MONITOR vom 28.07.2022

Putin und Kyrill: Glaubenskrieger gegen das Böse

Bericht: Julia Regis, Véronique Gantenberg, Andreas Maus

Putin und Kyrill: Glaubenskrieger gegen das Böse Monitor 28.07.2022 12:38 Min. Verfügbar bis 30.12.2099 Das Erste Von Julia Regis, Véronique Gantenberg, Andreas Maus

Georg Restle: "Diese beiden Männer haben den Krieg gegen die Ukraine immer gewollt, Russlands Präsident Vladimir Putin und der Patriarch der Russisch-Orthodoxen Kirche, Kyrill der Erste. Eine wahrhaft unheilige Allianz – vereint in einem verbrecherischen Krieg -und gegen die von ihnen verhassten Werte des Westens. Lange schon nutzt Putin die russische Orthodoxie, um seinen imperialen Alptraum mit dem Weihrauch einer Kirche zu vernebeln, die ihm stets zu Diensten ist. Und nicht nur in Russland. In fast ganz Osteuropa versucht Putin mit Hilfe der Russisch-Orthodoxen Kirche seinen Einfluss massiv auszuweiten. Und findet mit seinem Kampf gegen die angeblich verdorbenen Werte des Westens Verbündete auf der ganzen Welt. Auch hier in Deutschland, zum Beispiel bei dieser Dame, der Fürstin Gloria von Thurn und Taxis. Julia Regis, Véronique Gantenberg und Andreas Maus über ein globales Netzwerk rechter Glaubenskrieger, auf die sich Putin stets verlassen kann."

Die Russisch-Orthodoxe Kirche und ihr mächtigster Mann: Patriarch Kyrill der Erste. Immer eng an der Seite von Wladimir Putin - auch jetzt im Krieg gegen die Ukraine. In der „Hauptkirche der Streitkräfte“ schwört der Patriarch Anfang April einmal mehr die Soldaten auf einen heiligen Krieg ein.

Kyrill, 03.04.2022: "Unser ganzes Volk muss heute erwachen, aufstehen und verstehen – dass eine besondere Zeit eingetreten ist, von welcher das historische Schicksal unseres Volkes abhängig sein wird."

Der Krieg gegen die Ukraine – für Kyrill ein Glaubenskrieg.

Kyrill, 27.02.2022: "Gott bewahre, dass in der heutigen Lage die Kräfte des Bösen die Oberhand gewinnen."

Das Böse, das sind für Kyrill und Putin der Westen und seine liberalen Werte. Etwa die Gleichberechtigung von homosexuellen Menschen, die in Russland von Polizisten gejagt und verprügelt werden. Werte, die jetzt auch in der Ukraine von Russland bekriegt werden. Putins blutiger Imperialismus, von Kyrill abgesegnet.

Regina Elsner, Zentrum für Osteuropa- und internationale Studien: "Hier geht es eben darum für ihn, dass die Ukraine, die ukrainischen Menschen gezwungen werden sollten, angeblich Gay Pride Paraden durchzuführen. Sie sollen gezwungen werden, sich auf den proeuropäischen Weg zu begeben und sie würden das aber nicht wollen und weil sie dem selber eigentlich nicht mehr widerstehen können, deswegen muss Russland hier auch mit Waffengewalt eingreifen."

Ein Glaubenskrieg, der weit über die Grenzen Russlands hinausreicht. Vor allem nach Osteuropa. Nach Serbien etwa. Wo die orthodoxe Kirche stramm an der Seite Putins und Kyrills steht. Nach Kriegsbeginn zogen hier Tausende durch die Straßen, um so ihre Unterstützung für Russlands Krieg zu zeigen. Und selbst im katholischen Ungarn findet die Russisch-Orthodoxe Kirche starke Verbündete. In Viktor Orbán hat Patriarch Kyrill einen verlässlichen Unterstützer, auch im Krieg. Der Regierungschef verhindert in der EU Sanktionen gegen Kyrill. Nur wenige Tage vor Kriegsbeginn kürt Orbán die Russisch-Orthodoxe Kirche gar zum letzten Retter des europäischen Christentums.

Viktor Orbán, Ministerpräsident Ungarn, 12.02.2022: "Ohne die Orthodoxie, das Bündnis mit den östlichen Christen werden wir die kommenden Jahrzehnte wohl kaum überleben können."

