MONITOR vom 23.07.2015

Milliarden-Deals mit Griechenland: Wer sind die Profiteure der Privatisierung?

Bericht: Jan Schmitt, Kim Otto, Frank Konopatzki

Milliarden-Deals mit Griechenland: Wer sind die Profiteure der Privatisierung? Monitor 23.07.2015 06:03 Min. Verfügbar bis 23.07.2999 Das Erste

Georg Restle: „50 Milliarden Euro. So viel Geld soll die griechische Regierung durch die Privatisierung von Staatseigentum einsammeln; vor allem um Schulden zurück zu zahlen. Wenn es nach dem deutschen Finanzminister geht, kann es damit gar nicht schnell genug gehen. Und deshalb wird da jetzt einiges zum Schleuderpreis angeboten, was zum Tafelsilber des griechischen Staates gehört. Ob das wirklich klug ist, danach fragt im Augenblick kaum noch einer. Schon gar nicht die, die davon profitieren. Zum Beispiel ein großes deutsches Staatsunternehmen, das bald schon all die Flughäfen betreiben könnte, wo Sie heute Urlaub machen. Jan Schmitt, Kim Otto und Frank Konopatzki haben mit ihren Recherchen genau da begonnen.“

Urlaubsparadies Korfu. Hier entspannen auch viele deutsche Touristen. Insgesamt kommen auf der gerade mal 120.000 Einwohner zählenden Insel jährlich über eine Million Touristen an - Tendenz steigend. Und mehr Urlauber heißt auch mehr Fluggäste am staatlichen Flughafen von Korfu. Doch trotz bester Aussichten soll der Flughafen jetzt privatisiert werden. Einem gefällt das gar nicht. Korfus Bürgermeister Kostas Nikolouzos.

Kostas Nikolouzos, Bürgermeister Korfu (Übersetzung Monitor): „Der Flughafen ist profitabel, also warum bitteschön sollte man ihn weggeben? Wir stecken in einer Krise, einer tiefen Krise, nicht wahr? Wenn man sich der Mittel beraubt, Wohlstand und Profit in diesem Land zu schaffen, um die Schulden zurückzubezahlen, um wirtschaftlich voranzukommen, wie können wir sowas dann machen?“

Der Flughafen von Korfu ist Teil eines riesigen Privatisierungsprogramms. Staatsbesitz für 50 Milliarden Euro soll auf Druck der Gläubiger verkauft werden, über diesen Fonds. Unter den Hammer kommt alles, was ein Staatswesen so ausmacht: Die Post, Wasserwerke und Autobahnen, Gas- und Stromversorgung, Häfen und Flughäfen. Mit dabei die Flughäfen auf den beliebtesten Touristeninseln, unter anderem Mykonos, Santorini und Kos - und eben Korfu. Gerade die Flughäfen also, die am meisten vom krisensichersten Wirtschaftszweig Griechenlands profitieren - dem Tourismus. Das lukrativste Flughafengeschäft soll ausgerechnet eine deutsche Firma machen. Das Frankfurter Unternehmen Fraport hat sich bei einem Bieterverfahren durchgesetzt. Für einmalig 1,23 Milliarden Euro und eine jährliche Gebühr von 22,9 Millionen Euro dürfte Fraport zusammen mit einem griechischen Partner 14 griechische Flughäfen für mindestens 40 Jahre übernehmen. In Athen treffen wir den griechischen Infrastrukturminister. Er soll die Privatisierung der Flughäfen zügig umsetzen, obwohl er große Nachteile für den griechischen Staat befürchtet.

Christos Spirtzis, Infrastrukturminister Griechenland (Übersetzung Monitor): „Bei dieser Privatisierung soll der griechische Staat 14 gewinnbringende Flughäfen verkaufen und die anderen über 30 Flughäfen, die keinen Gewinn machen und subventioniert werden müssen, bleiben beim griechischen Staat. Das ist ein Modell, das so noch nirgendwo in Europa angewandt wurde. Das passt eher zu einer Kolonie als zu einem EU-Mitgliedsland.“

Harte Vorwürfe. Aber was sagen die Zahlen? Laut interner Daten der griechischen Luftfahrtbehörde stieg die Anzahl der Flüge an den 14 Flughäfen des Fraport-Geschäfts allein im letzten Jahr auf über 188.000, ein Plus von 13,8 %, die Passagierzahlen auf mehr als 22 Millionen, eine Zunahme von 19 %. Dass das ein profitables Geschäft für Fraport werden kann, bestätigt auch die Lufthansa. Als Beraterin des griechischen Privatisierungsfonds kennt Lufthansa Consulting die Wirtschaftszahlen der 14 Flughäfen. Diese seien zwar vertraulich, lässt sie uns mitteilen, aber es könne …

Zitat: „sicherlich von einer wirtschaftlichen Lukrativität ausgegangen werden.“

Ein profitables Geschäft für Fraport zu Lasten des griechischen Staates? Weil Vermögenswerte in Krisenzeiten viel zu billig verkauft werden müssen? Genau davor warnt das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung.

