Bericht: H-C Schultze, Naima El Moussaoui, Paul Ostwald
Georg Restle: „Bilder von prügelnden Polizisten, wehrlose Opfer und Polizeibeamte, die offenbar keine Grenzen kennen. Nein, dies sind nicht die USA, diese Bilder stammen aus Deutschland. Keine schönen Bilder. Guten Abend und willkommen bei Monitor. Wie tödlich Rassismus sein kann, das haben wir in den letzten Wochen wieder mal erfahren müssen. Die Bilder aus den USA sind dabei nur schwer zu ertragen. Kaum vorstellbar, dass so etwas auch bei uns passieren könnte. Stimmt ja auch, die USA sind nicht Deutschland. Und in der Regel wird hier auch nicht so schnell und so scharf geschossen. Trotzdem gibt es auch hier immer wieder Meldungen über rassistische Übergriffe von Polizeibeamten; Misshandlungen, Körperverletzungen, schwerste Demütigungen. Meldungen, die es bei uns jedoch eher selten in die Tagesschau schaffen. Also alles kein Problem? Oder doch? Naima El Moussaui, H.-C. Schultze und Paul Ostwald.“
Vergangene Woche in den USA - Polizisten erschießen den Afroamerikaner Alton Sterling. Ein ganzes Land ist seitdem in Aufruhr.
Zitat: „We want Justice!“
Ob Ferguson, Falcon Hights oder McKinney, immer wieder kommt es zu rassistischen Übergriffen durch die Polizei. Gewalttätige Polizisten - diese Bilder sind aus Deutschland. Solche Aufnahmen sind selten. Wie oft das vorkommt, weiß niemand. Gewaltexzesse bei der deutschen Polizei. Aber auch Rassismus? Ja, sagt der Politikwissenschaftler Joshua Kwesi Aikins. Er hat sich für Menschenrechts- und Opferverbände mit Rassismus in Deutschland beschäftigt.
Joshua Kwesi Aikens, Politikwissenschaftler: „Ich denke, dass wenn man sich diese Fälle anschaut, man leider ein Muster erkennen kann. Insbesondere zum Beispiel gegen Menschen afrikanischer Herkunft wird sehr schnell Gewalt angewendet vonseiten der Polizei, die dann auch tödlich enden kann. Und wenn es dann darum geht, diese Fälle aufzuklären, da wird dann vonseiten der Polizei geblockt, vertuscht und eine Aufklärung verhindert.“
Ein schwerer Vorwurf, doch eine ähnliche Kritik kommt sogar vom Europarat und den Vereinten
Nationen. Die UN kritisierte vergangenes Jahr, es gebe in Deutschland
Zitat: „rassistisch diskriminierende Handlungen von Beamten der Strafverfolgungsbehörden.“
Alexander Bosch, Polizeiexperte, Amnesty International: „Es sind keine bedauerlichen Einzelfälle, sondern wir sehen deutliche Anzeichen dafür, dass es in der Polizei einen strukturellen, also sogenannten institutionellen Rassismus gibt.“
Beispiel Hannover 2014. In dieser Polizeiwache sollen zwei Flüchtlinge schwer misshandelt worden sein. Eines der Opfer war Marokkaner, einer Afghane. Ein Bundespolizist schreibt an seine Kollegen:
Zitat: „Hab den weggeschlagen. Nen Afghanen. Und an den Fußfesseln durch die Wache geschliffen. Das war schön. Gequikt wie ein Schwein.“
Es gab Disziplinarverfahren, ein Polizist wurde suspendiert. Doch das Ermittlungsverfahren wurde im März eingestellt. Frankfurt 2012. Der Ingenieur Derege Wevelsiep und seine Verlobte geraten in eine Fahrscheinkontrolle, die Polizei kommt dazu, die Situation eskaliert. Einer der Polizisten schlägt dem Deutsch-Äthiopier mit der Faust an den Kopf, verletzt ihn schwer. Ein Gericht stellt fest, das Verhalten des Polizisten sei rassistisch motiviert. Herford 2014. Bei einer Verkehrskontrolle wird der Speditionskaufmann Hüseyin Ercan von einem Polizisten geschlagen. Doch angeklagt wird nicht der Polizist, sondern das Opfer. Erst als dieses Polizeivideo auftaucht, wird Hüseyin Ercan freigesprochen. Jetzt wird gegen den Polizisten ermittelt. Doch in den wenigsten Fällen kommt es überhaupt so weit, weil Beweise selten sind. Im Jahr 2014 gab es insgesamt 2.138 Anzeigen gegen Polizisten wegen Körperverletzung im Amt. Wie oft dabei Rassismus im Spiel war, wird nicht erfasst. Doch gerade einmal in 33 Fällen erhob die Staatsanwaltschaft Anklage. Für den Polizeiwissenschaftler Thomas Feltes hat das auch strukturelle Gründe.
