MONITOR vom 16.08.2018

Klimawandel und Sommerhitze: Die Gegner machen mobil

Bericht: Herbert Kordes, Shafagh Laghai, Lisa Seemann

Klimawandel und Sommerhitze: Die Gegner machen mobil Monitor 16.08.2018 12:39 Min. Verfügbar bis 30.12.2099 Das Erste

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Georg Restle: „Deutschland vom Weltraum aus gesehen. Bilder eines Supersommers. Nur da wo eigentlich alles grün sein sollte, sind jetzt nur noch riesige steppenbraune Flächen zu sehen. Supersommer, Superdürre. Guten Abend und willkommen bei Monitor. Über diesen Wahnsinns-Sommer ist ja schon viel geredet worden. Aber meistens ging’s dabei ums Wetter, weniger ums Klima. Wer will sich auch schon die Sommerlaune vermiesen lassen von so ein bisschen Klimawandel. Oder doch kein Klimawandel? Alles nur Schwindel, behaupten nicht wenige Menschen in Deutschland und beziehen sich dabei auf Studien wissenschaftlicher Institute. Auch die AfD glaubt nicht an einen von Menschen verursachten Klimawandel, und hat dabei einen starken Mitstreiter, den US-amerikanischen Präsidenten Donald Trump. Was uns interessierte, wer steckt eigentlich hinter all diesen Instituten, auf die die so genannten Klimaleugner sich da immer wieder beziehen? Und - wer finanziert sie? Eine Recherche von Herbert Kordes, Lisa Seemann und Shafagh Laghai.“

Judith Rakers (Tagesschau, 01.08.2018): „In Deutschland war heute der bisher heißeste Tag dieses Jahres.“

Thomas Bug (WDR extra, 31.07.2018): „Dürre im Westen, Landwirte am Limit.“

Bauer: „In meiner Laufbahn hab ich eine derartige Trockenheit so noch nicht gesehen.“

Das Jahrhundert ist noch jung - doch es hat schon seinen Jahrhundertsommer. Ausgetrocknete Flüsse und Bäche, Brände, verdorrte Böden. Selbst aus dem Weltraum sieht man die Dürre in Deutschland. Und dann macht ein bedrohliches Wort die Runde, das Wort von der „Heißzeit“. Das klingt nach einem unbewohnbaren Planeten, nach einer Wortschöpfung von Panikmachern. Doch sie stammt von einem der renommiertesten Klimaforscher unserer Zeit: Prof. Hans Joachim Schellnhuber vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung.

Prof. Hans Joachim Schellnhuber, Institut für Klimafolgenforschung, Potsdam: „Wir reden nicht über den Weltuntergang, wir reden davon, ob wir in einer ziemlich warmen, planetarischen Umwelt landen oder ob wir vielleicht sogar in einen Zustand rutschen, der für die menschliche Zivilisation nicht mehr geeignet ist. Das ist die Alternative.“

Schellnhuber ist nicht allein. Weltweit warnen renommierte Klimaforscher wie Bjorn Stevens vom Hamburger Max-Planck-Institut vor den Folgen der von Menschen verursachten Erderwärmung.

Prof. Bjorn Stevens, Max-Planck-Institut für Meteorologie: „Dass man irgendwie die Fakten debattieren muss, finde ich empörend oder enttäuschend, weil die sollen nicht in Frage kommen, weil, es gibt keine Frage dazu. Es gibt viele Fragen, aber dass CO2 das Klima erwärmt, ist keine davon.“

Die Zeit, sagt Schellnhuber, rennt uns davon. Wir müssen jetzt handeln. Und das bedeutet: raus aus den fossilen Energien. Doch die Wissenschaftler haben seit gut anderthalb Jahren einen mächtigen Gegner, der von alldem nichts wissen will, der das Klimaabkommen von Paris aufgekündigt hat und Ende Januar vor jubelnden Abgeordneten erklärte:

Donald J. Trump, US-Präsident, 30.01.2018 (Übersetzung Monitor): „Wir haben den Krieg gegen die amerikanische Energie beendet. Und wir haben den Krieg gegen die schöne, saubere Kohle beendet.“

