MONITOR vom 07.11.2019

Plug-in-Hybride: Klimapolitische Mogelpackung

Bericht: Achim Pollmeier, Herbert Kordes

Plug-In-Hybride: Klimapolitische Mogelpackung Monitor 07.11.2019 08:46 Min. UT Verfügbar bis 30.12.2099 Das Erste Von Achim Pollmeier, Herbert Kordes

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Georg Restle: „Angela Merkel und die Autoindustrie. Irgendwie ist das ja auch ein kompliziertes Verhältnis. Einerseits will sie sich als Klimakanzlerin feiern lassen, andererseits will sie die deutschen Autobauer nicht allzu sehr quälen. Was dann dabei herauskommt, ist eine milliardenschwere Mogelpackung für sogenannte Plug-in-Hybride, die dem Klima so gut wie nichts, der deutschen Automobilindustrie aber jede Menge bringt. Achim Pollmeier und Herbert Kordes.“

Wenn jemand irgendwo den Stecker zieht, hört der Spaß meistens auf. Außer beim Auto, hier geht der Spaß erst richtig los. Zumindest in der Werbung. Beispiel BMW: Viel PS, wenig Verbrauch - 1,9 bis 1,6 Liter auf 100 Kilometer. Sparsamer geht’s kaum – dank „Plug-in-Hybrid“. Plug-in-Hybride, das sind Autos mit zwei Antrieben, dem klassischem Verbrennungsmotor und einem Elektroantrieb, die Batterie wird von außen geladen. Viele Autohersteller werben aktuell mit sparsamen Plug-in-Hybriden als Beitrag zum Klimaschutz, gefördert von der Bundesregierung.

Angela Merkel, Bundeskanzlerin, CDU (12.09.2019): „Und das heißt eben, ressourcensparend, klimaschonend unterwegs sein können und das alles auf der Grundlage moderner Technologien.“

Moderne Technologien. Genau darauf vertraute auch Hubert Rehahn aus Eschweiler, als er vor drei Jahren seinen Plug-in-Hybrid von Mercedes kaufte. Laut Prospekt verbraucht er 2,7 Liter auf 100 Kilometer. Natürlich wusste Rehahn, dass solche Werte unrealistisch sind, trotzdem war er sicher, ein sparsames und klimafreundliches Auto zu kaufen.

Hubert Rehahn: „In all den Jahren ist ein gewisses Vertrauen gewachsen zu dieser Marke, und umso größer war auch die Enttäuschung für mich.“

Die Enttäuschung ist ein Verbrauch von über acht Litern – anstelle der zweieinhalb im Prospekt. Und das, obwohl Rehahn jeden Abend die Batterie lädt und ein Drittel aller Kilometer elektrisch fährt.

Hubert Rehahn: „Und fahre ich nur Autobahn, lange Strecken, dann habe ich einen Verbrauch von 10 Litern. Das heißt, das ist das Vierfache von dem, was im Prospekt steht. Und das ist nicht in Ordnung.“

Mercedes sagt sinngemäß, der hohe Verbrauch müsse an Herrn Rehahn liegen. Generell sagen die Hersteller, wenn man nur oft genug die Batterie auflade, sei ein Plug-in-Hybrid sehr sparsam und klimafreundlich. Aber wie realistisch ist das? Laut Prospekt kann Rehahns Wagen bis zu 34 Kilometer rein elektrisch fahren – und tatsächlich?

Hubert Rehahn: „Ja, die Batterieleistung ist jetzt erschöpft. Wir haben hier null stehen. Wir hatten bei Beginn der Fahrt 27 Kilometer Batterieleistung anstehen, und erreicht haben wir letztendlich 13 Kilometer. Und das ist noch nicht mal die Hälfte dessen, was die Batterie bei Beginn der Fahrt angezeigt hat.“

Und wenn die Batterie leer ist, schluckt der Wagen richtig viel Benzin – nicht nur bei Rehahn. Experten bezweifeln einen echten Nutzen vieler Plug-in-Hybride im Alltag.

Prof. Stefan Bratzel, Automobilexperte, FH Bergisch-Gladbach: „Der klimapolitische Nutzen in der Praxis ist praktisch nicht existent, weil in der Realität die Verbräuche von diesen großen, schweren Fahrzeugen um das zwei- oder dreifache über diesen niedrigen Normverbräuchen liegen. Entsprechend hat die Umwelt, das Klima von dieser Hybridisierung nichts.“

Der Verband der Automobilindustrie widerspricht. Der Klimanutzen hänge vom Fahrprofil ab, also welche Strecken man fährt. Insgesamt aber seien Plug-in-Hybride

Zitat: „unverzichtbar, um die anspruchsvollen Klimaziele zu erreichen”.