Bündnisse, die die Russisch-Orthodoxe Kirche gezielt schmiedet, um Ihre Macht weit über Russland und Osteuropa hinaus geltend zu machen. Dabei spielen für den Kreml und die Kirche besonders zwei einflussreiche Männer eine zentrale Rolle. Der eine: Konstantin Malofeev. Der russische Oligarch Malofeev wurde schon vor Jahren von der EU sanktioniert, er soll Separatisten im Ukraine-Krieg unterstützt haben. Auf seinem eigenen Fernsehsender Tsargrad TV wird nonstop Kreml- und Kirchen-Propaganda verbreitet. Ein weiterer wichtiger Verbündeter von Patriach Kyrill Vladimir Yakunin. Ebenfalls schwerreicher Oligarch. Lange Zeit wurde er sogar als Putins möglicher Nachfolger gehandelt. Beide Oligarchen haben ein ganzes Netzwerk aus Stiftungen und Organisationen aufgebaut. Von hier floss viel Geld nach Europa an ultrareligiöse Gruppierungen, die etwa gegen das Recht auf Abtreibung kämpfen. Rund 188 Millionen Dollar waren es zwischen 2009 und 2018 laut einer Studie des Europäischen Parlamentarischen Forums, EPF.

Neil Datta, Europäischen Parlamentarischen Forums: "Konstantin Malofeev und Vladimir Yakunin haben in der Anti-Gender Bewegung eine sehr große Bedeutung. Erstens stellen sie enorme Geldbeträge zur Verfügung. Zweitens liefern sie die religiöse Legitimation für diese Ideen, die sich gegen Menschenrechte richten. Und drittens ist da das Prestige, dass sie als wichtige Akteure aus einem großen Land wie Russland mitbringen. Deswegen haben sie in der gesamten Anti-Gender-Bewegung eine Schlüsselrolle, in Europa und auch weltweit."

Eine zentrale Rolle für die russischen Oligarchen spielt dabei diese Organisation: der World Congress of Families. Ein weltweites Netzwerk der religiösen Rechten - laut EPF-Studie mitfinanziert durch Gelder aus Russland.

In Imagevideos präsentiert sich der World Congress of Families ganz harmlos, als ein Kongress für die Familie, für das Leben. Tatsächlich aber wird hier ein ultra-konservatives Familienbild propagiert, gegen Abtreibung, gegen sexuelle Selbstbestimmung  – man wähnt sich in einem Kulturkrieg.

O-Ton: "Dieser Kulturkrieg ist ein weltweiter Krieg."

O-Ton: "Sagt den LGBT-Toleranz-Tyrannen, dieser Lavendel-Mafia, diesen Homo- Faschisten, diesen Regenbogen-Radikalen, dass sie ihre anti-religiöse, anti-zivilisatorische Propaganda nicht verbreiten sollen in euren Ländern."

Ein Kulturkrieg, den es zu gewinnen gilt. Auf jährlichen Events treffen sich hier Vertreter der Russisch-Orthodoxen Kirche, extrem rechte Politiker, religiöse Fundamentalisten aus den USA.

Neil Datta, Europäischen Parlamentarischen Forums: "Es ist das weltweite Treffen für alle, die Menschenrechte, Rechte für Frauen, für LGBT-Menschen untergraben wollen. Sie streben eine neue Theokratie an, in der religiöse Rechte über anderen Menschenrechten stehen. Russland nutzt den Weltkongress der Familien und die Verbindungen zu rechtsextremen und Anti-Gender-Akteuren deshalb als ein zentrales Instrument um Einfluss zu gewinnen."

Zentral für diese Strategie sind auch die Verbindungen der Russisch Orthodoxen Kirche in die USA. Etwa zum einflussreichen Prediger Franklin Graham, Chef der Billy Graham Evangelistic Association. Eine der größten evangelikalen Organisationen in den USA. Zu Ex- Präsident Donald Trump pflegt Graham engste Beziehungen. Er ist ultrakonservativ, radikaler Abtreibungsgegner, strikt gegen die Gleichberechtigung von queeren Menschen. Die Russisch-Orthodoxe Kirche hat mit ihm einen starken Verbündeten in den USA. Immer wieder reiste Graham nach Moskau. 2019 traf er sich mit dem russischen Kirchenoberhaupt Kyrill - 2015 sogar mit Präsident Putin. Und obwohl Graham den Krieg in der Ukraine heute deutlich verurteilt, ideologisch stehen er und die religiöse Rechte in den USA weiterhin fest an der Seite Putins und der Russisch-Orthodoxen Kirche.

