiter ihr leistungsloses Einkommen auf Kosten der Steuer- und Mautzahler bezieht.

  • 2 Mh 28.04.2017, 10:51 Uhr

    Dobrints Arroganz ist unerträglich

  • 1 Tunnelüberwacher 1 27.04.2017, 21:20 Uhr

    Ja Ja die SPD wie war das noch mit Herrn Lies und Co.. Keine Infrastrukturgesellschaft, keine Privatisierung der BAB- bis es um den Länderfinanzausgleich ging. Wenn der schnöde Mammon ruft ist plötzlich vieles möglich!