So sieht das auch die Bundesregierung. Beim Elektrogipfel mit den Chefs der Autokonzerne am Montag wurde die Förderung von Plug-in-Hybriden weiter ausgebaut. Künftig gibt es bis zu 4.500,- Euro Kaufprämie und dazu Steuererleichterungen. Das Problem: Oft geht es dabei nicht um effiziente Stadtautos – sondern um Langstreckenfahrzeuge und tonnenschwere SUVs. Dieser Volvo etwa: 1,9 Tonnen Gewicht, doch laut Katalog gerade mal 1,7 Liter Verbrauch. Die offiziellen Reichweiten der Batterie schwanken meist zwischen 40 und 60 Kilometern, in der Praxis liegen sie oft deutlich darunter.

Jens Hilgenberg, Verkehrsexperte BUND e. V.: „Das sind Plug-in-Hybrid-Fahrzeuge, die mit 2 oder 2,5 Liter Verbrauch offiziell angegeben werden, sind mit 2 oder 2,5 Liter zu fahren, wenn man alle 20, alle 30 Kilometer an die Steckdose fährt. Also, solange man vermeidet, dass das Fahrzeug in den Verbrennermodus geht, dann schafft man auch die Verbrauchswerte. Aber die Realität sieht anders aus.“

Die Realität kennt auch Dirk Braun sehr gut. Er ist Flottenmanager bei einer bundesweit tätigen Unternehmensberatung. Und viele Plug-in-Hybride werden als Dienstwagen verkauft. Braun zeigt uns ein Beispiel aus der Praxis, einen BMW mit Plug-in-Hybrid. Aber die Kabel sind wie neu, der aktuelle Fahrer lädt die Batterie gar nicht auf. Der Bordcomputer zeigt einen Durchschnittsverbrauch von über 9 Litern Super. Selbst ein sparsamer Dieselmotor wäre deutlich klimafreundlicher.

Dirk Braun, Flottenmanager BridgingIT GmbH: „Sie haben doch eine Langstrecke im Profil. Sie haben nicht die Möglichkeit, immer dann zu laden, wenn das notwendig ist, auch vielleicht mal nicht die Zeit. Und in Summe führt das dazu, dass einfach der Energieverbrauch wesentlich höher ist als auf den Typenschildern der Fahrzeuge letztendlich genannt wurde.“

Trotzdem sind solche Autos bei vielen Unternehmen und ihren Mitarbeitern sehr begehrt. Der Grund: Hersteller locken aktuell mit sehr niedrigen Leasingraten für Plug-in-Hybride – und weil die Privatnutzung von Plug-in-Dienstwagen steuerlich begünstigt wird, können die Fahrer massiv Geld sparen.

Dirk Braun, Flottenmanager BridgingIT GmbH: „Wir hatten schon Fahrer bei uns in der Flotte, die explizit gesagt haben, ich würde gerne einen Plug-in-Hybriden fahren, schon allein aufgrund der Versteuerung. Ich muss ihn auch gar nicht als Plug-in-Hybrid fahren, das wäre mir eigentlich fast zu viel Aufwand, aber die Versteuerung würde ich gerne mitnehmen.“

Es locken also massive Steuervergünstigungen, ohne irgendetwas für das Klima zu tun.

Prof. Stefan Bratzel, Automobilexperte, FH Bergisch-Gladbach: „Entsprechend werden hier enorme Fehlanreize gesetzt, die der Umwelt nichts bringen und dem Steuerzahler viel Geld kosten.

In Großbritannien ist man schon weiter: Eine Studie hatte gezeigt, dass der tatsächliche Verbrauch von Dienstwagen mit Plug-in-Technologie im Durchschnitt um 143 Prozent über den Herstellerangaben liegt. Hier wurde die Steuervergünstigung bei Plug-in-Hybriden vor einem Jahr wieder abgeschafft. Auch in den Niederlanden werden Plug-in-Dienstwagen schon seit drei Jahren nicht mehr gefördert. Anders in Deutschland: Egal ob Dienstwagenbesteuerung oder Kaufprämie: Die Bundesregierung hält fest zur Automobilindustrie und baut die pauschale Förderung von Plug-in-Hybriden nicht ab, sondern sogar aus. Aber vielleicht geht es dabei ja gar nicht um Klimaschutz. Denn die europäischen Autohersteller müssen den CO2-Ausstoß ihrer Neuwagen massiv reduzieren – im Durchschnitt auf 95 Gramm pro Kilometer, umgerechnet 4,1 Liter Super. Andernfalls drohen empfindliche Strafzahlungen. Angenommen ein konventioneller SUV verbraucht laut Herstellerangaben 6,5 Liter Super, dann liegt das weit über dem Grenzwert. Um Strafzahlungen zu vermeiden, muss der Hersteller das ausgleichen und da hilft ein Plug-in-Hybrid: Da verbraucht das gleiche Modell nur 1,7 Liter und so wird im Durchschnitt die Obergrenze eingehalten, wenn auch nur auf dem Papier.