Annika Brockschmidt, Journalistin und Autorin: "Russland hat da ganz eindeutig eine Vorbildfunktion für die religiöse Rechte. Die Verbindung macht einfach ideologisch Sinn. Nicht umsonst pflegen bestimmte Institutionen der religiösen Rechten seit Jahrzehnten auch Beziehungen zu den Autokraten und den Diktatoren der Welt. Autoritäre politische Systeme sind für sie attraktiv, weil das eben ihrer idealen Regierungsform entspricht, sobald sie an der Macht sind."

Russland als Vorreiter im Kampf für angeblich christliche Werte - damit hat die Russisch-Orthodoxe Kirche offenbar auch in Deutschland prominente Unterstützer gewonnen. Schloss St. Emmeram in Regensburg - Familiensitz von Fürstin Gloria von Thurn und Taxis. Erzkatholisch, strikte Abtreibungsgegnerin.

Auch sie ist 2019 Gast beim ultrareligiösen Netzwerktreffen des World Congress of Families.

Fürstin Gloria von Thurn und Taxis: "Es ist die Ideologie, die sich gegen das natürliche Leben der Menschen, gegen die Familie richtet  – die westliche Ideologie ist die Gefahr."

Die westliche Ideologie, eine gottlose Kultur des Todes, sagt sie heute noch. Gloria von Thurn und Taxis ist nicht nur eine prominente deutsche Aristokratin. Immer wieder trat sie in der Vergangenheit als Vertreterin russischer Interessen auf. Etwa hier 2019 bei einem Wirtschaftsforum in St. Petersburg.

Fürstin Gloria von Thurn und Taxis: "Wir müssen etwas tun, um die Russland-Phobie in Europa zu beenden. Die russische Lebensweise ist die, die wir hier in Europa brauchen."

Erstaunlich viele Aristokraten sind in den von Russland unterstützten Netzwerken zu Gast. Wir treffen Gloria von Thurn und Taxis. Angesichts ihrer Äußerungen zu Russland  – wie steht sie jetzt zum Krieg in der Ukraine?

Fürstin Gloria von Thurn und Taxis: "Wir haben ja gar nicht die Möglichkeit, wirklich informiert zu sein. Denn wir bekommen ja nur das von einer Kriegspartei, nämlich der westlichen Kriegspartei, die östliche da ist ja auch, da ist ja längst eine, wie soll ich sagen, eine Sperre von Informationen. Wir wissen nichts. Was wir wissen, ist, dass der Krieg schrecklich ist, dass ständig Waffen geliefert werden, dass Städte zerbombt werden, dass Menschen fliehen. Aber was die Hintergründe sind wer was wo finanziert, wer seine Partikularinteressen, das wissen wir nicht. Wir wissen nur, Putin ist böse, Selenski ist klasse."

Geraune über vermeintlich unbekannte Interessen und dubiose Einflüsse beim Ukraine-Krieg. Das sei typisch für viele prominente Russlandverteidiger in Deutschland und weltweit  – sagen Kritiker.

Neil Datta, Europäischen Parlamentarischen Forums: "Gloria von Thurn und Taxis und ähnliche Personen in anderen Ländern spielen quasi die Rolle von inoffiziellen Botschaftern für russische Ideen, russische Positionen. Auch um extremistische Ideen in sozialen Fragen, schmackhafter, akzeptabler erscheinen zu lassen."

Inoffizielle Botschafter – und enge ideologische Bindungen zwischen der religiösen Rechten und der Russisch-Orthodoxen Kirche. Vereint durch eine gemeinsame Erzählung vom Kampf gegen den bösen Westen. Alles nur Worte?

Annika Brockschmidt, Journalistin und Autorin: "Man muss noch mal ganz deutlich machen, dass es hier nicht um reine Rhetorik geht. Das ist, glaube ich, oft der Fehlschluss, der gemacht wird, wenn wir über diese sogenannten Kulturkampf-Themen sprechen. Und mit Kampf ist hier teilweise auch wirklich Krieg gemeint. Also diese Leute sprechen nicht umsonst, je nachdem in welchem Land, mal mehr, mal weniger offen von sich als Krieger im Namen Gottes, als Gotteskrieger. Und diese, die ganze Sprache ist wahnsinnig militant, wahnsinnig gewaltvoll und führt dann auch teilweise eben zu offenen Gewaltaufrufen, zu Gewaltandrohung und kann dann natürlich auch in Gewalt münden."

