Israels Krieg im Libanon: Kriegsverbrechen ohne Aufklärung?

Monitor 13.02.2025 08:18 Min. UT Verfügbar bis 30.12.2099 Das Erste Von Andreas Maus

MONITOR vom 13.02.2025

Israels Krieg im Libanon: Kriegsverbrechen ohne Aufklärung?

Warum zerstörte die israelische Armee im Libanon eine deutsch-libanesische Begegnungsstätte? Warum mussten sechs Menschen sterben? Darüber hatte MONITOR letztes Jahr berichtet. Der Vorwurf, der im Raum steht: Ein Kriegsverbrechen. Die israelische Armee hatte Aufklärung versprochen – doch noch immer ist unklar, wieso das Gebäude angegriffen wurde. Hat Israel den Tod von Zivilisten billigend in Kauf genommen? Und warum schweigen die israelische Regierung und auch die Bundesregierung dazu? MONITOR war vor Ort im Libanon und hat Familien der Opfer des Angriffs getroffen.

Von Andreas Maus

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Georg Restle: "Die Pläne des US-Präsidenten betreffen die ganze Welt. Ginge es nach Donald Trump, würden hier im Gazastreifen Millionen Palästinenser zwangsvertrieben werden – um Platz zu schaffen für neureiche Neubürger. Ein zynischer Plan. Es wäre ein weiterer, offener Bruch des Völkerrechts. Und es wäre nicht der erste. Gegen Israels Premierminister Netanjahu liegt immer noch ein Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofs vor wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen der israelischen Armee. Aber an Aufklärung glaubt niemand. Schon gar nicht, dass Israels Armee sich an dieser Aufklärung selbst beteiligt. Dies zeigt auch die Geschichte dieses zerstörten Hauses hier im Libanon, über das wir bereits letztes Jahr berichtet haben. Ein deutsch-libanesisches Begegnungszentrum, das im Oktober von israelischen Raketen zerstört wurde. Sechs Menschen wurden damals getötet, Die israelische Armee hat Aufklärung versprochen – auch der deutschen Bundesregierung. Was daraus geworden ist? Wir haben ein Tübinger Ehepaar begleitet, für die das Begegnungszentrum im Libanon ihr Lebenswerk war. Ein Lebenswerk, das jetzt in Trümmern liegt."

Es ist die schwerste Reise seines Lebens. Aus Tübingen in den Libanon, ins Dorf Wardaniyeh, auf der Suche nach Antworten. Und dann der Moment, vor dem sich Said Arnaout lange gefürchtet hat.

Said Arnaout: "Es ist traurig."

Auch seine Frau kann es immer noch nicht fassen. Vor vier Monaten zerstörten israelische Raketen dieses Gästehaus. Dar As Salam – Haus des Friedens. Ein deutsch-libanesischer Ort der Begegnung, vor 30 Jahren von ihnen gegründet – ihr Lebenswerk. Ein Ort, in dem 90 Zivilisten Schutz gesucht hatten vor israelischen Angriffen.

Latife Abdul Aziz: "Es ist ein Alptraum. Also ob ich in einem anderen Platz bin oder in einer anderen Welt, das gehört uns nicht."

Said Arnaout: "Ich denke noch immer, Steine kann man wieder aufbauen, aber die Menschen, die getötet sind, kann man nicht wiederbeleben, das ist es noch mehr Ärger und Trauer und Zorn."

Sechs Menschen wurden von den Raketen getötet. Der Lehrer Ali Chalhoub und seine Frau Siham, Hijam Saini und ihr Sohn Omar, Amjad Moussa und sein Sohn Mohamed. Und bis heute steht die quälende Frage im Raum:

Said Arnaout: "Warum haben die Israelis das hier angeschossen?"

Latife Abdul Aziz: "Es ist uns sehr wichtig zu wissen, warum. Und niemand hat bis jetzt geantwortet."

Israelische Raketen, die einen deutsch-libanesischen Begegnungsort zerstören? Ein Haus voller Geflüchteter als Ziel? Darüber hatten wir bei MONITOR letzten Oktober berichtet. Und das israelische Militär nach dem Grund für den Angriff gefragt. Antwort damals, die Armee

Zitat: "… eliminierte einen hochrangigen Kommandeur der (…) Terrororganisation Hisbollah im Gebiet Al-Wardaniyeh."

