Rechter Kulturkampf: Gewalt gegen LGBTIQ+

Monitor 08.06.2023 09:25 Min. UT Verfügbar bis 30.12.2099 Das Erste Von Véronique Gantenberg, Elke Brandstätter

MONITOR vom 08.06.2023

Rechter Kulturkampf: Gewalt gegen LGBTIQ+

Auf offener Straße verprügelt, beleidigt, Hetze im Netz: die Zahl der Straftaten gegen queere Menschen nimmt in Deutschland zu. Angeheizt wird diese Feindlichkeit auch in den Parlamenten, allen voran durch die AfD. Doch auch einige Politiker der Union übernehmen die extrem rechten Narrative. Narrative, die für queere Menschen zur Bedrohung werden können. Für Menschen, die ohnehin schon in Gefahr sind – in Deutschland, aber auch weltweit.

Von Véronique Gantenberg, Elke Brandstätter

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Georg Restle: "Reden wir also über rechte Gewalt. Die betrifft zunehmend auch Menschen, die sich jedes Jahr im Sommer hinter der Regebogenfahne versammeln, um weltweit für ihre Freiheiten zu demonstrieren. Eigentlich sind diese Paraden Feste der Vielfalt, der Freude, der Selbstbestimmung. Aber die Sorgen wachsen in der Community. Der Grund, die Zahl der so genannten queer feindlichen Gewalttaten gegen Schwule, Lesben oder Menschen, die sich als Transgender bezeichnen, hat stark zugenommen. Und die Stimmung wird feindseliger im Land. Angeheizt von Politikern vom äußersten rechten Rand, vor allem der AfD. Deren rechtsextremer Frontmann Björn Höcke hat sich an die Spitze einer Bewegung gestellt, die zum Kulturkampf aufgerufen hat: Mit Deutschlandfarben und Nationalstolz gegen die Vielfalt des Regenbogens. Veronique Gantenberg und Elke Brandstätter. "

Salzwedel, Sachsen-Anhalt. Es ist Christopher Street Day. Eine Demonstration für Gleichberechtigung und sexuelle Selbstbestimmung, und eigentlich auch eine Party. Aber viele berichten von einem zunehmenden Hass, der sich dagegen richtet, wie sie lieben oder wer sie sind.

Person: "Egal wo man hinschaut, gibt es immer Tendenzen, auch wieder mehr Feindlichkeit, weniger Toleranz aufzubauen. Und das macht mir schon Sorgen."

2. Person: "Was vorher Stammtisch-Gerede gewesen ist, ist mittlerweile salonfähig geworden. Es ist auf die Straße gedrungen."

3. Person: "Durch die ganzen Sachen, die man jetzt so hört, steigert sich auch die persönliche Angst dabei."

Hass gegen Homosexuelle - was das bedeutet, hat er vor zwei Jahren selbst erlebt – Martin Quedenfeld. Er organisiert den CSD in seiner Heimatstadt Salzwedel. Wir treffen ihn abseits der Veranstaltung. Martin erzählt, wie er auf einer Feier war, ein ausgelassener Abend, der blutig endete.

Martin Quedenfeld: "Dann kamen drei Leute an mit 'Du Scheiß Schwuchtel' und in dem Moment hatte ich schon die ersten drei Schläge im Gesicht, wo drauf denn schon anfing, dass ich auf dem linken Ohr nichts mehr hören konnte."

Er zeigt uns Bilder von seinen Verletzungen: Doppelter Nasenbeinbruch, zwei Wochen Krankenhaus. Bis heute höre er auf dem linken Ohr deutlich weniger. Seine Ausbildung habe er abgebrochen, eine Therapie gemacht. Immerhin – der Prozess gegen den Täter aus Magdeburg habe begonnen. Trotzdem: der Angriff habe ihn verändert.

 Martin Quedenfeld: "Ich habe es jetzt einmal erfahren. Manche Menschen erfahren es jeden Tag, dass ich halt da saß und dachte so, okay, Deutschland ist gar nicht so weltoffen, wie es sich immer nach außen spiegelt."

Queerfeindliche Übergriffe in Deutschland – in den vergangenen Wochen und Monaten häufen sie sich. Zuletzt wurde in Hannover ein junger Transmann beim Christopher Street Day angegriffen. So brutal, dass er ins Krankenhaus musste. Eine Woche später versammeln sich hunderte Menschen aus Solidarität mit dem Opfer. Viele sind schockiert, dass es gerade bei einem CSD zu einem Angriff gekommen ist.