Jens Hilgenberg, Verkehrsexperte BUND e. V.: „Die Konzerne haben drauf vertraut, dass die Politik ihnen dann schon zur Seite springen wird, wenn es brenzlig wird. Und jetzt wird es brenzlig. Brenzlig heißt, 2021 müssen Strafzahlungen gezahlt werden, wenn man gewisse Verbrauchswerte oder diese 95 Gramm überschreitet. Das wären enorme Strafzahlungen. Und um die zu vermeiden und um die deutschen Konzerne zu schützen, werden jetzt Plug-in-Hybride und Elektrofahrzeuge massiv gefördert.“

Im Unternehmen von Dirk Braun sollen keine Plug-in-Hybride mehr angeschafft werden. Rein elektrische Fahrzeuge oder sparsame Verbrenner hält man hier für die bessere Alternative. Jedenfalls wenn man es ernst meint mit dem Klimaschutz.

Georg Restle: „Steuererleichterungen für CO2-Schleudern. Trägt nicht unbedingt dazu bei, das klimapolitische Glaubwürdigkeitsproblem dieser Bundesregierung zu verringern.“

Kommentare zum Thema

  • Stoll-Lobach Klaus 07.01.2021, 18:07 Uhr

    Ich habe einen Mercedes GLC300e. Bei ca. Grad Celsius kann der Wagen ca. 23 km rein elektrisch fahren und zieht sich dann über 10l/100 km an Benzin herein. Und das wird staatlich gefördert. Angegeben ist er mit 2,7l/ Benzin- ich fühle mich total getäuscht. Klaus Stoll-Lobach

  • Verteufeln ist modern 30.11.2019, 17:11 Uhr

    Hier wird nun gegen Hybridautos gehetzt, morgen wieder auf SUV‘s, weiter wieder pauschal auf alle Verbrennungsmotoren (evtl. auch auf Notstromaggregate), dann wieder auf den Individualverkehr, warum nicht mal auf Panzer, Flugzeuge, Raketen usw.? Es findet eine unüberlegte Nachläuferei hassverbreitenden Demagogen statt. Wie beim Nazi-Schlachtuf: „Wollt ihr den totalen Krieg“? Und die Volksmassen schreien „Ja“! Demagogen lassen sich immer wieder etwas neues einfallen um relativ dumme Menschenmassen für eigene Interessen zu gewinnen. So auch derzeitig wieder zu sehen beim CO2-Wahn. Da sollte sich niemand wundern wenn in Kürze der Papst seinen Stuhl an das Kind Greta abgibt weil dieses Mädchen scheinbar besser weiß was für die Umwelt gut ist. Wahrscheinliche werden sich mehreren Staaten bemühen die Greta als Leiterin ihrer Beratungsgremien zu bekommen. Dass die Greta noch keinen Beruf erlernt hat, wahrscheinlich noch nicht einmal einen gymnasialen Abschluss hat, das ist heute unwichtig.

  • PHEV-FAN 28.11.2019, 20:10 Uhr

    Es ist für mich erschreckend, wie blind Politik und vermeintliche Plug-in Käufer hier agieren und wie inkompetent sich Sachverständige sich äussern. Eine reale Effizienz im Alltag kann m.E. nur durch Vollhybridfahrzeuge, die mit einem grösseren ACCU ausgerüstet werden. Dies trifft für 90% der Plug-in Hybridfahrzeuge definitv nicht zu und das ist auch allgemein bekannt. Im Artikel werden nur Plug-in Verbrennst ohne Energieeffizienz benannt, die nicht zielführend in den Markt gedrückt werden, mit fatalen Folgen, wie der Artikel beweist. Die fortschrittliche Technologie wird somit in den Dreck getreten. Leider, den ich fahre Plug-in Hybrid seit 7 Jahren, habe alle Typen getestet und bin entsetzt, dass das Experten nicht erkannt haben wollen.