MONITOR vom 01.02.2018

Kriminelle Seenotretter? Der Fall IUVENTA

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Bericht: Nikolaus Steiner

Kriminelle Seenotretter? Der Fall IUVENTA

Monitor 01.02.2018 04:58 Min. Verfügbar bis 30.12.2099 Das Erste

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Georg Restle: „Vielleicht schon. Wenn man sich nämlich anschaut, was zurzeit im Mittelmeer stattfindet. Fast 200 Flüchtlinge sind im Januar dort bereits ertrunken. Und das auch deshalb, weil die Europäische Union bei der Seenotrettung vor allem auf libysche Milizen setzt; darunter kriminelle Menschenhändler, für die Menschenleben offenbar nicht viel zählen. Gleichzeitig werden aber Boote von Seenotrettern beschlagnahmt und junge Menschen zu Kriminellen erklärt, die nichts anderes wollen, als Flüchtlinge vor dem Ertrinken zu retten. Was an diesen Vorwürfen tatsächlich dran ist, hat sich Nikolaus Steiner mal ganz genau angeschaut.“

27. Januar 2018, irgendwo draußen auf dem Mittelmeer, internationale Gewässer. Private Seenotretter ziehen dutzende Menschen aus dem Wasser. Viele sind bewusstlos, darunter auch einige Kinder.

Verena Papke, Rettungsorganisation „SOS Mediterranee“: „Wir haben direkt Wiederbelebungsversuche auf einem unserer Schnellboote machen müssen. Wir haben am Ende feststellen müssen, dass zwei Menschen diese Wiederbelebungsversuche nicht überlebt haben.“

Ohne die Hilfe der privaten Seenotretter hätte es wahrscheinlich sehr viel mehr Opfer gegeben. Laut der Internationalen Organisation für Migration sind schon 185 Menschen im Januar im zentralen Mittelmeer ertrunken. Die Seenotretter kommen an ihr Limit, sagen sie.

Verena Papke, Rettungsorganisation „SOS Mediterranee“: „Wir stellen von staatlicher Seite und auch von europäischer Seite nicht fest, dass dort Schiffe für diesen Zweck zur Verfügung gestellt werden. Die Schiffe der EUNAVFORMED oder anderen Missionen sind da, um Schlepper zu bekämpfen, sind da, um die Grenzen zu schützen, aber zivile Seenotrettung, so wie sie derzeit gebraucht wird, stellen nur die zivilen Seenotrettungsorganisationen derzeit zur Verfügung und davon gibt es zu wenige.“

Rettungsschiffe würden gebraucht. Schiffe, wie die IUVENTA von der deutschen Organisation „Jugend Rettet“. Doch das Schiff liegt seit mehr als sechs Monaten im Hafen, beschlagnahmt von den italienischen Behörden. Der Vorwurf: Die deutsche NGO hätte mit Schleppern gemeinsame Sache gemacht.

Ambrogio Cartosio, Staatsanwaltschaft Trapani, 03.08.2017 (Übersetzung Monitor): „Die Ermittlungen haben ergeben, dass es starke Indizien dafür gibt, dass sie Beihilfe zur illegalen Einwanderung geleistet haben.“

Doch welche Beweise gibt es dafür? Monitor liegt die Ermittlungsakte zum dem Fall vor. Sie zeigt, wie die italienischen Ermittler vorgegangen sind: Die IUVENTA wurde verwanzt, Handygespräche der Retter aufgezeichnet und die Aktivitäten des Schiffs von einem verdeckten Ermittler beobachtet. Aber in den Akten finden sich keine belastbaren Beweise für eine Zusammenarbeit mit Schleppern. Das bestätigt auch der Oppositionspolitiker Erasmo Palazzotto, Vizepräsident des Auswärtigen Ausschusses im italienischen Parlament, der die Akte studiert hat.

Erasmo Palazzotto (Sinistra Italiana), Parlamentsabgeordneter (Übersetzung Monitor): „Aus der Ermittlungsakte geht für mich lediglich hervor, dass die Staatsanwaltschaft hier aus ideologischen Gründen gegen eine NGO ermittelt, die ein Schiff gechartert hat, um Menschenleben zu retten. Da wird zum Beispiel als Beweis angeführt, dass sie Migranten an andere Schiffe übergeben und damit illegale Einwanderung ermöglicht hätten - obwohl sie nur die Vorgaben der italienischen Küstenwache befolgt haben. Insgesamt sind das alles Dinge, die nach unseren Gesetzen keine Verbrechen darstellen.“

Die italienische Staatsanwaltschaft sieht das ganz anders. Sie stützt sich vor allem auf Fotos des verdeckten Ermittlers von einem Einsatz im Juni. Die Aufnahmen sollen unter anderem zeigen, wie „Jugend Rettet“ angeblich drei leere Holzboote zurück in Richtung Libyen schleppt. Das sei der ultimative Beleg. Doch die deutschen Seenotretter haben dafür eine ganz andere Erklärung.

Julian Pahlke, „Jugend Rettet“: „Unsere Crew hat diese drei Holzboote aus dieser ganzen Szenerie rausgeschleppt, weil wir uns zu der Zeit noch in Rettungseinsätzen mit anderen Booten befanden, auf denen eben auch viele hundert Menschen noch in Seenot waren. Und natürlich hat das Versorgen und das Abbergen dieser Menschen oberste Priorität und diese drei Holzboote waren schlicht im Weg.“

Wanzen, Handyüberwachung, verdeckte Ermittler. Während Italien mit Anti-Mafia-Methoden gegen Seenotretter vorgeht, rüstet die EU auf der anderen Seite die Milizen der libyschen Küstenwache auf, von denen einige äußerst aggressiv gegen Retter und Flüchtlinge vorgehen und die laut einem Bericht der Vereinten Nationen zum Teil selbst mit Schleppern zusammenarbeiten sollen.

Lotte Leicht, EU-Direktorin Human Rights Watch (Übersetzung Monitor): „Es ist ein vollständiger moralischer Niedergang. Es ist abstoßend. Die NGOs retten Leben im Mittelmeer. Jeder ist verpflichtet, Menschen in Seenot zu helfen. Die Alternative wäre, diese Menschen einfach sterben zu lassen, in der Hoffnung damit andere abzuschrecken. Aber das ist eine ungeheuerliche und verantwortungslose Politik. Es gibt keine Belege dafür, dass sich NGOs mit Schleppern absprechen. Wenn es sie gibt, dann zeigt sie uns! Ansonsten hört auf mit den leeren Anschuldigungen und diesen schändlichen politischen Aussagen!“

Georg Restle: „Dem ist wenig hinzuzufügen.“

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Stand: 30.01.2018, 15:08 Uhr

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19 Kommentare

  • 19 Miriam S 18.02.2018, 16:13 Uhr

    "Alle Wundertäter habe Charisma. Sonst würde man ja merken, dass sie keine Wunder tun." Las ich in einem Forum und stelle die Frage, wie kam es dann ...weiterlesen

  • 18 Miriam S 18.02.2018, 11:09 Uhr

    Flüchtlinge nach Europa?? dafür sorgt auch ein neuer Mitspieler auf der Münchner Sicherheitskonferenz, Netanjahu; er kämpft gegen den Terror? Terror ...weiterlesen

  • 17 Michael 08.02.2018, 20:23 Uhr

    Harald??????? Oh mein...... Vor Märchenerzählern , wie Sie es einer sind, habe ich Angst. Christliche Werte,in unsere Welt integrieren, Moralvorste ...weiterlesen