Mann: "Wenn ich noch nicht mal auf einen CSD gehen kann, wo man für die eigenen Rechte kämpft, wo Zehntausende von Menschen um meine Rechte kämpfen, aber sobald ich diesen Raum verlasse und dann mit solchen Übergriffen zu rechnen habe, ist das eine massive Bedrohung für meine eigene Sicherheit, für mein eigenes Gefühl, auf die Straße zu gehen. Ob ich jetzt Händchen haltend mit nem Mann über die Straße laufe, überlege ich mir dann noch mal, oder ob ich als Trans, als sichtbare Transperson auf die Straße gehe, das überlege ich mir noch mal!"

Verstecken, wer man ist oder wen man liebt, weil die Feindseligkeit in der Gesellschaft zunimmt? Tatsächlich gibt es in Deutschland immer mehr Hass und Gewalt gegen queere Personen wie Homosexuelle, aber auch trans Menschen. 2021 wurden noch 870 Straftaten aufgrund der sexuellen Orientierung erfasst, 2022 waren es 1.005; ein Anstieg um fast 16 Prozent. Eine Entwicklung, die sich 2023 fortsetzt. Das alarmiert auch den ersten Queer-Beauftragten der Bundesregierung.

Sven Lehmann (B'90/Grüne), Queer-Beauftragter der Bundesregierung: "Wir haben in Deutschland aktuell die Zahlen, dass jeden Tag drei bis vier queere Menschen angegriffen werden. Und angegriffen heißt beleidigt, gemobbt, bespuckt bis hin zu körperlichen Angriffen. Und das sind aber nur die Angriffe, die wirklich auch zur Anzeige gebracht werden. Das heißt, wir gehen davon aus, dass die Dunkelziffer sehr viel höher ist. Und das ist natürlich besorgniserregend."

Queere Menschen im Fokus von Hass und Gewalt – Aber wer sind die Täter?

Sven Lehmann (B'90/Grüne), Queer-Beauftragter der Bundesregierung: "Die meisten Angriffe, die ordentlich registriert werden, da sind die Täter nicht zuordenbar, aber am zweithäufigsten sind sie sehr, sehr klar aus dem rechten Spektrum."

Vermehrte Angriffe gegen Schwule, Lesben oder Transpersonen – von Beleidigungen bis hin zu massiven körperlichen Übergriffen. Auch hier in München, beim internationalen Tag gegen Queerfeindlichkeit, ist das ein Thema.

Frau: "Man merkt, dass Vorurteile und Hass gegenüber uns da sind und es wird auch schlimmer."

Mann: "Ich habe irgendwie so das Gefühl, dass es gerade so schleichend passiert. "

Auch der Lesben- und Schwulenverband sieht eine zunehmende Bedrohung:

Markus Apel, LSVD Bayern: "Es ist so, dass wir auf der Straße mit Gewalt zu tun haben, aber eben auch im Netz und eben befeuert durch Rhetorik auch im politischen Raum."

Im politischen Raum wird der Hass gegen sexuelle Minderheiten vor allem von einer Partei geschürt, der AfD. Sie diffamiert queere Menschen als unnatürlich. Sexuelle Selbstbestimmung sei eine Gefahr für das Fortbestehen der Gesellschaft.

Alexander Wolf (AfD), stellv. Landesvorsitzender Hamburg (18.06.2022): "Unser Land ist bedroht von einer links-grün, woken, Schickeria, die unser Land zu einer transgender Republik umerziehen will."

In den sozialen Medien befeuert die AfD zuletzt eine Hasskampagne gegen die Regenbogenfahne – ein Symbol der queeren Community. Statt Regenbogenflagge: Deutschlandfahne. Statt Pride-Month: Stolz-Monat. Angetrieben wird das allen voran von Björn Höcke. Auf Facebook spricht der AfD-Politiker abwertend von "sexuellen Vorlieben und Verwirrungen", das sei "nicht das, worauf es sich wirklich lohnt, stolz zu sein." Eine Ideologie, die Gewalt schürt, sagen Experten.

