Bericht: Christina Zühlke, Julia Regis
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Georg Restle: „Wenn es um die Frage geht, warum Sicherheitsbehörden sich im Kampf gegen rechtsextremistische Straftäter so schwer tun, gibt es oft eine Antwort: Dass es da eine gewisse ideologische Nähe gäbe zwischen nicht wenigen Polizeibeamten und rechten Kreisen. Ganz von der Hand zu weisen ist diese These sicher nicht. Und dazu kommt, in weiten Teilen der Polizei herrscht ein Korpsgeist, der es kritischen Polizeibeamten sehr schwer macht, auf Fehlentwicklungen wie Gewalt oder Rassismus hinzuweisen. Wehe dem, der da aus der Reihe tanzt, der muss oft mit üblen Folgen rechnen. Christina Zühlke und Julia Regis haben einige mutige Polizisten und Polizistinnen getroffen, die sich trotzdem getraut haben.“
Markus Keller, 28, aus Köln. Im Sommer 2016 war er - der eigentlich anders heißt - Teilnehmer beim CSD, der jährlichen Demo für die Rechte von Lesben und Schwulen. Im Gedränge vor den Toiletten eines Schnellimbiss, erzählt er, kam es zu einer Rangelei. Eigentlich habe er nur zwei Mädchen beistehen wollen, die bedrängt wurden. Doch dann begann ein bis heute währender Alptraum.
Markus Keller: „Und ich weiß nur, dass das alles sehr schnell ging, dass irgendein Polizeibeamter - ich habe den aber gar nicht so richtig wahrgenommen - als der … weil der war auch anscheinend alleine unterwegs, direkt auf mich zukam, sehr aggressiv, so sind meine Erinnerungen. Und dann kam es schon eigentlich wahrscheinlich zu dem Schlag.“
Ein sogenannter Blendschlag, wie es das Landgericht Köln später erläutert.
Zitat: „Der rechte Hinterkopf […] schlug aufgrund des Schlages […] heftig gegen die Wand, der Angeklagte sank zu Boden und verlor das Bewusstsein.“
Quelle: Urteil Landgericht Köln
Statt einen Krankenwagen zu rufen, nehmen die Polizisten ihn in Gewahrsam, nehmen ihm Blut ab, ohne richterlichen Beschluss. Mitten in der Nacht setzen sie ihn in Unterwäsche vor diese Hintertür des Polizeipräsidiums. Seine Kleidung ist unerklärlicherweise klatschnass.
Markus Keller: „Das ist ein Bild, was voller Scham ist. Ja, voller auch Schmerz und Leid und auch Gewalt.“
Der Fall von Markus Keller landete vor Gericht. Aber nicht er klagte gegen die Polizisten, die ihn schlugen. Er selbst wurde angeklagt. Wegen angeblichen Widerstands gegen die Staatsgewalt. Aus einem Opfer machte die Polizei einen Täter. Dass Markus Keller in zwei Instanzen freigesprochen wurde, verdankt er einer mutigen Kölner Polizeischülerin, die an jenem Tag dabei war. Sie steht daneben, während ihr Ausbilder ihn auf den Boden wirft und zuschlägt. Das bezeugt sie später vor Gericht. Sie sagt aus, dass der Kollege ihn:
Zitat: „Zwei- oder dreimal mit dem beschuhten Fuß trat und (…) mit der Faust schlug.“
Quelle: Urteil Landgericht Köln
Die Polizeischülerin hatte das Verhalten ihres Ausbilders zuvor schon häufiger infrage gestellt - und zahlte dafür offenbar einen hohen Preis. Sie hatte in fast allen Prüfungen Bestnoten. Doch bei der letzten Prüfung fällt sie plötzlich durch. Dagegen klagt sie beim Verwaltungsgericht Köln. Mit uns reden darf sie nicht. Aber der ehemalige Landtagsabgeordnete, Bernhard von Grünberg, hat sie auf ihrem Weg begleitet.
