Putins Geheimarmee: Soldaten wider Willen
Monitor. 23.01.2025. 09:51 Min.. UT. Verfügbar bis 30.12.2099. Das Erste. Von Andreas Spinrath, Tobias Dammers, Mutasem Al-Hetari.
MONITOR vom 23.01.2025
Putins Geheimarmee: Soldaten wider Willen
Seit fast drei Jahren tobt der russische Angriffskrieg in der Ukraine, mit Hundertausenden Toten und Verletzten. Zunehmend setzt das russische Militär deshalb auf ausländische Kämpfer. MONITOR konnte nun exklusiv mit Jemeniten an der Front sprechen, die offenbar mit falschen Versprechungen nach Russland gelockt wurden. Die Recherchen zeigen ein globales Netzwerk, das ständig Nachschub für Putins Kriegsmaschinerie heranschafft.
Von Andreas Spinrath, Tobias Dammers, Mutasem Al-Hetari
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Kommentieren [8]Georg Restle: "Donald Trump und Wladimir Putin: Auch die Macht des russischen Präsidenten könnte wachsen, wenn, ja wenn Trump seine Ankündigung wahr macht; und einen schnellen Frieden in der Ukraine durchsetzt, der ganz im Sinne Putins wäre. Seit Monaten versucht Russland in der Ukraine Fakten zu schaffen, wie diese apokalyptischen Bilder aus den umkämpften Gebieten an der Front zeigen. Verwüstete Städte, zerbombt von Putins Armee im Osten der Ukraine. Stück für Stück ist Russland hier in den letzten Monaten vorangekommen und zahlt dafür einen hohen Preis. Tausende Soldaten mussten ihr Leben lassen, für ein paar Kilometer Geländegewinn. Die Frage ist allerdings, wer sind diese Soldaten eigentlich und woher kommen sie? Unsere Recherchen zeigen schier Unglaubliches: Dass Menschen unter Vortäuschung falscher Tatsachen aus einem fernen Land nach Russland gelockt wurden, um sich dann plötzlich mitten im Krieg wiederzufinden. Soldaten wider Willen, Kanonenfutter für Putins Kriegmaschinerie. Mutasem Al Hetari, Andreas Spinrath und Tobias Dammers."
Soldat (Übersetzung MONITOR): "Oh mein Gott. Ich blute, Blut!"
Ein schwer verletzter Soldat im Ukraine-Krieg. Diese Männer kämpfen für Russland, obwohl sie das nie wollten.
Soldat (Übersetzung MONITOR): "Wir wurden an die Front in der Ukraine gebracht. Wir wissen nicht warum.”
2. Soldat (Übersetzung MONITOR): "Sie haben 24, 25 Leute mitgenommen und niemand ist mehr übrig."
Wer sind diese Kämpfer und woher kommen Sie?
3. Soldat (Übersetzung MONITOR): "Wir wollen zurück, zurück, zurück!”
4. Soldat (Übersetzung MONITOR): "Ich möchte zurück in die Heimat. Es ist so schwierig hier."
Die Männer kommen aus dem Jemen und sind eigentlich Zivilisten. Warum kämpfen sie in der Ukraine für Russland, wo fast jeder Meter Gebietsgewinn mit vielen Toten bezahlt wird? Unsere Suche nach Antworten beginnt in Sanaa, der Hauptstadt des Jemen. Ein Land, zerrissen durch viele Jahre Bürgerkrieg. Hier trifft unser Kamerateam einen Mann, der uns Antworten geben kann – Mohamad. Auch Mohamad war unfreiwilliger Kämpfer in Putins Armee.
Reporter (Übersetzung MONITOR): "Wie sind Sie nach Russland gekommen?
Mohamad (Übersetzung MONITOR): "Ich wurde durch Täuschung dorthin gebracht. Man hat mich getäuscht, sie sagten mir, dass ich dort arbeiten würde. Mir wurde versprochen, dass ich dort in einer Sicherheitsfirma arbeiten würde. Es ging in Maskat los.