Thomas Feltes, Polizeiwissenschaftler, Ruhr-Universität Bochum: „Das hat etwas damit zu tun, dass die Beweislage in diesen Fällen extrem schwierig ist, weil eben die Kolleginnen und Kollegen in aller Regel sich nicht trauen auszusagen und weil objektive Beweise, wie zum Beispiel Handyvideos oder Überwachungskameravideos oftmals nicht vorhanden sind oder, wenn sie vorhanden sind, manchmal von der Polizei auch in Teilen oder ganz verschwiegen werden.“
Auch Kritikern geht es nicht darum, alle Polizisten als Rassisten abzustempeln. Es geht darum, rassistische Verhaltensmuster aufzuspüren und gegenzusteuern. Ein Mittel wären vor allem unabhängige Beschwerdestellen, die solchen Vorwürfen nachgehen. Denn momentan ermitteln Polizisten gegen Polizisten.
Alexander Bosch, Polizeiexperte, Amnesty International: „Die deutsche Polizei wird leider nicht unabhängig kontrolliert. Das ist ein riesiges, menschenrechtliches Problem, was Amnesty auch kritisiert, was aber auch die Vereinten Nationen, was der Europarat kritisieren.“
Doch weder Bund noch Länder sehen Handlungsbedarf. Gegenüber Monitor wird bestritten, dass es überhaupt ein Rassismusproblem gibt. Dabei hilft Verschweigen niemandem, auch nicht den Polizisten.
Thomas Feltes, Polizeiwissenschaftler, Ruhr-Universität Bochum: „Es würde uns gut anstehen als demokratisches System, hier mehr Offenheit zu dokumentieren und auch deutlich zu machen, auch ein Polizeibeamter darf einen Fehler machen. Es kommt dann nur drauf an, wie hinterher damit umgegangen wird.“
Vielleicht geht es genau darum: Um mehr Offenheit innerhalb der Polizei, um das Vertrauen derer zu gewinnen, die Opfer von Gewalt und Rassismus geworden sind - in Deutschland.
Georg Restle: „Natürlich sollten wir nicht verallgemeinern. Die allermeisten Polizisten sind ganz sicher keine Rassisten - und ja, natürlich gibt es auch immer wieder Gewalt gegen Polizeibeamte. Aber die Politik sollte aufhören, das Problem zu ignorieren. Schließlich geht es hier um elementare Menschenrechte. Und die gelten für alle.“
Kommentare zum Thema
Es ist kot...! Da werden Polizisten, Sanitäter, die Feuerwehr, Kontrolleure brutal und aggressiv angegangen und es wird so hingenommen. Die Politik dreht weg, Das die Jungs irgendwann die Nase voll haben und sich dementsprechend verhalten, wundert mich nicht. Ich ziehe meinen Hut vor der Arbeit der Polizisten pp.
Ich bin allen Polizisten dankbar, die unsere Sicherheit gewährleisten. Dass sie sich nicht nur von Migranten beleidigen lassen müssen sondern auch noch von solchen inhaltslosen Beiträgen ist eine Schande!
Für diesen Staat und seine Führung würde ich gar keine Uniform mehr anziehen!