Prof. Matthias Quent, Soziologe, Hochschule Magdeburg-Stendal: "Immer wenn Menschengruppen markiert werden als eine Bedrohung für traditionelle Ordnungen, für Identitätsvorstellungen und ähnlichem, kann das dazu beitragen, dass Gewalt gerechtfertigt erscheint und dass Menschen Gewalt anwenden. Das wiederum führt zu einer, zu einem Aufkochen der Stimmung, zu einer höheren Wahrscheinlichkeit von Gewalt bis hin zu Mord."

So wie in den USA  – Colorado Springs. In einem queeren Club wurden im November fünf Menschen erschossen. Und erst im Mai tötete ein Rechtsextremer bei einem Amoklauf in Dallas, Texas, acht Personen. Sein Weltbild, geprägt vom Queerfeindlichkeit und Rassismus. Den Nährboden dafür bereiten allen voran die religiöse Rechte und ultrakonservative Republikaner. Sie sehen sich in einem Kulturkampf. Gegen die sogenannten "Woken", damit sind auch sexuelle Minderheiten wie Schwule, Lesben oder Transpersonen gemeint. Er ist derzeit einer der prominentesten Vertreter in diesem Kulturkampf, der republikanische Präsidentschaftsbewerber Ron DeSantis.

Ron DeSantis, Gouverneur von Florida (03.06.2023) (Übersetzung Monitor): "Wir werden einen Krieg gegen die 'Woken“  führen. Wir werden die 'sie' in der Bildung bekämpfen, wir werden 'sie' in den Unternehmen bekämpfen, wir werden 'sie' im Kongress bekämpfen."

Was DeSantis damit meint, zeigt er mit seinen Gesetzen. In Florida hat er als Gouverneur beispielsweise öffentliche Förderprogramme für Diversität und Gleichstellung verboten.

Sarah Riccardi-Swartz, Northeastern University, Boston (Übersetzung Monitor): "DeSantis nutzt die politischen Strukturen Floridas, um einen rechtlichen Rahmen zur Förderung einer religiös geprägten Weltanschauung zu schaffen. Er will Werte durchsetzen, die sich eindeutig gegen Menschenrechte richten – vor allem, wenn es um queere Menschen geht."

Die Nähe zu DeSantis suchen auch deutsche Politiker. Allerdings nicht von der AfD, sondern von der CSU. Eine prominente Delegation um Andreas Scheuer kam Anfang Mai sogar zu Besuch in die USA. Für den ehemaligen Bundesverkehrsminister offenbar ein inspirierendes Treffen.

Andreas Scheuer: "Da nimmt man sehr viel mit aus den Gesprächen mit Gouverneur Ron DeSantis."

Auch, wenn es um DeSantis Politik gegen Minderheiten geht? Darauf angesprochen sagt Scheuer, DeSantis wolle "bestimmte Zeitgeistentwicklungen unterbinden" und "Ich teile die Analysen von DeSantis." Deutsche Konservative und ein extrem rechter US-Politiker – vereint im Kulturkampf gegen Schwule und Lesben? Die Allianzen gehen noch weit darüber hinaus.

Sarah Riccardi-Swartz, Northeastern University, Boston (Übersetzung Monitor): "In den letzten Jahren ist ein wachsendes Netzwerk konservativer Bewegungen entstanden, die miteinander reden und Koalitionen bilden. Sie schaffen in gewissem Sinne eine Welt, die für bestimmte Menschen, wie zum Beispiel queere Menschen, nicht sicher ist."

Eine Welt, in der queere Menschen unsichtbar werden sollen. Genau dagegen kämpfen sie in Salzwedel an. Mit den Farben des Regenbogens. Für eine Gesellschaft, die ihre Vielfalt feiert.