Maskat, die Hauptstadt des Oman. Der reiche Nachbar des bitterarmen Jemen. Hier leben Zehntausende Jemeniten, viele geflohen vor dem Bürgerkrieg. Sie arbeiten auf dem Bau oder in der Gastronomie, oft schlecht bezahlt. Im Frühjahr 2024 hat dieser jemenitische Geschäftsmann ein verlockendes Jobangebot für sie. Abdulwali Al-Jabri verspricht 10.000,- Dollar Startbonus. Dazu 3.000,- Dollar Gehalt pro Monat – das Vierzigfache des durchschnittlichen Monatslohns im Jemen. Es gibt auch einen Vermittlungs-Vertrag. Dort steht, die Jobs sind in Russland. Arbeit gemäß ihrer beruflichen Qualifikationen, von einem Einsatz im Krieg steht dort nichts.
Mohamad (Übersetzung MONITOR): "Er sollte mir Arbeit besorgen, ich sollte sie mir aussuchen können. Sobald ich einen Job habe, sollte ich ihm 3.000 Dollar zahlen. Dafür finanzierte er mir die Reisekosten."
Wie viele insgesamt angeworben wurden, ist unklar. Wir wissen von mindestens 150, die sich so auf den Weg machen. Zwischenstopp. Dubai. Ein Russe, der sich als Dmitry vorstellt, kümmert sich um die Reisegruppe. Einer der Jemeniten macht heimlich ein Foto von ihm. Keiner ahnt, wer dieser Mann wirklich ist. Nächster Stopp: Russland. Flughafen Moskau-Domodedowo. Ab hier läuft alles plötzlich ganz anders als versprochen.
Mohamad (Übersetzung MONITOR): "Als wir in Moskau ankamen, waren wir überrascht, dass uns Offiziere und Soldaten vom Verteidigungsministerium empfangen haben. Die wollten uns mitnehmen."
Man präsentiert ihnen einen russischsprachigen Arbeitsvertrag, niemand übersetzt. Nur 13.318 Rubel gibt es pro Monat, knapp 130 Euro. Sie werden zur Unterschrift gezwungen.
Mohamad (Übersetzung MONITOR): "Sie haben in die Luft geschossen und neben uns, um uns einzuschüchtern."
Die Verträge verstehen sie nicht. Verträge für den Einsatz im Krieg. Von Moskau aus geht es für sie weiter in die Millionenstadt Nischni Nowgorod. Kein Zufall, denn Dmitry – der Russe, der ihnen bei der Reise geholfen hat – hat eigentlich einen anderen Beruf. Dmitry ist Dmitry Stárostin, stellvertretender Gouverneur von Nischni Nowgorod. Ein hochrangiger russischer Politiker hat die Jemeniten also nach Russland geholt. Von hier werden sie zu einem Militär-Crashkurs in einem Camp an der ukrainischen Grenze transportiert. Die meisten haben wohl noch nie eine Waffe in der Hand gehabt. Mit Lastwagen bringt man sie weiter in die Ukraine. Die Einheit 29238 kämpft an vorderster Front. Wir bekommen Kontakte zu Jemeniten, die noch immer in der Ukraine kämpfen. Wir versuchen sie direkt an der Front zu erreichen – heimlich. Einer geht ran.
1. Soldat (Übersetzung MONITOR): "Alles war Lüge und Inszenierung. Wir dachten, wir würden unsere Situation verbessern, aber wir fanden uns in einem Albtraum wieder."
Ein Albtraum? Welchen Befehlen müssen sie folgen? Wir erreichen einen zweiten Soldaten.
2. Soldat (Übersetzung MONITOR): "Wir kämpfen, mit Gewehren. Das ist unsere Arbeit. Und wir graben Schützengräben, tragen Baumstämme, machen schwere, körperliche Aufgaben, wenn gerade nicht gekämpft wird. Manchmal müssen wir allein an die Front gehen. Sie geben uns dann über einen Knopf im Ohr Anweisungen, wohin wir laufen sollen."
Schickt man die Jemeniten also ganz allein an vorderste Front, in vermintes Gelände? Ohne Rücksicht auf Verluste?
1. Soldat (Übersetzung MONITOR): "Ein Drittel von uns ist verschwunden, wir wissen nichts über sie. Einige sind tot, andere in Gefangenschaft oder einfach weg."