In Gewalt und Krieg. Jeden Tag sterben in der Ukraine Zivilisten in diesem Krieg, der von einem Diktator und seinem Patriarchen entfesselt wurde.

Georg Restle: "Vielleicht lehrt uns der Krieg in der Ukraine ja auch genau das: Dass militante Ideologien eben immer zu Krieg und Terror führen, ganz gleich von welchen Religionen, Parteien oder Diktatoren sie vertreten werden."

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Kommentare zum Thema

  • Jochbefreiung 29.07.2022, 14:01 Uhr

    Es gibt nicht nur „Böses“ in der Russischen Föderation. Heilbringende Engel gibt es nicht nur in der von unseren derzeitigen Politikern und grün-68er Politjournalisten täglich heilig gesprochenen „Westlichen Wertegemeinschaft“. Unsere Führungspolitiker wollten (für mich offensichtlich) den Krieg in der Ukraine, vermutlich in Interesse bestimmter politischer Kreise in den USA. Durch US-Politiker könnte der Krieg beendet werden, sie wollen es offensichtlich nicht. Und die ukrainische Regierung? Sie ist offensichtlich nur Statthalter der us-demokratischen Regierung. Unsere deutsche Regierung hat kein Recht Deutschland aus Sympathie und Unterstützung der ukrainischen Regierung gegenüber vorsätzlich „vor die Wand zu fahren“ (zu zerstören). Es ist schon zuviel dass uns die Grün-68er alle Kraftwerke abschalten wollen, Erdgasversorgung durch Nordstream II blockieren ohne für Ersatz gesorgt zu haben. Deutschland muss sich aus der Abhängigkeit von den USA, Ukraine, Polen, Baltenstaaten befreien.

  • Hurtig, F. 29.07.2022, 13:37 Uhr

    Fortwährend werden seitens der ukrainischen und us-amerikanischen Regierung Waffenstillstands-Verhandlungen abgelehnt. Die US-Regierung, folgend die ukrainische Regierung wartet (wie Nazis dem deutschen Volk einredeten) auf „Wunderwaffen“ mit denen sie die russische Armee (und anschließend Russland und das böse unwillige Deutschland?) „heldenhaft“ besiegen könne. Jeder Tag in dem Waffenstillstands-Verhandlungen nicht geführt werden kostet Leben, Zerstörung in der Ukraine. Die russische Armee rückt langsam aber stetig nach links in die Ukraine. In den russisch besetzten Gebieten wird von Bürgern annähernd wieder ein durchschnittliches Leben einschließlich Berufsausübung geführt. Es ist dort wieder Frieden (außer die Granateinschläge der ukrainischen Armee). Wird nun die Ostukraine durch Frontverschiebung zurückerobert wird die Ostukraine erneut mit Krieg überzogen. Wechselnde Frontverschiebungen welche vergleichbar wie grobes Schmirgelpapier das Land todbringend abschleifen, zerstören.

  • Uhu 29.07.2022, 13:12 Uhr

    In den Medien steht täglich vorgeschrieben wen wir als „Böse“ anzusehen haben, doch ist das was man uns als „Böse“ anzusehen vorschreibt „Böse“? Der Krieg in der Ukraine begann nicht erst jetzt im Februar, er begann durch den amerikanisch begrüßten (geförderten?) Staatstreich 2014 durch den Maidan. Folgend durch die Bestrebungen der Krim-Bewohner und Bewohner der Ostukraine, welche mit dem rechtsgebrochenen Staatsstreich nicht einverstanden waren, nach Trennung von der Kiewer Ukraine. Woraus ein Krieg der Poroschenko-Regierung gegen die eigene Ostbevölkerung folgte. Dieser von NATO-Staaten unterstützte ukrainische Krieg gegen die eigene Bevölkerung mit tausende von Toten dauerte acht Jahre und führte in den heutigen Krieg Russlands gegen die Ukraine. Im Dezember hatten USA und NATO von Russland angebotene Verhandlungen über gegenseitige Sicherheitsinteressen (keine NATO an russischer Grenze) brüsk u. arrogant abgelehnt weil sie Russland offensichtlich zum heutigen Krieg nötigen wollten