Georg Restle: "Genau darin liegt die eigentliche Gefahr: Wenn bürgerlich konservative Parteien der Versuchung erliegen, Parolen rechtsextremer Parteien zu kopieren, um ihnen das Wasser abzugraben. So bahnt sich das menschenfeindliche Gift dann seinen Weg von ganz Rechtsaußen in die Mitte der Gesellschaft. "

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Stand: 09.06.2023, 13:20 Uhr

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35 Kommentare

  • 35 Michaeel 12.06.2023, 02:53 Uhr

    Die Queer-Bewegung - ein linker spießiger Verein, der keine andere Meinungen duldet. Aber wen wunderts - kommt ja mal wieder aus Köln Interessant wird es bei der Täterbeschreibung. Bei Rechten wird nach westdeutscher Gründlichkeit berichtet. Name, Alter, natürlich die Nationalität (Deutscher) und möglichst noch ein Foto. Was die Ausländer betrifft - hält man sich "liberal" zurück. Diese fallen unter die Kategorie: "Egal von wem auch immer" als Täterbeschreibung von kriminellen Migranten

  • 33 Gott 10.06.2023, 22:00 Uhr

    Danke für diesen sachlichen und politisch neutralen Beitrag. Not. Dieselbe Kritik vom bösen weißen Mann an linksliberaler Politik wäre aus eurer Sicht Hass und hetze. Aber ihr selber Haut sone propaganda raus. Weil Nationalstolz das selbe ist, wie schwule verprügeln. Genau. Und alle linken sind Stalin. Guten Morgen

  • 32 Walter 10.06.2023, 14:23 Uhr

    Überall nur Hass und Hetze? Ihr seht überall rechte Verschwörer? Dann solltet ihr einen Psychologen eures Vertrauens konsultieren!

  • 28 Horsti 10.06.2023, 05:10 Uhr

    Dieser Kommentar wurde gesperrt, weil er gegen unsere Netiquette verstößt. (die Redaktion)

  • 27 Bernd Höcker 09.06.2023, 23:55 Uhr

    Armes Deutschland, bald siehts hier aus wie in China. Die GEZ-Medien sind in puncto Objektivität und Meinungsvielfalt heute schon wie im Land der Mitte. Armselig!

  • 23 Anonym 09.06.2023, 20:41 Uhr

    Würdet ihr die Probleme einer Handvoll der Leute vom anderen Ufer nicht so künstlich aufblähen, gäbe es weder Hass noch Häme. Weshalb müssen nun überall Regenbogenfahnen hängen, jeder Avatar in ebendiesen Farben und und und..., sodass es scheint, als wäre dies ein Land voller Schwuler, Lesben o.ä. Ist es aber nicht. Lasst diese Leute machen, was sie wollen und belästigt nicht die übergroße Mehrheit mit deren Problemen. Und alles wird gut.

  • 21 Alex 09.06.2023, 14:18 Uhr

    Ich frage mich beim Lesen der Kommentare hier im Forum, wie die Monitor-Redaktion diesen Hass, Häme, diesen Zynismus erträgt.

  • 20 Manuela Friedrich 09.06.2023, 11:08 Uhr

    Ich habe seit langem wieder Monitor angeschaut, weil ich das früher sehr informativ fand. Gestern habe ich während der Sendung abgeschaltet. Ich fand es unerträglich, diese ewig diffamierenden Berichte über die afd. Da wird gearbeitet wie in einer Diktatur. Wird über die afd berichtet, dann in farblosen Bildern mit bedrohlicher Hintergrundmusik. Eine Demokratie sollte linke wie rechte Parteien respektieren wie aushalten können

  • 17 Martin Schmidt 09.06.2023, 09:30 Uhr

    Für einen Psychologen wird offenbar die gesamte Redaktion und ihr anhängendes Personal zur echten Herausforderung. Wie kann man soviel Hass und Desinformation in einem "Bericht" verpacken und gleichzeitig gegen Hass und Hetze sein. Merkt ihr noch was?

  • 16 Silvio Görne 09.06.2023, 08:45 Uhr

    Im Beitrag wird insiniuiert, dass der Stolzmonat von Björn Höcke initiierte wurde. Das ist aber nicht richtig, der Idee stammt vom Youtuber »Shlomo«. Davon abgesehen geht es beim Stolzmonat nicht um die Verbreitung von Hass, sondern schlicht um Kritik am vollkommen kommerzialisierten »Pride-Month«. Eine derartige Kritik ist absolut legitim und gehört zu einer Kritik dazu.

    • Martin S. 09.06.2023, 12:39 Uhr

      Das macht es insgesamt nicht besser, dass der Ursprung von einem Rechtstroll kam, dem ständig Kanäle und Videos bei YT weggemeldet werden.

  • 15 Maggi 09.06.2023, 07:25 Uhr

    Das war nicht Höcke oh man das Shlomo