Seit einigen Monaten häufen sich Berichte über ausländische Kämpfer, nicht nur Jemeniten. Von Russland an die Front geholt, um nicht weitere russische Soldaten zu opfern? 70.000 sollen in diesem Krieg schon gestorben sein.
Margarete Klein, Stiftung Wissenschaft und Politik: "Innenpolitisch ist es natürlich der Versuch, nicht bei den russischen Männern Zwangsmobil machen zu müssen. Aber es hat natürlich auch militärisch durchaus seinen Vorteil, denn gerade diese Taktik der menschlichen Wellen, die ja sehr viele Todesopfer fordert, da ist es auch leichter, nach innen zu verkaufen, wenn es eben keine russischen Staatsbürger sind."
Margarete Klein arbeitet bei der Stiftung Wissenschaft und Politik und beschäftigt sich intensiv mit dem Krieg in der Ukraine.
Margarete Klein, Stiftung Wissenschaft und Politik: "Das ist der Versuch, eben nicht zur Zahlungsmobilmachung wieder zurückgreifen zu müssen, indem man so viele Personen – egal woher – bekommt, um die an die Front schicken zu können."
Sind diese Jemeniten also als Kanonenfutter verkauft worden? Wir versuchen mit dem Geschäftsmann Al-Jabri in Kontakt zu kommen, der die Jemeniten nach Russland gelockt hat – und erreichen ihn tatsächlich.
AL-Jabri (Übersetzung MONITOR): "Ich bin Abdulwali al-Jaberi. Ich komme aus der Provinz Taiz und bin Mitglied des Jemenitischen Parlaments."
Ein jemenitischer Politiker mit persönlichen Beziehungen nach Russland? Das ist nicht die ganze Wahrheit: Al-Jabri ist auch ein hochrangiger Militär. Ein UN-Dokument listet ihn als General und Houthi-Autorität. Ein Kommandant der Houthi-Miliz, die im Jemen einen blutigen Bürgerkrieg gegen die Regierung führt? Eine Miliz, die gute Beziehungen zu Russland hat und vom Iran unterstützt wird? Was hat das zu bedeuten?
Margarete Klein, Stiftung Wissenschaft und Politik: "Russland hat seine Beziehungen zu den Houthis deutlich ausgebaut. Es ist der Versuch, eben aus diesem Konflikt so viel wie möglich für Russlands Unternehmungen in der Ukraine zu bekommen, nämlich Personal."
Al-Jabri weist die Anschuldigungen zurück. Niemand sei getäuscht worden:
Al-Jabri (Übersetzung MONITOR): "Eins will ich noch loswerden: Bei Rekrutierungen oder Kriegen besteht immer die Gefahr, gefangen genommen oder verwundet zu werden. Es gibt keine Kriege ohne Verletzte oder Tote."
Das russische Verteidigungsministerium reagiert nicht auf unsere Anfragen. Auch nicht die Botschaft des Jemen in Moskau. Mohamad saß einen Monat in russischer Militärhaft, weil er sich wiederholt weigerte zu kämpfen. Als einer von wenigen durfte er dann lebend aus Russland in den Jemen zurückkehren. Er will andere warnen, denn die Rekrutierung für den Krieg in der Ukraine läuft weiter – bis heute.
Georg Restle: "Der Krieg in der Ukraine und der Wunsch nach Frieden spielt auch im Bundestagswahlkampf eine wichtige Rolle. Wobei viele von denjenigen, die hier am lautesten nach Frieden rufen, oft ganz leise werden, wenn es um die Frage geht, welchen Preis die Menschen in der Ukraine dafür eigentlich bezahlen sollen."
Stand: 24.01.2025, 12:00 Uhr
8 Kommentare
Kommentar 8: Heidi schreibt am 23.01.2025, 22:05 Uhr :
Guten Abend, ich schaue gerade Ihre Sendung. Ich komme gerade aus Südamerika. Was ist denn mit den Söldnern in der ukrainischen Armee? Eine große Zahl dieser Südamerikanern haben bereits mit ihrem Leben bezahlt.
