MONITOR vom 29.07.2021

Armin Laschet: Vorreiter beim Klimaschutz?

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Bericht: Lara Straatmann, Aiko Kempen

Armin Laschet: Vorreiter beim Klimaschutz?

Monitor 29.07.2021 05:44 Min. UT Verfügbar bis 30.12.2099 Das Erste Von Lara Straatmann, Aiko Kempen

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Georg Restle: "Dieser Mann hier hat ein Problem. Ein Hochwasser mitten im Bundestagswahlkampf, und plötzlich reden alle wieder über den Klimaschutz. Ein Thema, mit dem Armin Laschet und die CDU nicht gerade punkten können, auch deshalb, weil der Kanzlerkandidat in Nordrhein Westfalen beim Klimaschutz eher auf der Bremse steht, vor allem wenn’s um die Braunkohle geht. Da drohen dann erhebliche Glaubwürdigkeitsprobleme, jedenfalls dann, wenn man sich plötzlich zum obersten Klimaschützer der Nation erklärt. Lara Straatmann und Aiko Kempen."

Armin Laschet im Hochwassergebiet – die Folgen des Klimawandels plötzlich vor der Haustür. Und das mitten im Wahlkampf. Und schon wird aus dem Kanzlerkandidaten ein Vorkämpfer für den Klimaschutz.

Armin Laschet (16.07.21): "Und deshalb ist Nordrhein Westfalen ja eines der Länder, das am meisten tut, gegen den Klimawandel zu kämpfen, CO2-Werte zu senken."

Tatsächlich? Sein Land – Vorreiter im Kampf gegen den Klimawandel?

Claudia Kemfert, Energieökonomin, Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung (DIW): "Nordrhein-Westfalen ist Spitzenreiter bei der Verursachung von CO2-Emissionen, bisher noch nicht beim Senken. Es ist ein wichtiges Land bei der Umsetzung des Kohleausstiegs und hatte auch ein Interesse daran, diesen möglichst lange nach hinten zu verzögern. Das sieht man ja auch an den Entscheidungen, die letztendlich politisch getroffen wurden."

Ein verzögerter Kohleausstieg? Tatsache ist, die NRW-Landesregierung setzte – im Sinne von RWE – maximale Laufzeiten für die Braunkohlekraftwerke Neurath und Niederaußem durch. Die letzten Türme sollen noch bis 2038 CO2 ausstoßen. Das gilt auch für das neue Steinkohlekraftwerk Datteln IV. Das ging sogar noch 2020 ans Netz. Entgegen der ausdrücklichen Forderung der Kohle-Kommission. Auch hier das spätestmögliche Ausstiegsdatum: 2038.

Claudia Kemfert, Energieökonomin, Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung (DIW): "Wir halten das für einen Fehler, denn man braucht dieses Kraftwerk nicht, um einen Kohleausstieg einzuleiten. Mit einer Inbetriebnahme eines neuen Kohlekraftwerks ist widersinnig."

Wie vehement sich Laschet für die Kohlebetreiber einsetzte, zeigt sich besonders beim Tagebau Garzweiler. Gegen alle Widerstände wurde auch hier der Betrieb bis 2038 durchgesetzt. Das zeigt sich in einem internen Schreiben des Bundeskanzleramts. Darin heißt es:

Zitat: "Die Absicherung des Tagebaus Garzweiler … war ein zentrales Anliegen von RWE/NRW..."

Armin Laschet also Hand in Hand mit RWE gegen mehr Klimaschutz? Fakt ist: Die Kohle-Kommission hatte einen stetigen, linearen Ausstieg bei der Braunkohle gefordert. Stattdessen zögerten Bund und Länder die Stilllegungen hinaus. Berechnungen ergeben 130 Millionen Tonnen Gesamtemissionen mehr. Zumindest für NRW entschied sich Laschet damit gegen die eigenen Klimaziele.

Antje Grothus, Mitglied der Kohlekommission: "Armin Laschet ist ja wesentlich dafür verantwortlich in Nordrhein-Westfalen, dass die Empfehlungen der Kohlekommission eben nicht 1:1 umgesetzt wurden. Wir haben einen linearen Ausstiegs-Pfad vereinbart mit relevanten Einsparungsschritten. Stattdessen wurden die Abschaltpunkte der Kohlekraftwerke bis ganz nach hinten hinausgezögert."

Möglichst lange Nutzung der Braunkohle bis 2038. Im Sommerinterview des ZDF behauptet Laschet, dass Umweltverbände das Datum sogar vorgeschlagen hätten.

Armin Laschet (25.07.21): "Wir haben eine Kohle-Kommission gehabt mit Wissenschaftlern, mit Greenpeace, mit dem BUND, mit Professor Schellenhuber, einem der renommiertesten Klimaforscher, und die haben das Datum 2038 vorgeschlagen."

BUND, Greenpeace und renommierte Wissenschaftler als Kronzeugen für das späte Ausstiegsdatum? Obwohl sie per Sondervotum in der Kohlekommission ausdrücklich festgestellt hatten.

Zitat: ".., dass weder das anvisierte Ausstiegsdatum 2038 noch der unkonkrete Pfad bis 2030 ausreichend sind ..."

Dirk Jansen, Bund für Umwelt und Naturschutz, NRW: "Entweder weiß Armin Laschet nicht, wie die Faktenlage ist. Er hätte es nachlesen können im Endbericht der Kohlekommission. Oder er betreibt hier bewusst Desinformation. Und das ist empörend. Das ist eine Täuschung auch der Wählerinnen und Wähler."

Bewusste Desinformation? Diese Frage stellt sich auch beim Thema Windkraft.

Armin Laschet (11.07.21): "Im letzten Jahr gab es den größten Windenergiezubau an Land in Nordrhein-Westfalen."

Richtig ist, NRW stand 2020 beim Zubau an Land an der Spitze, mit 93 Windkraftanlagen. Was Laschet nicht sagt, der Ausbau der Windkraft brach mit dem Regierungswechsel 2017 dramatisch ein – auf ein Drittel des Spitzenwerts. Einer der Gründe: Mit Beginn seiner Amtszeit empfahl seine Regierung allen Kommunen die Einhaltung von 1.500 Metern Abstand von Windrädern zu Wohngebieten – damals noch unverbindlich. Jetzt hat Laschet ernst gemacht, per Gesetz hat NRW in diesem Jahr Abstände von 1.000 Metern selbst zu wenigen Wohnhäusern beschlossen – und das gilt auch für die Erneuerungen von bestehenden Altanlagen.

Claudia Kemfert, Energieökonomin, Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung (DIW): "Das passt nicht zusammen mit den Zielen der Energiewende und auch nicht mit den Klimazielen. Weil man braucht einen deutlich schnelleren Ausbau der erneuerbaren Energien, auch und gerade in Nordrhein Westfalen. Was fehlt, ist der politische Wille."

Fehlender politischer Wille. Kein gutes Zeugnis für einen Kanzlerkandidaten. Schon gar nicht angesichts solcher Bilder.

Stand: 29.07.2021, 22:15 Uhr

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