Die Kamera zoomt auf einen sichtlich zufriedenen Energieminister. Rick Perry gilt als Skeptiker des von Menschen gemachten Klimawandels und sitzt heute in Trumps Kabinett. Die Spitze des amerikanischen Staates ist damit Teil einer Bewegung, die seit Jahren versucht, seriöse Forscher zu diskreditieren und den von Menschen gemachten Klimawandel als Märchen erscheinen zu lassen. Dazu zählt die milliardenschwere Familie um den Hedge-Fonds-Manager Robert Mercer - hier mit seiner Tochter Rebekah. Mercer gilt als einer der größten Geldgeber des Wahlkampfs von Donald Trump, als radikaler Verfechter der freien Marktwirtschaft, als einer, der staatliche Eingriffe hasst. So unterstützt Mercers Stiftung seit Jahren Organisationen, die den von Menschen gemachten Klimawandel bezweifeln. Eine davon: das Heartland Institute. Es veranstaltet regelmäßig Kongresse, in denen es im Kern darum geht, den menschlichen Einfluss auf den Klimawandel abzustreiten und die Umweltpolitik in diesem Sinne zu beeinflussen. Jay Lehr, Wissenschaftsdirektor des Heartland Institutes, in einer Rede im Jahre 2016:

Jay Lehr, The Heartland Institute (Übersetzung Monitor): „In den 90er Jahren haben viele Leute mathematische Modelle entwickelt, die zeigen, dass wir die ganze Welt durch Kohlendioxid erwärmen würden. Das war der größte Schwindel der Menschheitsgeschichte.“

Das Heartland Institute verfasste einen 13-Punkte-Aktionsplan für Donald Trump und fordert darin unter anderem den Ausstieg aus dem Pariser Klimaabkommen. Trump hat das schon erledigt. Unterstützt durch Superreiche, wie die Familie Mercer. MONITOR liegen Steuer-Unterlagen vor, die belegen, dass die Mercer Familiy Foundation dem Heartland Institute allein im Jahre 2013 877.000 US-Dollar spendete. Und im Jahr darauf: 885.000 Dollar. Insgesamt haben die Mercers binnen mehrerer Jahre einige Millionen Dollar an Heartland gespendet. Auch die Ölindustrie unterstützt die Gegner des Klimaschutzes, beispielsweise der Ölmulti ExxonMobil. Auch die ExxonMobil Foundation spendete über mehrere Jahre an Heartland und an weitere Organisationen.Etwa an CFACT - das sogenannte „Committee for a constructive tomorrow“. Auch CFACT stellt sich klar gegen Maßnahmen zum Schutz des Klimas und schreibt:

Zitat: „Die wahre Gefahr besteht heute in Gesetzen (…), die in dem irrigen Glauben umgesetzt werden, dass Menschen den Klimawandel kontrollieren oder verhindern können.“ Quelle CFACT

Nach unseren Unterlagen spendete die ExxonMobil Foundation an CFACT in den Jahren 2005 und 2006 hohe fünfstellige Dollar-Summen, danach finden sich keine solchen Nachweise mehr von Exxon. Was heißt das? Wir nehmen über Skype Kontakt auf mit Naomi Oreskes von der Harvard University. Sie gilt als exzellente Kennerin der Klimaskeptiker-Szene. Gespendet werde natürlich noch immer, sagt sie, aber es sei schwieriger geworden, diese Spenden exakt nachzuweisen:

Prof. Naomi Oreskes, Harvard University (Übersetzung Monitor): „In Bezug auf die Finanzierung ist es schwierig, genaue Aussagen zu treffen, weil viele dieser Organisationen in den vergangenen Jahren Schritte unternommen haben, um die Wege zu verschleiern. Aber wir haben eindeutige Beweise, dass Organisationen wie CFACT und Heartland massiv finanziert werden von der Öl-, Gas- und Kohleindustrie. Und von anderen Industrien, insbesondere Chemie und Pestizide.“