Kommentar 7: Miguel Fernandes schreibt am 23.01.2025, 20:07 Uhr :
Nicht nur bei Putin, auch Selenskyj lässt wehrpflichtige Männer und Jugendliche auf offener Straße entführen, da gibt es genügend Videos und Berichte, die das bestätigen.
Kommentar 5: Markus Manfred Rühle schreibt am 23.01.2025, 16:58 Uhr :
Ich erinnere mich noch sehr gut daran, wie politische Stimmen vorschnell eine sofortige Aufnahme der Ukraine in die EU forderten, nach dem Überfall Russlands und damit dem Beginn eines nunmehr lange währenden Krieges. Das ist nicht ganz untypisch für die Qualität vieler politischer Ansinnen wie auch Aktionen in der Bundesrepublik; man sagt oder macht mal schnell und dann erst überlegt man, was dadurch angestoßen wurde, ohne dass man einen blassen Schimmer davon hätte, in was das Ganze letztlich münden könnte - wir erinnern uns: "WIR SCHAFFEN DAS" (oder es schafft uns?). Putin lässt im Ausland Truppen ausheben; Russlands Freunde liefern. Es spielt keine Rolle, was man den jungen Männern vorgetäuscht hat; wer an der Front ist, ist an der Front und dort gilt: Der oder ich. Es fällt auf, wie viele junge Ukrainer, statt ihre Heimat zu verteidigen, sich fest bei uns heimisch niedergelassen haben. Wir werden doch an ihrer Statt nicht noch unsere Soldaten zum Sterben in die Ukraine entsenden?
Kommentar 4: Cora schreibt am 23.01.2025, 00:35 Uhr :
Die letzte freie Wahl aller Ukrainer hat der prorussische Jankowytsch gegen die prowestliche Timoschenko gewonnen. Millionen wollen nicht für Westukraine einstehen und sind ins Ausland gegangen; wir bezahlen deren Unterhalt, der Westukraine fehlen Soldaten und Arbeitskräfte. Wie so oft, fehlt die andere Seite der Medaille. Wo Russland die Söldner herbekommt ist völlig gleichgültig. Die eigentliche Frage ist, warum wollen die Millionen Ukrainer im Ausland sich nicht für die Westukraine einsetzen; egal ob als Soldat, im Sanitätsdienst oder als Bauarbeiter für Wiederaufbau. An der Stelle fliegt die Erzählung vom „Angriffskrieg“ auseinander. An der Stelle sind Ukrainer selbst als „Soldaten wider Willen“ lieber „geflohen“; weniger freundlich ausgedrückt desertiert wenn eben möglich.
Kommentar 3: Ohnmacht schreibt am 22.01.2025, 21:45 Uhr :
Für mich ist es deutlich sichtbar dass die Eliten in der EU vordergründig den ukrainischen Krieg weiter unterstützen wollen „um ihr Ansehen in der Öffentlichkeit“ nicht zu verlieren. Sie hätten denkbar Schwierigkeiten der Bevölkerung zu erklären warum sie den Krieg auf Seite der Ukraine nicht mehr unterstützen wollen. Auch weil sie seit Frühjahr 2022, als es aufgrund von Vermittlungen eine mögliche ratifizierbare Übereinkunft gab den Krieg zu beenden sich aber für eine weitere Kriegsführung der Ukraine einsetzten, um irgendwann „bessere Verhandlungsmöglichkeiten“ durch Kriegsführung mit NATO-Waffen und unserem Steuergeld zu erreichen. Welches bis heute nicht gelungen ist, jedoch seit dieser Zeit weitere Hunderttausende Menschen kriegerisch starben. Mehr Waffen forderten sie für die ukrainische Armee, „um Leben zu retten“ war die Argumentation. Offenbar waren Betreff „Leben retten „nicht“ Leben von Menschen der „Russischen Föderation“ gemeint. Wo bleibt das Menschenrecht aller Menschen?
Kommentar 1: Albers schreibt am 21.01.2025, 18:52 Uhr :
Ein Glück das Ukrainische Soldaten für unsere Freiheit kämpfen.