Alexander S. Kritikos, Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung: „Wenn es tatsächlich dazu kommt, dass diese staatlichen Unternehmen schnell verhökert werden, dann wird man sich darüber tatsächlich ärgern. Denn derzeit sind sie nicht zu ihrem wirklichen Wert verkaufbar und wir werden in der Tat sehen, dass die nächsten Regierungen sich darüber sehr ärgern werden, dass sie konzeptionslos in die Privatisierung reingegangen ist.“

Das Pikante an dem Deal: Bei der Fraport AG handelt es sich um ein deutsches Staatsunternehmen, denn die Mehrheit der Fraport-Aktien halten die Stadt Frankfurt und das Land Hessen. Ist das mit Privatisierung gemeint?

Prof. Rudolf Hickel, Universität Bremen: „Da findet ein Eigentumswechsel von einem griechischem Staatsunternehmen in Richtung sozusagen deutschem Staatsunternehmen statt. Und am Ende geht es darum, dass die Profits, die Gewinne, die da gemacht werden in diesen 14 Flughäfen, dass die abgezweigt werden nach Deutschland in die Öffentlichen Kassen.“

Profite, die Griechenlands Kassen künftig fehlen. Und der Milliardenerlös aus der Privatisierung? Auch davon wird das Land sich nichts kaufen können. Dafür hat vor allem Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble gesorgt. Denn mit den Privatisierungserlösen soll Griechenland erstmal seine Schulden begleichen. Aus Sicht der Opposition in Deutschland ein ziemlich mieser Deal.

Janine Wissler, Stellvertretende Parteivorsitzende Die Linke: „Wolfgang Schäuble hat die Privatisierung maßgeblich vorangebracht. Er hat den Privatisierungsfonds selber vorgeschlagen. Er hat mit seiner Politik dazu beigetragen, dass die Griechinnen und Griechen erpresst wurden, dass jetzt ihre öffentliche Infrastruktur ausverkauft wird und zwar weit unter Wert.“

Die Privatisierung von Staatseigentum soll der griechischen Wirtschaft wieder auf die Beine helfen - so die Theorie. Die Abgabe der griechischen Flughäfen an ein deutsches Staatsunternehmen könnte dem griechischen Staat erheblichen finanziellen Schaden zufügen. Das ist die Wirklichkeit. Europa macht’s möglich.

Kommentare zum Thema

  • N 13.03.2016, 04:59 Uhr

    Das ist zwar alles sehr dubios, die schlimmsten Details sind allerdings nicht so offensichtlich. Ich kenne jemanden, der in Chania am Flughafen arbeitet und etwas Einblick hat. Was da stattfindet ist eine absolute Lachnummer. FRAPORT hat sich nämlich eine Gewinn-Garantie verschafft. Es wird jährlich eine Gewinnerhöhung von 2% gefordert. Sollte dies nicht eintreten, MUSS der griechische Staat die Differenz begleichen. Und das bei 14 Flughäfen...solche Verträge sind eine absolute Frechheit. Was mich dabei am meisten stört, ist dass die Bevölkerung in Deutschland davon nichts mitkriegt. Das Griechenland-Thema ist ja aktuell vorbei und die neue Ablenkung sind die Flüchtlinge...tolles Rezept: Griechenland-Thematik hochkochen um dann so richtig abzusahnen

  • ard 13.10.2015, 22:34 Uhr

    Als Insider stelle ich fest: Dieser Bericht ist gaaaaaanz schlecht recherchiert und besticht durch einseitige, tendenziöse Darstellungen, Verdrehungen und Halbwahrheiten. Seriöse Berichterstattung sieht definitiv anders aus! - Aber wen kümmert's?!

  • onkel chrisi 31.07.2015, 22:20 Uhr

    https://www.wikileaks.org/plusd/cables/07ATHENS649_a.html Am Ende ist Fraport ein Partner in einem Joint Venture mit der Copelouzos Group. Diese kooperiert mit Gazprom und vielen anderen. Außerdem liegt das Bieterverfahren bereits ein Jahr zurück. Passt aber gut zum Schäuble Bashing. Es gibt immer mehrere Betrachtungsweisen, daran sollten sich auch öffentlich-rechtliche Sender erinnern.