Der Einfluss dieser Organisationen reicht weit - bis nach Deutschland. Während unserer Recherchen stoßen wir auf Hinweise, dass die großen amerikanischen Geldgeber über Umwege auch die Klimaskeptiker in Deutschland unterstützen. In Jena sitzt der EIKE e. V. - das Europäische Institut für Klima und Energie. EIKE hält die Behauptung vom menschengemachten Klimawandel schlicht für einen Schwindel gegenüber der Bevölkerung. Unter anderem EIKE liefert die Argumente, die dann von Klimawandelskeptikern in Deutschland genutzt werden. Und die haben es durch die AfD inzwischen auch in den Bundestag geschafft. Im ARD-Magazin Kontraste erklärte AfD-Umweltfachmann Rainer Kraft sogar den Treibhauseffekt zum Hirngespinst:

Rainer Kraft (AfD), MdB: „Treibhauseffekt gibt es nicht.“

Reporter: „Es gibt keinen Treibhauseffekt?“

Rainer Kraft (AfD), MdB: „Es gibt keinen Treibhauseffekt.“

Ende Juni forderte die AfD in einem Antrag,

Zitat: „die so genannte Klimaschutzpolitik so schnell wie möglich vollständig zu revidieren“.

In Ihrer Begründung verweist sie dabei unter anderem auf: EIKE. Wir finden auf den EIKE-Seiten ein Energiepolitisches Manifest. Verfasst auch von zwei exponierten Vertretern der AfD. Michael Limburg kandidierte vergangenes Jahr zur Bundestagswahl für die AfD. Burkard Reimer ist Chef des Bundesfachausschusses Energie der AfD.

Prof. Hans Joachim Schellnhuber, Institut für Klimafolgenforschung, Potsdam: „Ich glaube, dass viele Leute in dieser Partei anfangs mit dem Klima überhaupt nichts am Hut hatten. Aber sie haben gemerkt, das Thema zieht irgendwie. Und wenn man da eine Gegenmeinung bezieht, dann hören einem die Leute plötzlich zu. Insofern geht’s eigentlich um Profilneurotiker in diesem Fall und nicht Leute, die irgendeine andere, bessere Wissenschaft zu unterbreiten haben.“

Was genau ist EIKE? Wir machen uns auf den Weg nach Jena, dem Vereinssitz von EIKE. Die Adresse aus dem Internet führt uns zu diesem Haus. Wir finden nur ein schmuckloses Klingelschild. Ein Interview will man uns hier nicht geben. Wir sollen nach Heidelberg fahren - zu Prof. Horst-Joachim Lüdecke. Lüdecke ist Physiker und einer der Pressesprecher von EIKE. Wir wollen wissen, welche Ziele hat der Verein?

Prof. Horst-Joachim Lüdecke, EIKE e.V.: „Wir sind ein … ein gemeinnütziger Verein von Freiwilligen. Wir … ja, von freiwilligen Naturwissenschaftlern, Ingenieuren und interessierten Laien, die es sich zum Ziel gesetzt haben, die Öffentlichkeit aufzuklären über das, was wirklich los ist in Sachen Klima und Energie.“

Dazu veranstaltet EIKE - wie das Heartland Institut in den USA - Kongresse. Hier treffen sich die deutschen Skeptiker des Klimawandels mit Gleichgesinnten aus verschiedenen Ländern. Bei der Sichtung dieser Bilder entdecken wir auch Professor Lüdecke wieder und - etwas Erstaunliches: Während Lüdecke bei seinem Vortrag umhergeht, taucht im Hintergrund plötzlich ein vertrautes Logo auf: das Logo der amerikanischen Klimawandel-Skeptiker vom Heartland Institute, und nur wenig später: das Logo von CFACT. Was machen die Amerikaner hier?

Craig Rucker, CFACT, November 2017 (Übersetzung Monitor): „Wir sind hier, um in jeder möglichen Weise die Arbeit von EIKE zu unterstützen. Ich bin hier, um an den Gesprächsrunden teilzunehmen und unsere Sicht zur Erderwärmung mitzuteilen, so dass die Menschen in Deutschland die US-Positionen zu diesem Problem hören können.“

Wirklich nur ein bisschen fachliche Unterstützung durch CFACT? Wir haben Zweifel, denn: In Jena sitzt laut Vereinsregister der Verein CFACT Europe. Unter derselben Adresse wie auch der Präsident von EIKE. Zufall? Was sagt der Pressesprecher von EIKE dazu, dass ein Institut, das in den USA auch von der Gas- und Ölindustrie finanziert wird, unter der gleichen Adresse zu finden ist wie EIKE?