Einen Hisbollah-Kommandeur eliminiert? In der Region? In ihrem Haus? Said Arnaout und Latife Abdul Aziz führten Listen über alle Gäste im Haus, kannten alle persönlich. Wir haben die Namenslisten überprüft, die Namen der Toten abgeglichen mit israelischen Erfolgsmeldungen von getöteten Hisbollah-Kommandeuren – keine Übereinstimmung. Konfrontiert mit unseren Recherchen versprach das israelische Militär eine "befriedigende Antwort". Als die nicht kam, fragten wir weiter nach. Ende Oktober, im November – keine Antworten. Im Januar, und jetzt im Februar – keine Antworten. Es war ein Angriff auf Zivilisten, keine Kriegspartei, sagt der israelische Völkerrechtsexperte Eitan Diamond. Und der müsse dringend aufgeklärt werden.

Eitan Diamond, Völkerrechtsexperte, Diakonia International Humanitarian Law Centre (Übersetzung MONITOR): "Es besteht der ernsthafte Verdacht, dass das Völkerrecht verletzt wurde und Kriegsverbrechen begangen wurden. Deswegen müsste man eine Untersuchung durchführen. Wenn sie das nicht ernst nehmen, wenn sie das nicht untersuchen und dafür sorgen, dass die Täter vor Gericht gestellt werden, dann wird dieses System nicht standhalten."

Larissa und Naji haben den Raketenangriff überlebt. Mit ihrer Großmutter kommen sie zum ersten Mal nach vier Wochen wieder nach Wardaniyeh. Die Kinder überlebten, weil sie draußen im Hof waren, als die Raketen ins Haus einschlugen. Ihre Eltern wurden getötet. Ali Chalhoub, der Lehrer, und seine Frau Siham. Später zeigt Latife Abdul Aziz den Kindern eine Tasche, die sie in den Trümmern gefunden hat. Es ist noch Geld darin, angekokelt. Ob die Tasche ihren Eltern gehörte? Nein. Auch die Bundesregierung äußerte sich damals empört über den Angriff auf das Deutsch-Libanesische Zentrum. Und forderte von Israel Aufklärung. Was ist daraus geworden? Wir haben das Auswärtige Amt in den letzten Wochen erneut angefragt – immer wieder. Um ein Interview gebeten mit Außenministerin Baerbock – Absage. Mit einem anderen Vertreter aus dem Ministerium – Absage. Schließlich schreibt man uns:

Zitat: "Das Auswärtige Amt bemüht sich weiterhin um Aufklärung des Angriffs…und steht …mit Vertretern der Israelischen Regierung und des Israelischen Militärs im Austausch.”

Die Raketen haben auch seine Frau Hijam und seinen Sohn Omar getötet. Mahmoud Zaidan war im Auto unterwegs, erzählt er, als ihn die Nachricht von ihrem Tod per WhatsApp erreichte, Sie glaubten, hier sicher zu sein, gerade hier, bei den Deutschen.

Mahmoud Zaidan (Übersetzung MONITOR): "Wir sind aus einem Flüchtlingslager hierhergekommen. Ich bin so traurig, was passiert ist. Sehr traurig, wirklich. Ich bin jetzt zum ersten Mal wieder an diesem Ort. Das ist meine Frau. Und das mein Sohn Omar."

Und dann zeigt Latife Abdul Aziz auch Mahmoud Zaidan die Tasche. Ob er sie kenne? Es ist die Tasche seines Sohnes.

Latife Abdul Aziz: "Das war seine Tasche. Hat sie immer zur Uni gebracht, hat seine Sachen hier reingetan. Und habe ich ihm gesagt, möchtest du das behalten? Ja, also das ist eine Erinnerung von meinem Sohn."

Said Arnaout und seine Frau Latife Abdul Aziz warten immer noch auf Antworten. Von der Bundesregierung – und von der Israelischen Armee. Aber die schweigt bis heute.

Georg Restle: "Sechs getötete Menschen – jeder mit seiner eigenen Geschichte. Und das gilt für jeden einzelnen der Zehntausenden, die in diesem furchtbaren Krieg im Nahen Osten getötet wurden und deren Geschichten wir nicht alle erzählen können."

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Stand: 13.02.2025, 22:30 Uhr

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3 Kommentare

  • 3 Aga Bellwald 13.02.2025, 23:42 Uhr

    Wann wird endlich damit aufgehört, die IDF weiterhin mit Waffen zuzupappen? Trump wird es weiter tun, das steht außer Frage, da ist leider nichts an ...weiterlesen

  • 1 Achtung Monitor ! 13.02.2025, 22:08 Uhr

    Dieser Kommentar wurde gesperrt, weil er beleidigend ist. (die Redaktion)