Bernhard von Grünberg, ehemaliger Landtagsabgeordneter (SPD): „Die Polizistin habe ich erlebt als sehr besonnen, sehr rational und eben auch weise in ihren Äußerungen. Und deswegen ist sie ein Ideal für die Polizei.“
In einem Brief, den die Polizistin in ihrer Verzweiflung an ihn und andere schrieb, heißt es:
Zitat: „Ich musste erleben, wie Polizeibeamte Bürger demütigen, physisch und psychisch misshandeln und andere Kollegen das decken oder gar mitmachen … und wenn man nicht mitmacht (…) man seinen Posten riskiert.“
Quelle: Brief Polizeischülerin
Tobias Singelnstein, Kriminologe, Ruhr-Uni-Bochum: „Wir sehen und hören in der Praxis sehr häufig, dass in den wenigen Fällen, wo Polizeibeamte gegen ihre Kollegen aussagen, Missstände öffentlich machen, sie danach nicht nur mit Isolation, sondern auch mit erheblichen Schikanen zu kämpfen haben.“
Die Erfahrung der Isolation machte auch Simon Neumeyer. Während seiner Ausbildung bei der Polizei in Leipzig erlebte eine fragwürdige Gruppendynamik.
Simon Neumeyer, ehem. Polizeischüler: „Und da sind dann halt so Sätze gefallen wie, „ich wähl lieber Braun als Grün“. Wo mir auch wirklich die Kinnlade auf den Tisch gefallen ist und ich dachte, hör mal, wie kannst du sowas sagen? Ich hab mich meistens offen eben gegen rassistische und fremdenfeindliche Äußerungen gestellt, wurde deswegen halt natürlich aus der Gruppe ausgegrenzt, hatte zum Beispiel beim Sport dann keinen Partner mehr.“
Simon Neumeyer verließ die Polizei und begann ein Studium. Erst dann hatte er den Mut, einen Chatverlauf zu veröffentlichen, der rassistische Kommentare seiner Kollegen zeigt. Dort heißt es zum Beispiel.
Zitat: „Wir sind aus Cottbus und nicht aus Ghana. Wir hassen alle … Afrikaner.“
Selbst von Ausbildern kamen fremdenfeindliche Kommentare, erzählt er, zum Beispiel im Schießunterricht.
Simon Neumeyer, ehemaliger Polizeischüler: „Da fiel halt so ein Satz, ja: „Passt bitte auf Leute, weil ihr müsst jetzt wieder gut schießen lernen, weil wir so viele Gäste in Deutschland haben.“ Und das ist schon wow, okay, damit sind Flüchtlinge gemeint. Damit ist gemeint, wir müssen wieder gut schießen lernen, weil tendenziell Flüchtlinge kriminell sind. Das ist einfach nur rechtsradikal und das von einem Ausbilder, das ist schon äußerst kritisch.“
Auf Monitor-Nachfrage erklärt das Landespolizeipräsidium Sachsen, bei den Ausbildern hätten sie
Zitat: „… keine Anhaltspunkte für das Vorliegen von rassistischen und antisemitischen Tendenzen …“
festgestellt. Simon Neumeyer sagt, ihm fehlte eine neutrale Person mit der er hätte reden können, eine Art Ombudsstelle. Innerhalb der Polizei - hatte er das Gefühl - sei Kritik nicht erwünscht.
Simon Neumeyer, ehem. Polizeischüler: „Das merkt man auch schon in der Ausbildung dadurch, wie das vermittelt wird. Also es ist so, dass nicht vermittelt wird, was passiert wenn ihr Fehler macht und man dann darauf achtet, dass man keine Fehler macht. Sondern es wird darauf geachtet, was passiert, wenn ihr Fehler macht und wie kommt ihr da am besten wieder raus.“
Tobias Singelnstein, Kriminologe, Ruhr-Uni-Bochum: „In der Polizei herrscht ein Verständnis und eine Haltung vor, dass man Probleme lieber nicht nach außen trägt, lieber nicht transparent macht, sondern eher versucht intern zu lösen. Das heißt, teilweise unter den Teppich zu kehren.