Reporterin: „Der Vorstand und auch Gründer ist ja auch Gründer der CFACT Europe ... Ähm … CFACT Europe?“

Prof. Horst-Joachim Lüdecke, EIKE e.V.: „Kenne ich nicht, weiß ich nicht. Ja, da gab es mal irgendwas. Weiß ich nicht.“

Reporterin: „Sie kennen CFACT nicht?“

Prof. Horst-Joachim Lüdecke, EIKE e.V.: „Nö.“

Reporterin: „Heartland Institute?”

Prof. Horst-Joachim Lüdecke, EIKE e.V.: Pff, ja, irgendeine, das ist in USA eine … aber ich weiß nicht, Näheres weiß ich darüber nicht. Muss ich Ihnen ehrlich sagen.“

Reporterin: „Das heißt, Sie haben gar nichts mit CFACT Europe oder mit CFACT und mit dem Heartland Institute zu tun?“

Prof. Horst-Joachim Lüdecke, EIKE e.V.: „Also ich persönlich nicht.“

Lüdecke kennt „Heartland“ und „CFACT“ also nicht. Merkwürdig - wenn man diese Bilder sieht. Und es bleibt nicht die einzige Merkwürdigkeit: Über einem Aufsatz, den Lüdecke als Vertreter von EIKE verfasst, steht eine E-Mailadresse - wohl für Rückfragen. Sie lautet: info@cfact-europe.org. Der amerikanische CFACT-Chef Craig Rucker, links, gibt gemeinsam mit einem Vertreter von EIKE eine Pressekonferenz. Wir fragen beim EIKE-Präsidenten in Jena nach. Wie stehen CFACT, CFACT Europe und EIKE zueinander? Eine Antwort auf unsere Frage bekommen wir aber nicht. Wir fassen zusammen: Es gibt klare Verbindungen zwischen der US-amerikanischen und der deutschen Szene von Klimaskeptikern. In den USA werden die Klimaskeptiker unter anderem von konservativen Superreichen und der Öl- und Gasindustrie finanziert. Und sie unterstützen Institute, auf die sich in Deutschland auch Politiker der AfD berufen. Um einen Klimawandel zu leugnen, der für Wissenschaftler wie Reto Knutti aus Zürich nicht mehr geleugnet werden kann.

Prof. Reto Knutti, Technische Hochschule, Zürich: „Wir sehen den menschengemachten Klimawandel überall. Die Temperaturen steigen, die Wettermuster ändern sich, es regnet mehr, es regnet weniger, der Meeresspiegel steigt, die Gletscher schmelzen, die Eiskappen schmelzen, das Meereis schmilzt. Es ist absolut unbestritten, dass der Klimawandel real ist und der größte Teil ist Mensch gemacht.

Kommentare zum Thema

  • Eugen Severing 15.08.2023, 11:06 Uhr

    Besonders schockt mich der Satz: In Deutschland war heute der bisher heißeste Tag dieses Jahres. Was, wenn es nächstes Jahr wieder den heißesten Tag des Jahres gibt? Und danach vielleicht wieder?

  • Ra Tse 15.02.2020, 09:10 Uhr

    Ich finde auch, dass uns unbedingt "interessierte Laien" von EIKE über Klimawissenschaft aufklären sollten... am liebsten noch dann, wenn sie (Spenden)Gelder in den "Auspuff" gesteckt bekommen👍🏽 Sie gehen doch bestimmt auch zu interessierten Laien, wenn Sie einen Trümmerbruch reparieren lassen wollen, nicht wahr!?🤪

  • Patrick 11.12.2018, 20:12 Uhr

    Dieser Kommentar wurde mehrfach abgegeben und daher an dieser Stelle gesperrt. (die Redaktion)