Dieter Müller war vor 40 Jahren selbst mal Polizist. Auch er bezeichnet sich als kritischen Geist, sei dafür am beruflichen Aufstieg gehindert worden. Er verließ die Polizei, studierte, wurde Professor an einer Polizeihochschule und hat über 2.500 Kommissare ausgebildet. Bilder der Vereidigung von Polizeianwärtern in Köln aus diesem Jahr. Für Experten wie Dieter Müller ist Zusammenhalt in der Polizei auch Folge schwerer Arbeitsbedingungen. Aber er warnt vor den Gefahren, die ein falscher Korpsgeist für die Gesellschaft haben könnte.
Dieter Müller, Hochschule der Sächsischen Polizei: „Die negativen Folgen könnten sein, dass man einer geschlossenen Einheit gegenübersteht, die nicht kritikfähig ist und die aus eigenen Fehlern nicht lernen kann und nicht lernen will. Das heißt, ich stehe einem festgefügten Block gegenüber, der sich gegebenenfalls auch nicht mehr an den Rechtsstaat hält.“
Was das bedeutet, Markus Keller hat es selbst erlebt. Der Richter in der Urteilsverkündung sagte, er schäme sich für diesen Staat, der einen Menschen so behandele. Und die Kölner Polizeischülerin? Sie kämpfte zwei Jahre, bis man ihr vor Gericht schließlich einen Vergleich anbot. Sie durfte die Prüfung wiederholen, musste aber auf ca. 80.000,- Euro Schadensersatz - unter anderem wegen Verdienstausfalls - verzichten. Sie bestand die Prüfung mit Bestnote und arbeitet nun als Kommissarin - außerhalb von Köln.
Georg Restle: „Die Kölner Polizei teilte uns heute auf Anfrage mit, junge Polizisten und Polizistinnen würden stets dazu ermuntert, sich kritisch mit Fehlern auseinanderzusetzen. Schön wär's!“
Kommentare zum Thema
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Es ist erfreulich, daß es doch noch Kollegen gibt, die die innere Katastrophe bei der Polizei doch benennen. Es ist richtig - wehe wenn...., daß die Folgen mutigen Verhaltens eine ganze Dienstzeit anhalten. Als Hauptursache sehe ich die Zusammensetzung des Personals. Die deutliche Mehrheit besteht aus Kopfnickern, Karrieristen, Opportunisten, stark ausgerichtete Religiöse, Zuträgern und Faulenzern. Mit dieser Gruppierung läßt sich alles regieren und auch nach außen hin blockieren. Manchmal denke ich es müßte ein Film gedreht werden mit .....! Mich würde mal interessieren wie viele Beamtinnen und Beamte mit beruflichen Traumata in Rente gehen müssen . Ich erinnere mich an einen tollen Menschen, der beste Ermittler und toller Kollege, dem wiederholt übel mitgespielt wurde und habe erlebt wie er zunehmend in Alzheimer versank und dann doch immer wieder erzählte, wie er in einer Situation von den Kollegen im Stich gelassen worden war und er erkannte mich nicht mehr .....
Ihre Einschaetzung hinsichtlich der Arbeitsunzufriedenheit halte ich aufgrund der von Ihnen beschriebenen Persoenlichkeitstypen fuer faktisch vollkommen real. Es gibt bei einzelnen Flaecheninspektionen innnerhalb von kleineren Bundeslaendern wie Saarland und Rheinland - Pfalz Vorgesetzte und diesen nachgeordnete Polizeibeamte, die wegen charakterlichen Defiziten und ihrem sehr duerftigen IQ nicht in den Dienst eines Landes gehoeren, in dem sie insbesodere hoheitliche Aufgaben wahrzunehmen haben. Viel besser haetten solche Menschen den Schauspieler - Komikerberuf ergreifen sollen. Dort haetten sie jedoch wahrscheinlich derart verwerfliche Beziehungsnetzerke zur Durchfuehrung ihrer unertraeglichen Intriegen nicht vorfinden koennen. Wer sich fuer die Rechte der Mitbuergerinnen und Mitbuerger einsetzt hat bei solchen Seilschaften schlechte Karten.
..wehe dem der aus der aus der Reihe tanzt..